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Fehlentscheidung durch Mutti in Minsk 2?

Fehlentscheidung durch Mutti in Minsk 2?
Jedenfall gab es Schlupflöcher für Putin ....

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Zeitlos5 21.10.2024 07:28
Historiker Scianna

"Da drohte alles überzukochen"


Deutschlands Russlandpolitik ist ein Trümmerfeld, seit Wladimir Putin 2022 die Ukraine überfallen hat. Wie konnte es so weit kommen? Historiker Bastian Matteo Scianna hat nachgeforscht.

Das deutsch-russische Verhältnis galt als eng, sehr eng – Frieden und Kooperation strebten die Bundesregierungen mit Russland seit dem Ende der Sowjetunion an. Doch spätestens die Vollinvasion der Ukraine 2022 durch die Armee Wladimir Putins demonstrierte, dass alle Hoffnung Illusion war.

War Deutschland zu naiv? Was zeichnete die deutsche Russlandpolitik aus? Und warum entbehren Vorwürfe des Kremlregimes, der Westen habe Russland demütigen wollen, jeglicher Grundlage? Diese Frage beantwortet Bastian Matteo Scianna, Historiker und Autor des gerade erschienenen Buches "Sonderzug nach Moskau. Geschichte der deutschen Russlandpolitik seit 1990", im Gespräch.

t-online: Herr Scianna, gibt es ein Wort, mit dem sich die deutsche Russlandpolitik seit 1990 zusammenfassen lässt?

Bastian Matteo Scianna: Hoffnung. 

Dieses Wort trifft es ziemlich genau. Deutschlands Politik gegenüber Russland war auf Verflechtung ausgelegt – bewusst und interessengeleitet. Alles basierte auf überaus optimistischen Erwartungen, dass dies den inneren Reformprozess in Russland unterstützen würde und in der internationalen Arena zu einer Form des friedlichen Miteinanders führen könnte. Das hat sich als falsch erwiesen – Wladimir Putin hat es ziemlich deutlich gemacht.


Der Titel Ihres gerade erschienenen Buches lautet "Sonderzug nach Moskau". Was macht diese deutsch-russischen "Sonderbeziehungen" aus?

Deutschlands Beziehungen nach und zu Moskau waren immer besonders und wichtig. Sowohl vor als auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Mit Sonderzug meine ich diese besondere Verbindung. Problematisch wird es nur, wenn man sich auf einen Sonderweg begibt.

Allerdings scheint der "Sonderzug nach Moskau" – um im Bild zu bleiben – verunglückt zu sein, spätestens seit der russischen Vollinvasion der Ukraine 2022?

Er ist sehr deutlich verunglückt, ja. Deutschland wollte Russland einbinden, einen Dialog führen und war deswegen auch diplomatisch bei allen Krisen seit 1990 sofort zur Stelle, oft sogar in führender Position. Dabei war Deutschland allerdings strategisch stets überaus berechenbar, und Putin nutzte und nutzt das schamlos aus.

Die Vollinvasion der Ukraine 2022 war der Beweis, dass die bis zu Bundeskanzler Willy Brandt zurückreichende deutsche Strategie des "Wandel durch Handel" nicht zum gewünschten Ergebnis der friedlichen Einbindung Russlands geführt hat. Belege für die zunehmende Aggressivität Russlands gab es aber bereits zuvor. War die deutsche Politik naiv, ignorant oder zu optimistisch?

 in der Bewertung der deutschen Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte äußerst kritisch sein, aber auch fair bleiben.

 Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel saßen keineswegs den ganzen Tag im Kanzleramt und sinnierten nur über Russland. Dafür hatten sie zu wenig Zeit, es gab zahlreiche andere Krisen und Probleme, die ihre Aufmerksamkeit erforderten. Viele davon sind vergessen. 2014 annektierte Russland völkerrechtswidrig die Krim und begann den Krieg im Osten der Ukraine, zusammen mit dem französischen Präsidenten François Hollande vermittelte Merkel 2015 das Abkommen Minsk II …

Das Russland aber unterlief …

So ist es. Dass Minsk nicht perfekt war, wusste Merkel aber auch und sie hatte mit einem anderen Problem zu tun: Griechenland drohte angesichts seiner Staatsschuldenkrise zu kollabieren, der Euro stand vor der Implosion. Da drohte alles überzukochen, der Krieg in der Ostukraine rückte aus dem Blick. Das kann man aus guten Gründen kritisieren, aber diesen Kontext müssen wir schon im Blick haben. Der Fairness halber muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass die Vereinigten Staaten unter Obama 2014/15 herzlich wenig unternahmen. Wir müssen daher auch immer auf das Handeln der deutschen Verbündeten schauen, sonst ist es zu einseitig, vor allem, da deutsche Russlandpolitik ohne die europäische Ebene gar nicht mehr zu verstehen ist.
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