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Das kleine Buch der Heiligen: 72 Begleiter auf meinem Lebensweg

Das kleine Buch der Heiligen: 72 Begleiter auf meinem Lebensweg
Im Jahr 2022 bin ich 50 Jahre alt geworden. Ich nutze die Gelegenheit, in Dankbarkeit auf mein bisheriges Leben zurückzuschauen. Ich tue dies, indem ich 72 Begleiter auf meinem Lebensweg vorstelle – Heilige, Selige und solche, die es noch werden könnten.
( Josef Bordat)


Eine Rezession:
" Dies [die Heiligen] sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen.
(Offenbarung 7,14b)

Gerade dann, wenn die menschlichen Hoffnungen am tiefsten sinken,
erhebt sich das Vertrauen auf Gott am höchsten.
(Ignatius von Loyola, 1491–1556)

Nur die Liebe zählt.
(Theresia von Lisieux, 1873–1897)

Zu den beliebtesten Gebeten und Liedern der Vorweihnachtszeit gehört zurecht der Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Aufwachen, um Gott, um Jesus, dem Bräutigam entgegenzugehen – dazu sind immer wieder Weckrufe notwendig. Gerade auch im Zusammenhang mit dem Lernen an Biografien gehören zu den wichtigsten und glaubwürdigsten dieser Ruferinnen und Rufer Christ*innen mit vorbildlicher Lebensführung: heilige Frauen und Männer, die ermahnen, aber vor allem ermutigen, ja begeistern. Josef Bordat vermittelt in seinem Buch 72 Kurzbiographien von ihnen.
Bereits diese Zahl dürfte kein Zufall sein: Sie errechnet sich aus der Multiplikation der sechs Schöpfungstage aus Genesis 1 mit der Zahl der zwölf Stämme Israels bzw. der zwölf Apostel Jesu. Bemerkenswert ist auch die Einteilung der Publikation in zwölf (!) Teile: Einer allgemeinen Einführung über Heilige und Heiligsprechung folgen die elf Kapitel Am Anfang – und schon davor; Kindheitserinnerungen; Jugend am Niederrhein; Studienjahre in Berlin; Meine peruanische Familie; Unsere Friedenauer Jahre; Arbeitswelten; Reisebekanntschaften; Freundeskreise; In Glaubenskrisen und Schwierigkeiten; Im Angesicht von Krankheit und Tod. Bereits der Untertitel 72 Begleiter auf meinem Lebensweg (darunter zwölf Begleiterinnen) weist auf eine intensive persönliche Beziehung des Autors zu den von ihm ausgewählten Frauen und Männern hin – die trotz dieser Fülle nur etwa ein Prozent der inzwischen über 7000 Heilggesprochenen ausmachen.

Am Einleitungskapitel hervorzuheben ist außer den gut verständlich geschriebenen Erläuterungen zum Selig- und Heiligsprechungsverfahren des Vatikans die Betonung der Tugendhaftigkeit, neben einem besonders stark ausgeprägten Gottvertrauen die wichtigste Voraussetzung für Heiligkeit: Hierfür sind vorrangig Primärtugenden ausschlaggebend, sowohl solche des griechischen Altertums (Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß) als auch die des Christentums (Glaube, Hoffnung, Liebe). Hierbei ist wichtig, dass die Heiligen diese sowohl ausdrücklich als erstrangig anerkannt als auch zeitlebens oder zumindest ab dem Zeitpunkt eines radikalen Gesinnungswandels ausdauernd danach gestrebt haben – was Immanuel Kants Erkenntnis entspricht, dass ein guter Wille das Einzige sei, das auf Erden uneingeschränkt als vorbildlich und nachahmenswert gelten könne.

Bei Nicht-Blutzeug*innen (Gläubigen ohne Martyrium) sind zur Heiligsprechung zumeist noch mindestens drei nachgewiesene Wunder nötig. Bordat betont zurecht, dass die Tugendhaftigkeit vergleichsweise wichtiger sei und verweist auch auf die Schwierigkeit des Nachweises solcher Wunder. Weiterhin ist hier zu bedenken, dass sich gerade Heilungswunder nicht immer von einem Augenblick auf den anderen ereignen müssen, sondern auch als Ergebnisse längerer Entwicklungsprozesse von Menschen vorstellbar sind, die auf einem solchen Weg außer von Gott durchaus auch von Vorbildern und Heiligen begleitet werden können.

Einen wichtigen Hinweis gibt Bordat auf die Grundbefindlichkeit von Heiligen: Dies seien aufgrund ihres tiefen Glaubens, ihres Tatendrangs und ihrer meist selbstlosen Bereitschaft zur Nächstenliebe, meist fröhliche, gelassene und zuversichtliche Menschen gewesen. Der Autor selbst räumt aber an andere Stelle ein, dass sich in manchen Heiligenbiografien ein solches Glücklichsein oft erst ergeben habe, nachdem es gelungen sei, Gutes zu tun.
Im Kapitel zur Peruanerin Rosa de Lima ermahnt der Verfasser dazu, Leid nicht vorschnell als sinnlos zu deuten; die Heilige habe richtig erkannt, dass ohne die „Last der Bedrängnis“ das Erreichen von Gipfeln eines nach Gottes Willen ausgerichteten Lebens kaum möglich sei. Für je eigenes Leid mag das durchaus zutreffen – hier darf dann auch selbstbestimmt darüber entschieden werden, ob und welche Hilfe man zulässt – bei fremdem Leid scheint diesbezüglich jedoch Vorsicht geboten, zumal die große Mehrheit der im Buch vorgestellten Heiligen ja gerade große Anstrengungen unternommen hat, um dieses zu lindern und dadurch zumindest einigermaßen erträglich zu machen.

Interessant und aufschlussreich ist immer wieder, wenn Bordat erzählt, wie er in bestimmten Phasen seines Lebens mit der oder dem jeweiligen Heiligen in Berührung gekommen ist. Häufig waren dies Namenspatron*innen von Familienmitgliedern, Freunden oder Patenkindern – oder Kirchengemeinden, in denen der Autor beheimatet war. Zu begrüßen ist, dass er bisweilen auch solche Persönlichkeiten der Kirchengeschichte berücksichtigt, die noch nicht kanonisiert wurden, wie Friedrich Spee, den äußerst mutigen Kämpfer gegen die Folter bei „Hexen“prozessen; auch finden sich in Bordats Buch Vorbilder im Glauben, die zwar im Sinne von „local heroes“ bereits selig-, aber noch nicht (als „global heroes“) heiliggesprochen worden sind, etwa Adolph Kolping.

Sehr viele der porträtierten Heiligen zeichnen sich durch einen vorbildlich barmherzigen Umgang mit anderen Menschen aus, etwa in der Armenfürsorge oder in der Krankenpflege. Erwähnung finden aber auch viele Heilige, die als Kulturträger*innen Stützpfeiler der Kirche waren, etwa Edith Stein, Benedikt von Nursia mit der ersten umfassenden Klosterregel und ihren Grundsätzen Gebet, Arbeit, Gemeinschaft und Gastfreundschaft, Thomas von Aquin, einem der wichtigsten Kirchenlehrer des Mittelalters oder Meister Eckhardt, dem das wohl glänzendste Kapitel der Publikation gewidmet ist: Dieser Mystiker betonte nicht nur die zentrale Bedeutung der Gelassenheit für den Glauben, sondern hob auch hervor, das der „Seelengrund“ des Menschen fähig sei, sogar dem „Wesenskern“ Gottes als „absoluter Vernunft“ und damit dem Wesensursprung als solchem ganz nahe zu kommen.

Zu manchen der Heiligen wird ein besonders starker Bezug des Autors deutlich, etwa zu seinem Namenspatron Josef von Nazareth, zu Bartolomé de Las Casas, dem radikalen und entschiedenen Kämpfer für die Rechte indigener Völker zur Zeit der frühen Kolonialisierung und Missionierung Lateinamerikas, zu Guiseppe Moscati, Militärarzt und Entwickler des Wirkstoffs Insulin oder, ganz am Ende, zur Mystikerin und Kirchenlehrerin Teresa von Avila.
Ausgesprochen eindrucksvoll und spannend sind die Kapitel über Missionare und Heilige aus außereuropäischen Ländern, die besonderen Herausforderungen und Gefahren ausgesetzt waren bzw. sind: etwa Syrien und Ägypten (in der Antike), Mexiko, dem Sudan (Daniel Comboni), (Nord-) Korea oder Vietnam.

Das keinesfalls „kleine“ Buch ist so reichhaltig und vielfältig, dass diese wenigen, bei Weitem nicht erschöpfenden Einblicke genügen müssen. Es ermöglicht unter anderem auch eine gute Übersicht über die Kirchengeschichte und wesentliche Aspekte der christlichen Ethik und kann sowohl für die Gemeindearbeit als auch (in Auszügen) für den Religionsunterricht ab der 9. Klassenstufe empfohlen werden. Gegenwärtige Krisen wie der Klimawandel, die Corona-Pandemie oder der Russland-Ukraine-Krieg finden ebenso Erwähnung wie die schwierige momentane Situation der Kirche. Die Erinnerung an andere herausfordernde Zustände und Situationen, die durch beherztes Engagement von aus ganzem Herzen auf Gott Vertrauenden bewältigt werden konnten, ist gerade in solch stürmischen Zeiten stärkend und hoffnungsstiftend.



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Kommentare

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Engelslhaar 31.08.2024 15:05
Josef Bordat mit seinen philosophischen Artikeln lese ich sehr gern, er schreibt oft in der "Tagespost".
 
hansfeuerstein 31.08.2024 23:50
Es stimmt, er gehört zu jenen die es lohnt, aufmerksam zu lesen.
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