Überirdisch oder menschengemacht? Marienerscheinungen in Deutschland

Überirdisch oder menschengemacht? Marienerscheinungen in Deutschland
DER VATIKAN HAT EINE KLARE MEINUNG

BONN ‐ Im Vatikan gibt es eine neue Stelle: Die "Beobachtungsstelle für Erscheinungen und Mystische Phänomene in Zusammenhang mit der Gestalt der Jungfrau Maria" soll künftige Marienerscheinungen untersuchen. Auch in Deutschland soll die Gottesmutter in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach erschienen sein.


Das Phänomen der Marienerscheinungen ist auch in Deutschland keine Seltenheit. Dabei muss man eine wichtige Unterscheidung vorausschicken: nämlich zwischen solchen Erscheinungen, deren Übernatürlichkeit von der Kirche offiziell anerkannt worden ist und zwischen solchen, bei denen die Kirche erhebliche Zweifel an ihrer Übernatürlichkeit hegt. Mit anderen Worten: Nicht immer ist ganz klar, ob eine solche Erscheinung wirklich ihren vermeintlichen Ursprung in der Übernatürlichkeit hat. Oder ob es ganz natürliche Ursachen sind, die zu unerklärlichen Phänomenen führen, die letztlich als übernatürlich gedeutet werden. Vonseiten Roms erfolgt im Fall einer Marienerscheinung immer eine sehr detaillierte Prüfung, die klären soll, welchen Ursprung eine Erscheinung besitzt.

Dabei drängt sich schon ein großes Problem auf: Denn in Deutschland soll es zwar in den letzten Jahrzehnten Marienerscheinungen gegeben haben – jedoch keine, die von der Kirche auch als übernatürlich gewertet wurde. Vielmehr wurden bei allen Erscheinungen in Deutschland, die von einer offiziellen Kommission geprüft wurden, Zweifel angebracht. Zweifel, dass die Erscheinungen wirklich einen nicht-irdischen Ursprung haben. Sondern dass sie vielmehr menschengemacht sind und deswegen auch nicht als übernatürliche Offenbarung gewertet werden können.

Votivtafeln an der Marienkapelle in Marpingen.
Bild: ©Alexander Brüggemann/KNA
Votivtafeln an der Marienkapelle in Marpingen.

Eine erste Reihe von Marienerscheinungen ereignete sich in Marpingen, einer Gemeinde im nördlichen Saarland, die heute knapp 10.000 Einwohner zählt. Dort, in Marpingen, gingen am 3. Juli 1876 einige achtjährige Kinder in den Wald, um Beeren zu suchen. Dabei sah eines der Kinder eine weißgekleidete Frau. Bereits zwei Tage später kam es zu einer ersten Heilung am Ort der Erscheinungen: Ein ehemaliger Bergmann wurde von seinem Rheumatismus geheilt, weil die Kinder seine Hand an den Fuß der weißgekleideten Frau führten. Später gaben auch noch andere Jugendliche und junge Erwachsene an, sie hätten die Dame gesehen. Als die Kinder der Erscheinung einmal die Frage stellten, wer sie sei, gab sie zur Antwort, sie sei die "unbefleckt Empfangene".

Die Ereignisse von Marpingen lassen sich vor allem nur in einem größeren Kontext verstehen: Man befand sich in der Zeit des Kulturkampfes, also in einer Zeit, in welcher der preußische Staat vehement gegen die katholische Kirche vorging. Kein Wunder also, dass dem Staat die neu aufkommende Wallfahrtsbewegung in Marpingen ein Dorn im Auge war. Mehrfach wurde der Ort der Erscheinungen von preußischen Soldaten abgeriegelt, sodass es für Pilger nicht mehr möglich war, dorthin zu gelangen. Wer kam, um an der Erscheinungsstätte zu beten, wurde sogar von den preußischen Soldaten gewaltsam vertrieben. Die Seherkinder und der Ortspfarrer inhaftierte man gar kurzzeitig, um den Vorgängen in Marpingen ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Unter dem Druck des Staates widerriefen die Seherkinder, in einem Prozess wurden sie wegen Betruges angeklagt, am Ende jedoch freigesprochen. Viele Ortsansässige versuchten damals, in Marpingen ein "deutsches Lourdes" zu etablieren. Jedoch scheiterte auch dieses Bestreben letztendlich. Offiziell untersucht wurden die Ereignisse in Marpingen tatsächlich erst über 150 Jahre später. Im Jahr 2005 erklärte der damalige Trierer Bischof Reinhard Marx, dass den Marpinger Marienerscheinungen kein übernatürlicher Ursprung zuerkannt werden könne.

Wundmale des gekreuzigzten Jesu

Auch im bayerischen Landkreis Neu-Ulm soll es eine Marienerscheinung gegeben haben. Sie ereignete sich demnach in der Nähe von Pfaffenhofen an der Roth im Jahr 1946. Damals soll dem jungen Mädchen Bärbel Rueß auf einem Hügel am Waldrand dreimal die Gottesmutter erschienen sein. Am Tag der ersten Erscheinung, dem 25. April 1946, wurde Bärbel von einem weiteren Mädchen und dem Ortspfarrer begleitet. Beide konnten die Erscheinung jedoch nicht wahrnehmen. Auch am 25. Mai und am 25. Juni erscheint die fremde Frau vorgeblich. Ab dem Jahr 1947 zeichnen sich auf dem Körper Bärbels die Wundmale des gekreuzigten Christus ab.

Am Ort der Erscheinungen wird schon 1947 eine kleine Kapelle errichtet, die den Titel "Dreimal Wunderbare Mutter und Mittlerin der Gnaden" trägt. Die neue Marienkirche, die später an derselben Stelle gebaut wurde, hat der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa 2011 eingeweiht. Schon unter einem früheren Oberhirten der Diözese Augsburg, Viktor Josef Dammertz, wurden die Erscheinungen von Marienfried offiziell untersucht. Das Ergebnis lautete: Es steht nicht fest, dass es sich bei den Marienerscheinungen wirklich um ein übernatürliches Phänomen handelt. Vielmehr sind erhebliche Zweifel an der Authentizität der Visionen anzubringen.

Die Kapellen von Heroldsbach.
Bild: ©KNA-Bild
Der Heiligenaltar in der Marienwallfahrtsstätte im fränkischen Heroldsbach lädt Pilger zum Gebet ein. Zwischen 1949 und 1952 soll es in dem Ort zu zahlreichen Marienerscheinungen gekommen sein.

In einer Gemeinde im oberfränkischen Landkreis Forchheim soll sich zu Beginn der 1950er Jahre ebenfalls eine Marienerscheinung zugetragen haben: Am 9. Oktober 1949 begannen demnach die Erscheinungen in Heroldsbach. Damals waren einige zehn- bzw. elfjährige Mädchen im Wald beim Holzsammeln, als sie zwischen zwei Baumwipfeln eine weißgekleidete Person sahen. Die Mädchen deuteten die fremde Person als Muttergottes. Die Erscheinung zog schnell weite Kreise: Innerhalb von wenigen Tagen kamen mehrere tausend Menschen nach Heroldsbach, um den Erscheinungen beizuwohnen; diese dauerten bis zum 31. Oktober 1949 an. Am 8. Dezember 1949 ereignete sich in Heroldsbach angeblich ein Sonnenwunder, bei dem sich die Sonne mehrere Minuten lang gedreht und in bunten Farben geleuchtet haben soll. Die Erscheinungen in Heroldsbach dauerten bis 1952 an: Dabei erschien demzufolge nicht nur Maria, sondern eine Vielzahl von Heiligen, darunter der heilige Philipp Neri, der heilige Papst Pius X. und der heilige Antonius von Padua. Am 31. Oktober 1952 sollen sich viele Engel und Heilige von den Sehermädchen von Heroldsbach verabschiedet haben.

Schon sehr früh wurden die Ereignisse in Heroldsbach von der kirchlichen Autorität kritisch beäugt. Bereits am 30. Oktober 1949 ließ der erzbischöfliche Stuhl von Bamberg verlautbaren, die Gläubigen sollten sich von Heroldsbach fernhalten. Besonders nach dem Sonnenwunder äußerten sich Erzbischof Josef Otto Kolb und sein Weihbischof Arthur Michael Landgraf den Erscheinungen von Heroldsbach gegenüber ablehnend. 1950 wurde eine Verlautbarung des Erzbischofs veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass den Erscheinungen von Heroldsbach keinerlei übernatürliche Herkunft zuerkannt wird. Vielmehr verbietet Josef Otto Kolb alles, was dazu führen könnte, dass sich in Heroldsbach ein Wallfahrtsort etabliert. Im Oktober 1950 traf ein Schreiben des Heiligen Offiziums ein, welches die ablehnende Haltung des Bamberger Erzbischofs bestätigt. Erst 1997 wurden die Auflagen gelockert: In Heroldsbach entstand eine Gebetsstätte, die vom Bamberger Erzbischof genehmigt und eingeweiht wurde.

Übrigens kam es in den 2000er Jahren zu einem erneuten vermeintlichen "Wunder" in Heroldsbach: Eine Marienstatue in einem Pilgerheim begann aus unerklärlichen Gründen vor mehreren Zeugen zu weinen. Die Untersuchung durch eine vom Erzbistum eingesetzte Kommission konnte allerdings auch in diesem Fall nur einen Negativbescheid vorweisen: Es konnten keinerlei Indizien dafür gefunden werden, dass es sich hierbei um ein Geschehen mit einem übernatürlichen Ursprung handeln würde.

Von Fabian Brand

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