Der vietnamesische Vater der Vaganten-Bischöfe
13.12.2024 08:38
Der vietnamesische Vater der Vaganten-Bischöfe
13.12.2024 08:38
Der vietnamesische Vater der Vaganten-Bischöfe
Vor 40 Jahren starb Erzbischof Pierre Martin Ngô Đình Thục
Ob bei den schismatischen Klarissen von Belorado oder bei rechten Demonstrationen: Wo falsche katholische Bischöfe ihr Unwesen treiben, steckt oft einer dahinter: Ein vietnamesischer Erzbischof sorgte einst und bis heute mit illegalen Bischofsweihen für Unordnung und Aufruhr.
Am Ende starb Erzbischof Pierre Martin Ngô Đình Thục mit der Kirche versöhnt. Dass der vietnamesische Geistliche am Ende seines Lebens den Weg zurück zur Einheit finden würde, war alles andere ausgemacht. Über Jahrzehnte lebte er nicht nur im Schisma. Mit unerlaubten Bischofsweihen legte er die Grundsteine für die Weihelinien vieler heute noch aktiver Vagantenpriester und -Bischöfe, die fast überall auf der Welt ihr Unwesen treiben. Vagant sind Geistliche, die keiner ordentlichen katholischen Hierarchie unterstehen. Kaum ein kurioser Kirchenskandal kommt ohne Geistliche aus, die sich auf eine Weihe in der Weihelinie von Thục berufen: Vom Bischof, der die schismatischen Klarissen in Belorado betreut über die "palmarianisch-katholische Kirche" bis hin zu dem "Pegida-Bischof" Markus R. und Ralph N. mit seiner Bewegung "Maria 3.0", vor dem deutsche Bischöfe seit Jahren warnen, reicht die Liste.
1897 wurde Thục noch im Kaiserreich Vietnam als Kind einer wohlhabenden katholischen Beamtenfamilie geboren. Mit zwölf Jahren trat er ins Knabenseminar von An Ninh ein, später studierte er am Priesterseminar von Huế und wurde 1925 zum Priester geweiht. In Rom studierte er Philosophie, Theologie und Kirchenrecht; bisweilen heißt es, er habe auch in diesen Fächern an der Päpstlichen Universität Gregoriana promoviert. Dafür gibt es in den Universitätsarchiven aber keine Belege. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit an der Sorbonne in Paris kehrte er 1927 zurück nach Vietnam und machte dort bald Karriere: 1938 wurde er Apostolische Vikar von Vĩnh Long. Für dieses Amt wurde er auch zum Bischof geweiht – und angeblich angesichts der Wirren der blutig zu Ende gehenden französischen Kolonialherrschaft auch mit einem besonderen Mandat von Papst Pius XI. ausgestattet: Einer Vollmacht über alle notwendigen Befugnisse "für die Uns bekannten Zwecke", zur Not auch der Vollmacht, Bischöfe ohne Absprache mit dem Papst zu weihen.
Als Antikommunisten von den USA gefördert
Thục war nicht der einzige in seiner Familie, der Karriere machte: Sein jüngerer Bruder Ngô Đình Diệm war von 1955 bis zu seiner Ermordung 1963 der erste Präsident des südlichen Teils Vietnams, der Republik Vietnam. Lange hatten die USA den Politiker, der die Monarchie abschaffte, selbst aber durch gefälschte Wahlen ins Amt kam, als antikommunistische Alternative zum nordvietnamesischen Präsidenten Hồ Chí Min gestützt: Thục wie Diệm galten in den USA der 1950er Jahre als verlässliche Antikommunisten, beide knüpften Kontakte zum einflussreichen Erzbischof von New York, Kardinal Francis Spellman, der sich bei Papst Pius XII. für Thục einsetzte. Den politischen Aufstieg Diệms bereitete Thục maßgeblich mit vor.
Kardinal Francis Spellman und Präsident Ngô Đình Diệm schütteln sich die Hand
Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | JH
In den USA war Präsident Ngô Đình Diệm ein gern gesehener Gast. Der einflussreiche New Yorker Kardinal Francis Spellman gehörte zu den Unterstützern der Ngô-Familie.
1960 errichtete Papst Johannes XXIII. die Erzdiözese Huế und machte Thục – auf die Fürsprache Spellmans – zu ihrem ersten Erzbischof. Der Niedergang des Einflusses der Ngô-Familie in Vietnam wurde eingeläutet durch das 25-jährige Bischofsjubiläum von Thục: Die Feierlichkeiten wurden 1963 mit Geldmitteln der Regierung unterstützt, Vatikanflaggen sollten gehisst werden. Im selben Jahr wurde Buddhisten in Huế untersagt, zum Geburtstag Buddhas buddhistische Flaggen zu zeigen – die unterschiedliche Behandlung der Religionen führte zu Protesten gegen die Regierung, ein buddhistisches Mönchsmanifest, das die Gleichberechtigung von Buddhisten und Katholiken forderte, heizte die Stimmung noch an. Das Bild des buddhistischen Mönchs Thích Quảng Đức, der sich aus Protest selbst verbrannte, ging um die Welt. Erst als eine Bombe – angeblich platziert durch die Guerilla-Organisation des Vietcong – neun Menschen tötete, endeten die Proteste vorerst. Blutig schlug das Regime die Widerstandsbewegung zurück. Im November 1963 wurde Diệm abgesetzt und ermordet. Außer Thục überlebte nur ein weiterer der sechs Ngô-Brüder diese Zeit: Ngô Đình Luyện war als Botschafter in London, Thục in Europa anlässlich des Zweiten Vatikanischen Konzils, zum Zeitpunkt des Putsches wahrscheinlich in Lourdes.
Konzilsvater im Exil
Beim Konzil nahm Thục an allen Sitzungsperioden teil. Als das Konzil 1965 endete, waren sich die Regierungen von Vietnam und den USA sowie der Vatikan einig, dass Thục nicht in sein Heimatland zurückkehren dürfe – damit begann Thụcs Exil in Rom. 1968 trat er als Erzbischof von Huế zurück; nach seiner eigenen Darstellung auf Druck von Papst Paul VI., aber auch schon in Abgrenzung von den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Mit dem Exil begann Thục abzudriften. Als nunmehr bloßer Titularbischof – das Institut des emeritierten Bischofs hatte sich noch nicht etabliert – hatte er keine standesgemäße Aufgabe, sondern war erst in Italien, dann in Frankreich, als Hilfsgeistlicher tätig. In dieser Zeit entstanden Kontakte zu anderen Gegnern des Zweiten Vatikanischen Konzils: in Frankreich kam er auf die Vermittlung des Kirchenrechtsprofessors des Priesterseminars der Piusbruderschaft mit der Bewegung um die angeblichen Marienerscheinungen im spanischen El Palmar de Troya zusammen. Dort spendete Thục seine erste illegale Weihe: Clemente Domínguez y Gómez, dem angeblich die Jungfrau Maria erschienen war, und weitere seiner Anhänger wurden in der Nacht zum 1. Januar 1976 zu Priestern geweiht, zehn Tage später weihte Thục Domínguez und vier weitere Männer zu Bischöfen.
Clemente Domínguez y Gómez in Papstgewändern
Bild: ©picture-alliance/dpa/dpaweb/Emilio_Morenatti
Clemente Domínguez y Gómez wurde von Thục zum Bischof geweiht. Später erklärte er sich zum Papst.
Auf die verbotene Bischofsweihe steht die Strafe der Exkommunikation, die auch umgehend nach Bekanntwerden durch den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Franjo Šeper, ausgesprochen wurde. Das Dekret stellte drei Folgen der irregulären Weihen fest: Mit der illegalen Bischofsweihe hätten sich sowohl der Weihespender wie die Geweihten die Tatstrafe der Exkommunikation zugezogen. Illegal geweihte Priester sind suspendiert und damit an der Ausübung priesterlicher Dienste gehindert. Die dritte Festlegung betraf die Anerkennung der Weihen: "Was schließlich diejenigen betrifft, die auf diese unrechtmäßige Weise geweiht worden sind oder in Zukunft von ihnen geweiht werden könnten, so erkennt die Kirche ihre Weihe nicht an und wird dies auch nicht tun; sie betrachtet sie in Bezug auf alle rechtlichen Wirkungen in dem Zustand, den jeder von ihnen vorher hatte, und unterwirft sie den oben erwähnten strafrechtlichen Sanktionen, bis sie Buße tun."
Illegale Weihen – aber auch ungültige?
Ein Wort fehlt in diesem Dekret aber auffällig: "ungültig". Der Präfekt stellte zwar fest, dass die Kirche die Weihen nicht anerkenne, ohne sich aber klar zu äußern, ob damit auch tatsächlich eine Ungültigkeit angenommen wird – also dass die apostolische Sukzession mangels gültig zustande gekommenem Weihesakrament unwirksam übertragen wurde. Damit eine Bischofsweihe gültig ist, braucht es außer einem gültig geweihten Bischof, der die Weihe spendet, kaum etwas – anders als beim Ehesakrament hat die Kirche nicht kleinteilig festgelegt, welche Form genau eingehalten werden muss, um zu einem gültigen Sakrament zu führen. Ungültig wäre eine von einem geweihten Bischof gespendete Weihe im Wesentlichen nur dann, wenn sein Geisteszustand es nicht zuließe, dass er die Weihe spenden kann. Dafür schien es bei Thục aber keine Anhaltspunkte zu geben, obwohl immer wieder vermutet und angedeutet wurde, dass er als "non compos mentis", nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, angesehen werde und damit nicht in der Lage sei, gültig zu weihen.
Die erste Exkommunikation wurde bald wieder aufgehoben: Thục kam zu dem Schluss, dass die Marienerscheinungen von Palmar de Troya nicht echt gewesen seien und er mit seinen Weihen einen Fehler gemacht habe; 1976 wurde seine Exkommunikation aufgehoben. Die "Palmarianisch-katholische Kirche" indes bestand fort: Domínguez erklärte sich 1978 nach dem Tod von Papst Paul VI. aufgrund einer neuen Vision selbst zum "Papst Gregor XVII" – und dank seiner Bischofsweihe kann sich die Bewegung auf die Apostolische Sukzession berufen.
Sinead O'Connor steht mit Kollarhemd, schwarzem Anzug und Kreuz auf einer Bühne
Bild: ©picture alliance/AP Photo | Antonio Calanni (Montage katholisch.de)
Die irische Sängerin Sinead O'Connor wurde in Lourdes zur Priesterin geweiht durch einen Bischof in der Weihelinie Thụcs– anders als bei den anderen Thục-Weihen ist aus katholischer Sicht klar, dass diese Weihe ungültig ist, da Frauen die Weihe nicht empfangen können.
Der Frieden mit der Kirche währte für Thục nicht lang: 1981 weihte er den sedisvakantistischen Priester Michel-Louis Guérard des Lauriers zum Bischof, einen ehemaligen Dominikaner und Berater von Papst Pius XII. Wenige Monate später weihte Thục zwei mexikanische Priester, Mosè Carmona und Adolfo Zamora – wie Guérard des Lauriers gingen die beiden davon aus, dass der Papststuhl verweist sei. Anfang 1982 positionierte sich Thục dann selbst mit einem Manifest als klar sedisvakantistisch und erklärte, dass die einzig gültige Messe die des heiligen Pius V. sei, der 1570 nach dem Konzil von Trient das römische Messbuch reformierte. Thục wandte sich gegen "Modernismus", "falschen Ökumenismus", einen "Kult des Menschen", die Anerkennung der Religionsfreiheit und den von ihm festgestellten Unwillen, Häresien zu verdammen und Häretiker zu verstoßen: "Daher urteile ich als Bischof der römisch-katholischen Kirche, dass der Stuhl der römisch-katholischen Kirche vakant ist, und es obliegt mir als Bischof, alles zu tun, was notwendig ist, damit die römisch-katholische Kirche in ihrer Mission zur Rettung der Seelen bestehen bleibt."
Entradikalisierung in den USA
Die Glaubenskongregation, mittlerweile unter ihrem Präfekten Joseph Ratzinger, zählte in einer 1983 veröffentlichten Erklärung neben Guérard des Lauriers, Carmona und Zamora drei weitere Priester auf, die mittlerweile von Carmona zu Bischöfen geweiht wurden. Kardinal Ratzinger erneuerte die Feststellung, dass Thục und die von ihm Geweihten exkommuniziert sind und die von ihnen geweihten Priester suspendiert. An der Wirksamkeit der Weihen wurden nun immerhin Zweifel angemeldet: "Was schließlich die Gültigkeit der Weihen derjenigen betrifft, die auf diese rechtswidrige Weise Weihen schon empfangen haben oder etwa von diesen Weihen empfangen werden, so erkennt die Kirche diese Weihen, wie immer es auch um die Gültigkeit bestellt sein mag, weder an noch wird sie sie anerkennen und betrachtet diese Personen als dem Stand zugehörig, den sie jeweils vor diesen Ereignissen eingenommen haben." Ratzinger machte damit explizit, dass die Kirche sich bislang eines Urteils über die Gültigkeit enthalten hatte.
Thục zog 1983 in die USA auf Einladung eines Bischofs, der über Carmona in seiner Weihelinie steht. In den USA wandte sich Thục zunehmend der Seelsorge für die vietnamesische Gemeinde zu und kam auch wieder mit Freunden aus seiner eigenen Zeit in Vietnam zusammen. Die Begegnungen führten zu einer Deradikalisierung: Thục wandte sich vom Sedisvakantismus ab. Am 11. Juli 1984 versöhnte er sich mit der Kirche, seine Exkommunikation wurde aufgehoben, am 13. Dezember starb er in Carthage in Missouri im Alter von 87 Jahren.
Sein Erbe lebt fort: Mindestens 15 Bischöfe soll Thục im Lauf seines Lebens illegal geweiht haben – heute berufen sich zahllose sedisvakantistische, traditionalistische und andere schismatische Vagantenkleriker auf ihn – und nicht nur diese. Die wohl bekannteste Person, die sich auf die Weihelinie Thụcs berufen hat, wurde 1999 von dem Iren Michael Cox geweiht, der seine Bischofsweihe aus dem Umfeld der Palmarianer empfangen hat: die Sängerin Sinéad O'Connor empfing von ihm in Lourdes die Priesterweihe und nahm zeitweise den Namen "Mutter Bernadette Marie" an.
Von Felix Neumann
Ob bei den schismatischen Klarissen von Belorado oder bei rechten Demonstrationen: Wo falsche katholische Bischöfe ihr Unwesen treiben, steckt oft einer dahinter: Ein vietnamesischer Erzbischof sorgte einst und bis heute mit illegalen Bischofsweihen für Unordnung und Aufruhr.
Am Ende starb Erzbischof Pierre Martin Ngô Đình Thục mit der Kirche versöhnt. Dass der vietnamesische Geistliche am Ende seines Lebens den Weg zurück zur Einheit finden würde, war alles andere ausgemacht. Über Jahrzehnte lebte er nicht nur im Schisma. Mit unerlaubten Bischofsweihen legte er die Grundsteine für die Weihelinien vieler heute noch aktiver Vagantenpriester und -Bischöfe, die fast überall auf der Welt ihr Unwesen treiben. Vagant sind Geistliche, die keiner ordentlichen katholischen Hierarchie unterstehen. Kaum ein kurioser Kirchenskandal kommt ohne Geistliche aus, die sich auf eine Weihe in der Weihelinie von Thục berufen: Vom Bischof, der die schismatischen Klarissen in Belorado betreut über die "palmarianisch-katholische Kirche" bis hin zu dem "Pegida-Bischof" Markus R. und Ralph N. mit seiner Bewegung "Maria 3.0", vor dem deutsche Bischöfe seit Jahren warnen, reicht die Liste.
1897 wurde Thục noch im Kaiserreich Vietnam als Kind einer wohlhabenden katholischen Beamtenfamilie geboren. Mit zwölf Jahren trat er ins Knabenseminar von An Ninh ein, später studierte er am Priesterseminar von Huế und wurde 1925 zum Priester geweiht. In Rom studierte er Philosophie, Theologie und Kirchenrecht; bisweilen heißt es, er habe auch in diesen Fächern an der Päpstlichen Universität Gregoriana promoviert. Dafür gibt es in den Universitätsarchiven aber keine Belege. Nach einer kurzen Lehrtätigkeit an der Sorbonne in Paris kehrte er 1927 zurück nach Vietnam und machte dort bald Karriere: 1938 wurde er Apostolische Vikar von Vĩnh Long. Für dieses Amt wurde er auch zum Bischof geweiht – und angeblich angesichts der Wirren der blutig zu Ende gehenden französischen Kolonialherrschaft auch mit einem besonderen Mandat von Papst Pius XI. ausgestattet: Einer Vollmacht über alle notwendigen Befugnisse "für die Uns bekannten Zwecke", zur Not auch der Vollmacht, Bischöfe ohne Absprache mit dem Papst zu weihen.
Als Antikommunisten von den USA gefördert
Thục war nicht der einzige in seiner Familie, der Karriere machte: Sein jüngerer Bruder Ngô Đình Diệm war von 1955 bis zu seiner Ermordung 1963 der erste Präsident des südlichen Teils Vietnams, der Republik Vietnam. Lange hatten die USA den Politiker, der die Monarchie abschaffte, selbst aber durch gefälschte Wahlen ins Amt kam, als antikommunistische Alternative zum nordvietnamesischen Präsidenten Hồ Chí Min gestützt: Thục wie Diệm galten in den USA der 1950er Jahre als verlässliche Antikommunisten, beide knüpften Kontakte zum einflussreichen Erzbischof von New York, Kardinal Francis Spellman, der sich bei Papst Pius XII. für Thục einsetzte. Den politischen Aufstieg Diệms bereitete Thục maßgeblich mit vor.
Kardinal Francis Spellman und Präsident Ngô Đình Diệm schütteln sich die Hand
Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | JH
In den USA war Präsident Ngô Đình Diệm ein gern gesehener Gast. Der einflussreiche New Yorker Kardinal Francis Spellman gehörte zu den Unterstützern der Ngô-Familie.
1960 errichtete Papst Johannes XXIII. die Erzdiözese Huế und machte Thục – auf die Fürsprache Spellmans – zu ihrem ersten Erzbischof. Der Niedergang des Einflusses der Ngô-Familie in Vietnam wurde eingeläutet durch das 25-jährige Bischofsjubiläum von Thục: Die Feierlichkeiten wurden 1963 mit Geldmitteln der Regierung unterstützt, Vatikanflaggen sollten gehisst werden. Im selben Jahr wurde Buddhisten in Huế untersagt, zum Geburtstag Buddhas buddhistische Flaggen zu zeigen – die unterschiedliche Behandlung der Religionen führte zu Protesten gegen die Regierung, ein buddhistisches Mönchsmanifest, das die Gleichberechtigung von Buddhisten und Katholiken forderte, heizte die Stimmung noch an. Das Bild des buddhistischen Mönchs Thích Quảng Đức, der sich aus Protest selbst verbrannte, ging um die Welt. Erst als eine Bombe – angeblich platziert durch die Guerilla-Organisation des Vietcong – neun Menschen tötete, endeten die Proteste vorerst. Blutig schlug das Regime die Widerstandsbewegung zurück. Im November 1963 wurde Diệm abgesetzt und ermordet. Außer Thục überlebte nur ein weiterer der sechs Ngô-Brüder diese Zeit: Ngô Đình Luyện war als Botschafter in London, Thục in Europa anlässlich des Zweiten Vatikanischen Konzils, zum Zeitpunkt des Putsches wahrscheinlich in Lourdes.
Konzilsvater im Exil
Beim Konzil nahm Thục an allen Sitzungsperioden teil. Als das Konzil 1965 endete, waren sich die Regierungen von Vietnam und den USA sowie der Vatikan einig, dass Thục nicht in sein Heimatland zurückkehren dürfe – damit begann Thụcs Exil in Rom. 1968 trat er als Erzbischof von Huế zurück; nach seiner eigenen Darstellung auf Druck von Papst Paul VI., aber auch schon in Abgrenzung von den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Mit dem Exil begann Thục abzudriften. Als nunmehr bloßer Titularbischof – das Institut des emeritierten Bischofs hatte sich noch nicht etabliert – hatte er keine standesgemäße Aufgabe, sondern war erst in Italien, dann in Frankreich, als Hilfsgeistlicher tätig. In dieser Zeit entstanden Kontakte zu anderen Gegnern des Zweiten Vatikanischen Konzils: in Frankreich kam er auf die Vermittlung des Kirchenrechtsprofessors des Priesterseminars der Piusbruderschaft mit der Bewegung um die angeblichen Marienerscheinungen im spanischen El Palmar de Troya zusammen. Dort spendete Thục seine erste illegale Weihe: Clemente Domínguez y Gómez, dem angeblich die Jungfrau Maria erschienen war, und weitere seiner Anhänger wurden in der Nacht zum 1. Januar 1976 zu Priestern geweiht, zehn Tage später weihte Thục Domínguez und vier weitere Männer zu Bischöfen.
Clemente Domínguez y Gómez in Papstgewändern
Bild: ©picture-alliance/dpa/dpaweb/Emilio_Morenatti
Clemente Domínguez y Gómez wurde von Thục zum Bischof geweiht. Später erklärte er sich zum Papst.
Auf die verbotene Bischofsweihe steht die Strafe der Exkommunikation, die auch umgehend nach Bekanntwerden durch den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Franjo Šeper, ausgesprochen wurde. Das Dekret stellte drei Folgen der irregulären Weihen fest: Mit der illegalen Bischofsweihe hätten sich sowohl der Weihespender wie die Geweihten die Tatstrafe der Exkommunikation zugezogen. Illegal geweihte Priester sind suspendiert und damit an der Ausübung priesterlicher Dienste gehindert. Die dritte Festlegung betraf die Anerkennung der Weihen: "Was schließlich diejenigen betrifft, die auf diese unrechtmäßige Weise geweiht worden sind oder in Zukunft von ihnen geweiht werden könnten, so erkennt die Kirche ihre Weihe nicht an und wird dies auch nicht tun; sie betrachtet sie in Bezug auf alle rechtlichen Wirkungen in dem Zustand, den jeder von ihnen vorher hatte, und unterwirft sie den oben erwähnten strafrechtlichen Sanktionen, bis sie Buße tun."
Illegale Weihen – aber auch ungültige?
Ein Wort fehlt in diesem Dekret aber auffällig: "ungültig". Der Präfekt stellte zwar fest, dass die Kirche die Weihen nicht anerkenne, ohne sich aber klar zu äußern, ob damit auch tatsächlich eine Ungültigkeit angenommen wird – also dass die apostolische Sukzession mangels gültig zustande gekommenem Weihesakrament unwirksam übertragen wurde. Damit eine Bischofsweihe gültig ist, braucht es außer einem gültig geweihten Bischof, der die Weihe spendet, kaum etwas – anders als beim Ehesakrament hat die Kirche nicht kleinteilig festgelegt, welche Form genau eingehalten werden muss, um zu einem gültigen Sakrament zu führen. Ungültig wäre eine von einem geweihten Bischof gespendete Weihe im Wesentlichen nur dann, wenn sein Geisteszustand es nicht zuließe, dass er die Weihe spenden kann. Dafür schien es bei Thục aber keine Anhaltspunkte zu geben, obwohl immer wieder vermutet und angedeutet wurde, dass er als "non compos mentis", nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, angesehen werde und damit nicht in der Lage sei, gültig zu weihen.
Die erste Exkommunikation wurde bald wieder aufgehoben: Thục kam zu dem Schluss, dass die Marienerscheinungen von Palmar de Troya nicht echt gewesen seien und er mit seinen Weihen einen Fehler gemacht habe; 1976 wurde seine Exkommunikation aufgehoben. Die "Palmarianisch-katholische Kirche" indes bestand fort: Domínguez erklärte sich 1978 nach dem Tod von Papst Paul VI. aufgrund einer neuen Vision selbst zum "Papst Gregor XVII" – und dank seiner Bischofsweihe kann sich die Bewegung auf die Apostolische Sukzession berufen.
Sinead O'Connor steht mit Kollarhemd, schwarzem Anzug und Kreuz auf einer Bühne
Bild: ©picture alliance/AP Photo | Antonio Calanni (Montage katholisch.de)
Die irische Sängerin Sinead O'Connor wurde in Lourdes zur Priesterin geweiht durch einen Bischof in der Weihelinie Thụcs– anders als bei den anderen Thục-Weihen ist aus katholischer Sicht klar, dass diese Weihe ungültig ist, da Frauen die Weihe nicht empfangen können.
Der Frieden mit der Kirche währte für Thục nicht lang: 1981 weihte er den sedisvakantistischen Priester Michel-Louis Guérard des Lauriers zum Bischof, einen ehemaligen Dominikaner und Berater von Papst Pius XII. Wenige Monate später weihte Thục zwei mexikanische Priester, Mosè Carmona und Adolfo Zamora – wie Guérard des Lauriers gingen die beiden davon aus, dass der Papststuhl verweist sei. Anfang 1982 positionierte sich Thục dann selbst mit einem Manifest als klar sedisvakantistisch und erklärte, dass die einzig gültige Messe die des heiligen Pius V. sei, der 1570 nach dem Konzil von Trient das römische Messbuch reformierte. Thục wandte sich gegen "Modernismus", "falschen Ökumenismus", einen "Kult des Menschen", die Anerkennung der Religionsfreiheit und den von ihm festgestellten Unwillen, Häresien zu verdammen und Häretiker zu verstoßen: "Daher urteile ich als Bischof der römisch-katholischen Kirche, dass der Stuhl der römisch-katholischen Kirche vakant ist, und es obliegt mir als Bischof, alles zu tun, was notwendig ist, damit die römisch-katholische Kirche in ihrer Mission zur Rettung der Seelen bestehen bleibt."
Entradikalisierung in den USA
Die Glaubenskongregation, mittlerweile unter ihrem Präfekten Joseph Ratzinger, zählte in einer 1983 veröffentlichten Erklärung neben Guérard des Lauriers, Carmona und Zamora drei weitere Priester auf, die mittlerweile von Carmona zu Bischöfen geweiht wurden. Kardinal Ratzinger erneuerte die Feststellung, dass Thục und die von ihm Geweihten exkommuniziert sind und die von ihnen geweihten Priester suspendiert. An der Wirksamkeit der Weihen wurden nun immerhin Zweifel angemeldet: "Was schließlich die Gültigkeit der Weihen derjenigen betrifft, die auf diese rechtswidrige Weise Weihen schon empfangen haben oder etwa von diesen Weihen empfangen werden, so erkennt die Kirche diese Weihen, wie immer es auch um die Gültigkeit bestellt sein mag, weder an noch wird sie sie anerkennen und betrachtet diese Personen als dem Stand zugehörig, den sie jeweils vor diesen Ereignissen eingenommen haben." Ratzinger machte damit explizit, dass die Kirche sich bislang eines Urteils über die Gültigkeit enthalten hatte.
Thục zog 1983 in die USA auf Einladung eines Bischofs, der über Carmona in seiner Weihelinie steht. In den USA wandte sich Thục zunehmend der Seelsorge für die vietnamesische Gemeinde zu und kam auch wieder mit Freunden aus seiner eigenen Zeit in Vietnam zusammen. Die Begegnungen führten zu einer Deradikalisierung: Thục wandte sich vom Sedisvakantismus ab. Am 11. Juli 1984 versöhnte er sich mit der Kirche, seine Exkommunikation wurde aufgehoben, am 13. Dezember starb er in Carthage in Missouri im Alter von 87 Jahren.
Sein Erbe lebt fort: Mindestens 15 Bischöfe soll Thục im Lauf seines Lebens illegal geweiht haben – heute berufen sich zahllose sedisvakantistische, traditionalistische und andere schismatische Vagantenkleriker auf ihn – und nicht nur diese. Die wohl bekannteste Person, die sich auf die Weihelinie Thụcs berufen hat, wurde 1999 von dem Iren Michael Cox geweiht, der seine Bischofsweihe aus dem Umfeld der Palmarianer empfangen hat: die Sängerin Sinéad O'Connor empfing von ihm in Lourdes die Priesterweihe und nahm zeitweise den Namen "Mutter Bernadette Marie" an.
Von Felix Neumann