Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten

Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten
Petrus hat den Herrn verleugnet, und Judas hat den Herrn verraten. Beide haben gegen den Herrn gesündigt, als dieser seine Passion durchlitt. In beiden Fällen handelt es sich um eine schwere Sünde. Indessen verlief ihr Schicksal nach ihrem Vergehen völlig unterschiedlich. Wie kann es sein, dass Petrus der erste Papst und der Heilige Petrus wurde und Judas sich in seiner Verzweiflung erhängte. Hat Christus dem einen seine Gnade angeboten, dem anderen aber nicht? Hatte er nicht den Wunsch, beide zu retten und sie mit in die Ewigkeit zu nehmen?

Warum konnte Judas, als er von Reue erfasst wurde, nicht – wie Petrus – von der Vergebung und der Gnade Jesu profitieren, um auch gerettet werden zu können?

Mit Begeisterung folgte Petrus seinem Meister vom ersten Tag an, da er von Jesus in Galiläa berufen worden war. Er liebte seine Art zu reden und zu handeln. Er freute sich über jedes vollbrachte Wunder. Er jubelte, sobald er sah, wie Jesus seine Verleumder mit der Kraft des Heiligen Geistes zum Schweigen brachte. In seinem Herzen war nach und nach eine aufrichtige Liebe zu Jesus gewachsen. Petrus legte seine ganze Persönlichkeit, seine ganze Seele sein ganzes Herz in diese Liebe. Er reagierte oft vorschnell, selbst auf die Gefahr hin, etwas Unpassendes zu sagen. Er war in der Gemeinschaft der Apostel eine Art Unbedachter, was ihm letztendlich für uns recht sympathisch macht. (Beispiel für impulsives Handeln des Petrus: Joh 18:10 Simon Petrus aber, der ein Schwert hatte, zog es, schlug nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab…)

Geduldig holte Jesus Petrus zu sich heran, unterwies ihn und zeigte ihm den Weg. Ungeachtet eigener Schwächen liebte Petrus Jesus von ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Sein guter Wille konnte nicht infrage gestellt werden. Als Jesus vor seiner Passion die die Flucht der Apostel ankündigte, versicherte Petrus als erster, dass er Jesus in jedem Fall bis in den Tod folgen würde, selbst wenn die anderen ihn verlassen würden. Kurz und gut, er war der starke Mann, auf den Jesus zählen konnte, selbst in einer Situation der Prüfung, Petrus konnte nicht aufrichtiger sein. Aber ihm fehlte eine wichtige Dimension: Er wusste noch nichts von seiner Unzulänglichkeit. Er hatte noch nicht die Schwäche, die in ihm war, ausgelotet. Er kannte sich selbst nicht. Petrus war mit Johannes der Einzige, der seinem Herrn nach Gefangennahme folgte, wenn auch in einer einiger Entfernung. Die anderen hingegen konnten nicht schnell genug fliehen.
Als Petrus in der Aprilkälte, die zu der Zeit in Jerusalem herrschte, im Hof des Hohenpriesters ankam, bekam sein Mut einen Schlag versetzt, und er begann schwach zu werden. Er war verstört durch eine traumatische Nacht, in der er zusehen musste, wie Jesus Blut schwitzte und sich ohne Widerstand gefangen nehmen ließ. Petrus verstand nichts mehr. Nichts war mehr in Ordnung und die Angst breitete sich in ihm aus. Seine großen, mutigen Versprechen zerrannen. Die Angst gewann die Oberhand und er entdeckt, dass er Jesus dreimal verleugnete. Zwischen der zweiten und dritten Verleugnung verging eine Stunde, in der sich Petrus sehr schlecht fühlte. Das Krähen des Hahns überrumpelte ihn völlig und ließ ihn zusammenbrechen. Und da geschah das Wunder: Jesus wandte sich um und ließ seinen Blick auf Petrus ruhen. Keine Spur von Vorwurf, Zorn, Empörung oder Verurteilung. Jesus bleibt dieses Wesen von überwältigender Liebe und Demut. Petrus brach in Tränen aus, denn er hatte soeben die Liebe seines Lebens verraten. Aber kaum hatte er sein Unglück begriffen, da durchdrang ihn der Blick Jesu mit unendlicher Güte bis ins Innere. Da versteht er: Das ist Barmherzigkeit. Er ist tief erschüttert.
Was für ein Gegensatz! Drei eindeutige und harzherzige Verleugnungen werden überdeckt von dem Blick desjenigen, der die Liebe und Barmherzigkeit verkörpert. Petrus bricht unter dieser Liebe zusammen. Es geht ihm wegen seiner Verfehlung schlecht, sehr schlecht! Er wünscht, er hätte sie niemals begannen. Er hat denjenigen verletzt, der der Sinn seines Lebens geworden ist. An jenem Abend erkennt Petrus das Ausmaß seines Unglücks. Aber er liebt Jesus aufrichtig und mit seinem ganzen Sein. Jesu Blick hat voller Liebe auf seinem verwundeten Herzen geruht. Deshalb versinkt Petrus nicht in Hoffnungslosigkeit.
Was rettete Petrus in diesem Augenblick? Dieser Blickwechsel. Petrus verstand, dass er noch geliebt wurde. Er wurde in seiner Ganzheit geliebt – auch in seiner Schwäche. Der Schmerz,, den Petrus an jenem Tag tief in seinem Herzen fühlte, war das wunderbare Geschenk des Heiligen Geistes, das man Reue nennt. Das ist das schlechte Gefühl, wenn man einem lieben Menschen Böses zugefügt hat. In jener Nacht ist der starke Mann Petrus tief gefallen, aber er ließ sich von der Barmherzigkeit neu aufrichten. Er wurde der heilige Petrus. Wie uns das Johannesevangelium berichtet, wird später Jesus Simon Petrus dreimal fragen: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?" und dreimal zu ihm sagen: „Weide meine Lämmer/Schafe!“
Wie konnte der Apostel Judas, diese Möglichkeit zur Heiligkeit, die uns allen geboten wird, verfehlen? Wenn Petrus mit seinen Schwächen Jesus von ganzem Herzen liebte, so galt das nicht für Judas. Judas verwaltete das Geld der Apostel und stahl davon. Er schätzte auch die Liebe Jesu für die Armen nicht. Es war ihm zur Gewohnheit geworden, ein wichtiges Gebot zu übertreten, und er wusste das. Äußerlich war er bei Jesus und auch bei seinen Missionen war er dabei. Aber darüber hinaus verzehrte er sich in seiner Leidenschaft für Geld und in der Verfolgung eines Plans, den er mit diesem Geld - so dachte er - verwirklichen wollte. Im Augenblick der Versuchung wurde er eine leichte Beute des Feindes. Tatsächlich öffnete diese Untreue, die er niemals bereut hat, dem Satan eine Tür, um in sein Herz zu gelangen. Wie oft hatte er in den drei Jahren, die er mit den Aposteln zusammen lebte, die Worte Jesu über Geld, Reichtum, den Mammon und die verheerenden Gefahren für die Seele gehört? Wie oft hatte Judas die Gelegenheit gehabt, sich vor Jesus niederzuwerfen und ihm zu sagen: Ich bin ein Schurke, schon seit langem stehle ich der Gemeinschaft Geld. Verzeih mir bitte! Jesus wartet darauf. Was für ein prächtiges Fest wäre im Himmel für diesen Sünder, der zur Besinnung gekommen war, gefeiert worden! So blieb aber Judas verstockt. Er war ein falscher Jünger. Als der Herr zu seinen Aposteln sagte: „Ihr seid rein", nahm er Judas mit den Worten „aber nicht alle" davon aus.
Jesus wollte Judas retten und gab ihm viele Zeichen der Zuneigung, aber Judas ergriff sie nicht. Sein teuflischer Plan hatte ihn taub und blind gegenüber den Appellen seines Herrn gemacht. Wir wissen, dass Judas beim „Ceder“, dem letzten Abendmahl ganz nah bei Jesus saß. Die jüdische Tradition beschreibt uns, dass der Tischherr demjenigen Brot reicht, den er besonders ehren will. An jenem Abend wollte Jesus vor den elf Jüngern zeigen, dass er Judas für diese Ehre ausersehen hatte. Aber Judas sah Jesus nicht an. Jesus hatte ihm, wie auch den anderen, die Füße gewaschen Er hatte sogar freimütig erklärt: „Einer von euch wird mich verraten.“ Dadurch machte er Judas verständlich, dass er von den geheimen Plänen wusste. Das hätte es ihm erleichtert, diese Pläne zu gestehen. Judas hätte Jesus beiseite nehmen und ihm sagen können: „Ich bin für deine Gefangennahme bezahlt worden, verzeih’ mir. Beeil dich, über Bethphage zu fliehen!“ Und augenblicklich wäre ihm Verzeihung gewährt worden.
Am Ölberg küsste Judas Jesus, damit die Männer, die er zusammengetrommelt hatte, ihn erkennen konnten. Er küsste ihn wahrscheinlich auf den Mund. Ein solcher Kuss war damals für die Juden das Zeichen für die Bekräftigung des Vertrauens zwischen zwei Freunden. Und Jesus sagte zu ihm: „Freund, tu, was du tun musst!“ (Mt 26,50) Das war das letzte Mal, dass Jesus ihm zu seinen Lebzeiten helfen wollte. Er nennt mich „Freund“? Judas hätte sich bei solch einem Liebesbeweis niederwerfen können. Aber nein, er war durch seine Leidenschaft wie ferngesteuert. Es war ihm nicht bewusst, dass in Wirklichkeit er es war, der im Elend steckte, der sich von einem anderen Herrn hatte gefangen nehmen, fesseln und in den Tod mitreißen lassen. Er hatte sich ihm seit drei Jahren unterworfen.
Das Evangelium erzählt uns von Judas Gewissenbissen. Der Teufel macht keine Geschenke. Wenn es ihm gelingt, sein Opfer zu fesseln, geschieht es, um es nach Wunsch zu manipulieren. Er quält Judas mit Gewissensbissen. Nur haben diese Gewissenbisse nichts mit Reue zu tun. Judas hat – genauso wie Petrus – in der entscheidenden Stunde der Prüfung das ganze Ausmaß seines Elends erfasst. Anstatt auf Jesus zu schauen, hat er in unbarmherziger und verzweifelter Klarheit auf sein eigenes Elend gesehen und damit gab er dem Teufel volle Genugtuung.
Die Gewissensbisse entwickeln sich aus der Betrachtung unseres Elends. Aufgepasst: Wir können einen klaren Blick auf uns selbst und unser Elend haben, ohne dass es zugleich ein erleuchteter Blick wäre. In dem Fall ist es Satan, der uns quält. Es handelt sich dabei nicht um den Schmerz des Bereuens und den Schmerz der Liebe gegenüber dem verletzten Menschen. Im Gegenteil: Es handelt sich dabei um den Schmerz des verletzten Stolzes. Auf uns selbst zu schauen, lässt uns scheitern, wohingegen wir erhoben und gerettet werden, wenn wir auf Jesus schauen. Als Judas sein eigenes Elend betrachtete, konnte ihn das nur in die Verzweiflung stürzen.

Gott lädt uns, in seiner unendlichen Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder zu echter Reue und Bußfertigkeit ein. Wie gelangt man von den Gewissensbissen zur Reue, von der Verzweiflung zur Freude? Das ist eine ganz einfache Frage des Blickwinkels. Ich werde mich von mir selbst abwenden und meinen Blick auf meinen Retter richten, der mir die Hand reicht. Steht nicht geschrieben: „Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten, und ihr braucht nicht zu erröten.“ (Ps 34)

Glücklicherweise ist Jesus nicht zu den Gesunden, sondern zu den Kranken gekommen. Anders gesagt: Wir stehen auf seiner Liste. Sein Wunsch, die Sünder zu sich zu holen, ist unermesslich. Es genügt, sich ihm aufrichtig in die Arme zu werfen, um Gnade zu erfahren.



Sprüche 3:5
Verlaß dich auf den HERRN von ganzem Herzen und verlaß dich nicht auf deinen Verstand.

Wenn man Gott vertraut und um seine Hilfe bittet, gerät man nie in Verzweiflung.

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