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Reportage NZZ: Freikirchen versprechen Gemeinschaftsgefühle und Antworten auf die ganz grossen Frage

Reportage NZZ: Freikirchen versprechen Gemeinschaftsgefühle und Antworten auf die ganz grossen Frage
Eine Reportage der NZZ, Neue Zürcher Zeitung.


«Willkomme dihei» steht in grossen Buchstaben an der Tür und «Welcome home» auch. Es ist Sonntagmorgen in Zürich, die Luft ist kühl. Kirchenglocken hört man keine mehr, ihr Ruf zum Gottesdienst ist bereits verklungen. Mindestens eine Messe aber steht noch an.

«Bisch du s erschti Mal da?», fragt ein lächelnder junger Mann. Er steht am Eingang zu einem grossen Mehrzweckraum an der Hohlstrasse. Ein etwas verloren blickender Neuankömmling nickt. «So schön», sagt der Begrüsser und weist den neuen Gast hinein. «Kafi git s a de Bar, sitze chasch überall, wo s na Platz hät.»



Drinnen stehen die Menschen dicht gedrängt. Es wird viel begrüsst, umarmt und gelacht. Jemand bringt zusätzliche Stühle. Scheinwerfer zeichnen eine bunte Klub-Beleuchtung an die Wände. Auf der Bühne stehen Mikrofone und Gitarren bereit. Auf jedem Stuhl liegt ein Couvert. «Werde Teil unserer Kirche», steht darauf. Bald verschwinden die Couverts aus dem Sichtfeld; der Raum für den Gottesdienst von Hillsong Zürich, einer internationalen Freikirche mit Ableger in der Schweiz, ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

Die Freikirchen bleiben stabil
Vollbesetzung – eine Situation, die man in den Schweizer Landeskirchen selbst zu hohen kirchlichen Feiertagen kaum noch erlebt. Im Kanton Zürich etwa verzeichneten beide Landeskirchen 2023 den grössten Mitgliederschwund innerhalb eines Jahres, der je gemessen worden ist. Minus 3,7 Prozent Mitglieder bei den Katholiken, minus 3,2 Prozent bei den Reformierten.

Die Konfessionslosen haben die Katholiken überholt
Konfessionelle Gruppen in der Schweiz seit 1960, Anteile in Prozent der Wohnbevölkerung
Reformiert
Römisch-katholisch
Andere Glaubensgemeinschaften
Konfessionslos
1960
1970
1980
1990
2000
2010
2020
0
10
20
30
40
50
Quelle: Bundesamt für StatistikNZZ / bsk.
Stabil bleiben dagegen die Mitgliederzahlen der Freikirchen. Zwischen 2019 und 2022 sind laut dem Dachverband freikirchen.ch sogar 22 neue Lokalkirchen gegründet worden. Was bietet die Gemeinschaft der Freikirchen, das den Landeskirchen fehlt?

Da war ein Vakuum
«Ich war einsam», sagt Pascal, der eigentlich anders heisst. Anschluss zu finden, fiel ihm schwer. Die Leichtigkeit einer Clique, die Verbundenheit einer Freundschaft kannte er nicht. Dann zog Pascal, kein allzu religiöser Mensch, zum Studium nach Zürich – und etwas Wunderbares geschah: Kommilitonen sprachen ihn an, luden ihn zu Treffen ein, baten ihn, den Einzelgänger, Teil ihrer Gruppe zu werden. «Sie haben dieses Vakuum gefüllt, das ich in mir spürte», sagt Pascal heute, mehr als dreissig Jahre später.

Endlich wurden für Pascal Grundbedürfnisse befriedigt: «Ich bekam Anerkennung, Beachtung, Gemeinschaft.» Und mehr als das. Im Volksmund heisst es, die Wege des Herrn seien unergründlich. Aber Pascals neue Freunde wussten auf alles eine Antwort. Sie kannten den eigenen kleinen Platz im grossen Weltgefüge und den Sinn des Lebens. Sie wussten, was Gott von den Menschen erwartet und was ihm missfällt. Die eindeutigen Regeln und klaren Strukturen gaben Pascal Sicherheit. «Und so», sagt er nüchtern, «wurde ich zum ersten Mal Teil einer evangelikalen Freikirche.»

F¨ür Pascal war der Ausstieg aus der Freikirche einfacher, als für viele andere: «Draussen» warteten seine Frau und sein Sohn auf ihn.
F¨ür Pascal war der Ausstieg aus der Freikirche einfacher, als für viele andere: «Draussen» warteten seine Frau und sein Sohn auf ihn.
Genug Geld für den Sinn des Lebens
«Die Schweiz ist, zusammen mit den USA, das Land mit den meisten sogenannten Sekten», sagt Christian Rossi, Religionswissenschafter an der Universität Zürich und freier Mitarbeiter bei Infosekta, der Schweizer Fachstelle für Sektenfragen. Einen Grund dafür sieht Rossi in der offenen und liberalen Tradition der Schweiz: «Man verurteilt andere Lebensweisen nicht so schnell.» Einen weiteren in ihrem Reichtum: «Schweizer haben darum zum Beispiel oft genügend Freizeit, um sich mit religiösen Themen und alternativen Modellen zu beschäftigen. Man kann es sich leisten, nach dem Sinn des Lebens zu suchen.»

Problematisch werde es, wenn eine religiöse Gemeinschaft mit verschiedenen Kontrollmechanismen und -instanzen arbeite. Herrscht ein duales Denken vor – richtig oder falsch, gut oder böse, wir gegen die andern, Erlösung oder Hölle –, dann liege meistens etwas im Argen, sagt Rossi. Auch Antworten auf alle grossen Fragen im Leben seien bei solchen Gemeinschaften kein Qualitätsmerkmal, sondern eine Alarmglocke. Bei Neumitgliedern werde zudem oft bewusst darauf geachtet, dass sie Familienangehörige oder Freunde entweder bekehren oder sich von ihnen distanzieren.

Ein wertvoller Mensch
Pascal fühlte durch seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe eine starke Aufwertung der eigenen Person. Je mehr ein Mensch Gott gebe, lehren ihn die neuen Freunde, umso wertvoller werde er. Pascal gab viel. Las die Schriften seiner Kirche und verbrachte seine Freizeit mit Arbeiten für die Gemeinschaft. Aber: «Die eigene Aufwertung ging Hand in Hand mit einer Abwertung aller andern.» Darunter litt das Verhältnis zu den Eltern.

In den vereinnahmenden und stark wertenden Strukturen seiner Gemeinschaft sah Pascal als junger Mann kein Problem. «Ich wusste damals noch nicht, dass es Gemeinschaft und Freundschaft auch ohne Druck gibt», sagt er. Dennoch stieg Pascal mit Mitte zwanzig zum erstem Mal aus: Er hatte nach dem Studium ein Praktikum in einer anderen Stadt angetreten. Das war in den neunziger Jahren – die Distanz zerriss die Verbindung zu den alten Freunden, das Leben nahm seinen Lauf.

Pascal ging seinen Weg in der Arbeitswelt, verliebte sich, feierte Hochzeit und wurde Vater. «Aber im Herzen und in Gedanken hat diese Trennung nie stattgefunden. Darum war meine Geschichte mit den Freikirchen da auch noch nicht fertig», sagt Pascal.

«Seid mutig»
An der Hohlstrasse in Zürich stimmt das Worship-Team auf der Bühne den ersten Song an. Mit den uralten Weisen in den schweren Gesangsbüchern der Landeskirche hat diese Musik allerdings gar nichts zu tun. Die Songs sind modern und eingängig, und innert kürzester Zeit fühlt sich der Mehrzweckraum an wie ein Pop-Konzert. Man tanzt und singt und preist Gottes Liebe parallel auf Englisch und Schweizerdeutsch – jeder so, wie es gerade passt. Die Texte sind massgeschneidert für beide Sprachen.

Die eigens für die Gottesdienste geschriebene Musik, die es vor allem in den USA und Australien immer wieder bis in die Charts schafft, ist ein wichtiges Merkmal von Hillsong. Die Pfingstkirche wurde 1983 in Sydney gegründete und feiert mittlerweile einen Welterfolg. Nach eigenen Angaben hat die selbsternannte Megachurch international Hunderttausende Mitglieder und verdient an deren Spenden Millionen. In Ländern wie den USA, wo man keine Landeskirchen kennt, sondern alle Kirchen privatisiert sind, gilt Hillsong als eine von vielen Kirchen.

In der Schweiz zählt Hillsong zu den Freikirchen. Ihre Mitglieder sind, wie bei vielen erfolgreichen Freikirchen, zu denen etwa auch ICF (kurz für International Christian Fellowship) gehört, jung, modern und international. Damit unterscheiden sie sich in ihrem Auftreten stark von verstaubteren Gemeinschaften, wie etwa dem Brüderverein. Doch auch hier baut man vor allem auf das, was einst auch Pascal überzeugt hat: das Gemeinschaftsgefühl.

Wie bei vielen erfolgreichen Freikirchen sind auch die Mitglieder der ICF (kurz für International Christian Fellowship), jung, modern und international. Gottesdienst in der Zürcher Maag-Halle, 2016.
Wie bei vielen erfolgreichen Freikirchen sind auch die Mitglieder der ICF (kurz für International Christian Fellowship), jung, modern und international. Gottesdienst in der Zürcher Maag-Halle, 2016.
«Seid mutig», ruft eine der Rednerinnen auf der Bühne ihrem Publikum zu. Wer spüre, dass etwas zwischen ihm und dem Glauben an Jesus stehe, solle die Hand hochhalten. Die Umstehenden legen ihre Hände auf die Schultern der Suchenden. Aus kurzen Berührungen werden lange Umarmungen. Aus einzelnen Personen Knäuel und Kreise von vielen Menschen, die sich gegenseitig die Arme um die Schultern legen.

Mittendrin steht der Neuankömmling, der am Morgen beim Eingang so verloren aussah. Eben noch allein, stützt er sich nun auf einen jungen Mann, der ihn umarmt. Plötzlich laufen Tränen über seine Wangen. Er hat diesen Moment, diese Berührung, dieses Gefühl, dazuzugehören, gebraucht. Und mit der Berührung kommt auch ein Versprechen: Dieses Gefühl der Zugehörigkeit kannst du immer haben – komm einfach wieder. Und bring etwas mit.

Freikirche oder Sekte?
Zwischen Freikirchen und Gruppen mit sektenhaften Zügen zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. Darum existieren auch kaum gesicherte Daten. Die evangelische Informations­stelle Relinfo zählt hierzulande rund 1200 unterschiedliche Gemeinschaften, von denen etwa ein Viertel über die typischen Merkmale problematischer Gemeinschaften verfügt. Wie viele Gemeinschaften darüber hinaus existierten, sei nicht eruierbar.

Die Bezeichnung Freikirche meint eine christliche Glaubensgemeinschaft, die keiner offiziellen Landeskirche angehört. Der Begriff «Sekte» dagegen wurde historisch stets abwertend benutzt. Heute meint eine Sekte eine religiöse Gruppierung, die gegen ein oder mehrere Grundrechte verstösst. Sie verbieten ihren Mitgliedern beispielsweise die Religions- oder Weltanschauungsfreiheit. Die Übergänge von einer Freikirche zu einer Sekte können fliessend sein. «Es gibt viele religiöse Gruppierungen mit mehr oder weniger sektenhaften Zügen», sagt Religionswissenschafter Rossi.

Rossi weiss nicht nur in der Theorie, wovon er spricht. Er war selbst zehn Jahre lang, von 14 bis 24 Jahren, Mitglied bei den Zeugen Jehovas. Auch ihn faszinierten die klaren Antworten auf seine grossen Fragen. Und die Prophezeiungen der Zeugen Jehovas. Eine der ältesten besagt, dass im Jahr 1914 Harmagedon, der Tag des Jüngsten Gerichts, hätte eintreten sollen. Anstelle der Apokalypse brach der Erste Weltkrieg aus. Das leitende Gremium der Sekte deutete die Apokalypse um, 1914 war nun der Beginn des Königreichs Jesu im Himmel – und das Jahr der Vertreibung Satans in die Nähe der Erde. Kein Wunder, brach augenblicklich ein Weltkrieg aus. Rossi fand, ein Weltkrieg käme einem Weltuntergang doch sehr nah – und war beeindruckt.

Neben dem bis heute immer wieder verschobenen Ende der Welt machte das leitende Gremium auch weniger gewichtige Vorhersagen, die nicht eintrafen. In den eigenen Schriften wurden sie teilweise heimlich angepasst oder entfernt. Irgendwann fühlte sich Rossi manipuliert und stieg schliesslich aus. «Draussen» wartete seine Familie auf ihn. Rossi studierte Religionswissenschaften, Psychologie und Bibelwissenschaft – «vielleicht auch ein bisschen, um mich selbst zu therapieren», sagt er.

Für eine Handvoll Geld und Zeit
Im Zürcher Gottesdienst liest Pastorin Elli, jung und gekleidet, als sei sie einer Zalando-Werbung entsprungen, ihre Predigt vom Smartphone ab. Es geht um eine arme Witwe, die Jesus zwei Münzen spendet, während reiche Männer mit Händen voller Gold ankommen. «Aber», sagt Jesus, «sie gab mehr als ihr alle – weil sie kaum etwas hat und von dem wenigen etwas für mich entbehrte.»

Bald darauf geht ein Spendenbecher herum, und auf der Leinwand hinter der Bühne wird ein QR-Code eingeblendet, um digital zu bezahlen. Elli weist auf die Couverts hin, die zu Beginn auf allen Stühlen lagen. Wer den Flyer umdreht, liest nicht mehr «Werde Teil unserer Kirche», sondern in Grossbuchstaben «Giving, Giving, Giving» – «Geben, Geben, Geben», denn «die Stärke von Hillsong liegt in der Grosszügigkeit und Hingabe seiner Mitglieder».

Mittels Couvert kann eine Bargeldspende entrichtet oder gleich ein Dauerauftrag eingerichtet werden. Auf der Bühne betont die Pastorin Elli nochmals, dass es egal sei, wie viel oder wie wenig man gebe – wichtig sei einzig, dass man etwas gebe. Denn mit einer Spende an Hillsong ehre man direkt Gott.

Später wird der QR-Code zum Einzahlen der Spende vom Programm der kommenden Woche ersetzt. «Fotografiert euch das doch», sagt jemand aus dem Worship-Team ins Mikrofon, «diese gemeinsamen Events sind wichtig für unsere Kirche.» Er sagt es mit Nachdruck und mit einem Unterton, der deutlich macht, dass es sich hier nicht nur um ein Angebot handelt. Geben soll man nicht nur Geld, auch Zeit wird erwartet.

Angst und Eifer
Pascal war Ende dreissig, als er seine «zweite Episode» hatte. Erneut fühlte er sich verloren in der Welt, erneut suchte er den Sinn im Leben, und erneut war es eine Freikirche, von der er sich Halt und Antworten versprach. Doch nun war er kein junger Student mehr, sondern Ehemann und Vater.

Die neue Freikirche, deren Name Pascal ebenfalls nicht nennen möchte, verlangte von ihren Mitgliedern, auch die Partner zu rekrutieren. Dass seine Frau nicht wollte, habe in der Gemeinschaft zu Spannungen geführt. Dass die Situation auch für sie und das Kind schwierig gewesen sei, sei ihm erst später klargeworden. «Die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse von denen, die nicht in der Gruppe sind, ist sehr gering», sagt er.

Erst unmerklich, aber stetig stärker wurde die Angst zu einem wichtigen Faktor, der Pascal an seine Gemeinschaft band. «Ich hatte starke Schuldgefühle, weil ich den gepredigten, strengen Massstäben nicht ganz entsprochen habe. Das hat mich sehr belastet, denn es war doch Gottes Massstab», sagt Pascal. Reichten sein Glaube und Engagement, um in den Himmel zu kommen?

Obwohl – oder vielleicht gerade weil – seine Frau den Beitritt ablehnte, engagierte sich Pascal umso mehr in der Gemeinschaft. Schriften mussten gelesen, Zusammenkünfte besucht und Gottesdienste mitgestaltet werden. Zudem übernahm Pascal zahlreiche «Ämtli», durfte schliesslich sogar predigen und lehren. Erneut diese Anerkennung – das tat gut. Sie entschädigte Pascal auch dafür, dass er einen Grossteil der Kindheit seines Sohnes verpasste. Seine Zeit gehörte Gott.

Und doch blieb das Gefühl, dem Allmächtigen nicht ganz zu genügen. «Ich habe mich Gott gegenüber immer schuldiger gefühlt. Aber je mehr Energie ich in die Gruppe gesteckt habe, umso klarer wurde mir, dass ich nicht alles perfekt machen kann.» Der Druck nimmt zu, Pascal hält es kaum noch aus. Schliesslich geht es nicht mehr. Diagnose: Depression.

Zum ersten Mal beschäftigte Pascal nun eine Frage, auf die seine Gemeinschaft keine Antwort hatte: Wenn unser Gott ein guter, liebender Gott ist – warum fordert er von mir Aufopferung bis zur Erschöpfung? Pascal fand zwei Antworten. Entweder ist dieser Gott, an den er glaubt, kein guter Gott. Oder das, was seine Gemeinschaft predigt, ist gar nicht Gottes Wille.

Wenige Wochen nach dieser Erkenntnis stieg Pascal aus. Sechs Jahre ist das nun her. Statt die Ämtli seiner Kirche zu erledigen, verbringt Pascal seine Zeit nun mit dem mittlerweile 14-jährigen Sohn und seiner Frau. Und mit neuen Menschen, deren Freundschaft nicht vom regelmässigen Gebet und dem unbezahlten Engagement für die Gemeinde abhängt.

Zeichen und Wunder
An der Hohlstrasse in Zürich spielt noch immer Musik. Auf der Leinwand hinter der Bühne werden zwei Listen eingeblendet: Soll und Haben, einfache Buchhaltung. Links Dinge, die die Hillsong-Mitglieder sich in ihrem Leben wünschen, Wunder, für die sie beten. Rechts bereits erfüllte Wünsche, für die sie dankbar sind.

«Schaut nur, da wünscht sich jemand Gesundheit!» Die Rednerin auf der Bühne zeigt auf die linke Spalte. «Und da dankt jemand für Gesundheit!» Sie deutet auf die rechte Spalte. Zwei voneinander ganz und gar unabhängige Stichworte werden als Beleg für Gottes Macht beklatscht. Danach beten die Gläubigen. Nicht still und leise für sich, sondern als Gemeinschaft. Manche murmeln, andere wippen im Takt, recken die Hände in die Luft. Etwas Fiebriges liegt plötzlich in der Luft. Etwas Drängendes, Forderndes.

Einen grossen Wunsch hatte auch die Familie von Karin. Nicht weniger als ein Wunder erhoffte man sich von Gott: Karins ältere Schwester hatte das Down-Syndrom. Als sie zur Welt kam, waren die Eltern überfordert. Es waren die achtziger Jahre, kein Ultraschall hatte sie auf das behinderte Kind vorbereitet. Die Ärzte sprachen von Vernetzung mit anderen Betroffenen und medizinischer Unterstützung. Keiner sprach von Heilung.

Auch Karin heisst eigentlich anders. Wie Pascal möchte auch sie anonym bleiben. Karins Geschichte beginnt mit der Mutlosigkeit ihrer Mutter: Gläubig war diese schon lange, seit der Geburt der behinderten Tochter war sie auch verzweifelt. Da hörte sie von der Revival-Fellowship, wie Hillsong eine in Australien gegründete Pfingstkirche, die auch Gemeinden in der Schweiz und in Deutschland hat, wo Karins Familie lebt. Diese Kirche sei ein Ort, so sagte man ihr, an dem Wunder passieren könnten. Warum nicht auch eines für ihre Tochter?

Nach ihrem Ausstieg folgte für Karin eine emotionale Phase: «Trauer um die verpassten goldenen Zwanziger, in denen ich mir ausser Bibelstudium und Freundschaften zu Frauen aus der Gemeinde fast alles versagt hatte.»
Nach ihrem Ausstieg folgte für Karin eine emotionale Phase: «Trauer um die verpassten goldenen Zwanziger, in denen ich mir ausser Bibelstudium und Freundschaften zu Frauen aus der Gemeinde fast alles versagt hatte.»
Ein neuer Fokus
Freunde und Nachbarn hatten sich zurückgezogen, man wusste nicht, wie mit dem behinderten Kind und der Verzweiflung der Mutter umzugehen war. Bei Revival-Fellowship dagegen wurde zusammen mit den Eltern für das Kind gebetet. Das führte zwar nicht dazu, dass das überflüssige 21. Chromosom verschwand, es heilte die Familie dennoch.

Der Fokus verschob sich, die Familie bekam ein gemeinsames Ziel. Nicht mehr die Heilung der behinderten Tochter war wichtig, sondern die Vorbereitung auf die Rückkehr Jesu. Dafür wurde gebetet und missioniert. Gleichzeitig blieb die Familie erstaunlich liberal.

Karin und ihr Bruder durften weiterhin Freundschaften zu Nichtmitgliedern pflegen, obwohl Revival-Fellowship das eigentlich nur zu Missionszwecken erlaubte. Auch die absolute Alkoholabstinenz setzten die Eltern nicht um, weil es nirgendwo in der Bibel explizit verlangt wird. Daheim am Küchentisch wurden Bibel und Gemeinschaft auch einmal kritisch diskutiert. Das verschaffte der Familie einen rebellischen Ruf innerhalb der Kirche.

Karin, beim Eintritt in die Sekte acht Jahre alt, besuchte das Gymnasium, machte Abitur. So anders als eine Kindheit ausserhalb der Kirche sei ihre gar nicht gewesen, sagt Karin heute. Erst als Teenager spürte sie die Regeln deutlicher. Sich in jemanden verlieben, der nicht zur Kirche gehört: geht nicht. Sex vor der Ehe: verboten.

Gibt es Gott gar nicht?
Als Karin Mitte zwanzig war, wechselte sie die Gemeinde, zog von Deutschland in die Schweiz. Erhofft hatte sie sich davon mehr Freiheit, mehr Mitsprache in der noch jungen Berner Gemeinde. Stattdessen fehlten hier der kritische Geist und das freie Diskutieren am heimischen Küchentisch. Karin war unglücklich, aber sie wollte durchhalten.

Dann ging alles Schlag auf Schlag.

Ihre beste Freundin starb an Krebs, der Bruder erkrankte an einer schweren Depression. Zwei Jahre später starb Karins Vater, ein Jahr darauf die grosse Schwester. In der Gemeinde aber hiess es weiterhin: Beten, dann wird alles gut. «Aber ich habe doch gesehen, dass das nicht stimmt», sagt Karin. Je mehr Fragen sie stellte, umso weniger Antworten bekam sie.

Der Schweizer Gemeindeleiter sagte: «Wenn diese Leute nicht geheilt werden konnten, dann war der Glaube nicht stark genug.» Karin dachte: «Entweder kümmert Gott sich nicht – ode

Kommentare

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Klavierspielerin2 28.04.2024 10:35
Mit kopieren ist's etwas schwierig, darum hier der Link direkt zur NZZ:

https://www.nzz.ch/feuilleton/sekten-freikirchen-in-der-schweiz-ld.1825746
 
Zeitlos5 28.04.2024 10:41
die Religion taugt nichts?
 
Donaukiesel 28.04.2024 11:02
Es reicht langsam.😀
Wenn du biblisch schon keine Argumente findest, 
dann kommt die Sekten-Freikirchen-Schiene. Das ist so armselig.


Das Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 11:09
Auf die große Reportage bei 3 SAT zu den US Freikirchen ( positiv ) durfte ich hinweisen, da hast du dich nicht beschwert- warum?
 
Donaukiesel 28.04.2024 11:31
Ich möchte dich und andere erleben, wenn ich das alles, was ich lese über die Großkirchen hier Posten würde. Aber es ist einfach eine Abmachung hier lt. Admin. An die sich jeder , auch die Katholiken, zu halten haben. Und das tut ihr nicht
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 12:05
Wenn ich positive Berichte zu FeG verlinke ist es ok und wenn ich einen negativen Bericht entdecke und poste, ist es nicht gewünscht - spricht auch für sich...

@donau,, was sagst du denn zum Inhalt der Reportage der Neuen Zürcher Zeitung?
 
Donaukiesel 28.04.2024 12:54
Das ist nicht richtig, daß er sagt es fehle am Glauben, wenn er nicht geheilt wird. Manchmal ist es vll. so, aber das kann man nicht pauschal sagen
 Man sagt so schnell Sekte....und man darf nicht selber denken...
Ich habe in meinem Leben schon viele Freikirchen erlebt, aber Sektiererisches Verhalten habe ich nie erlebt. Und sie haben mich auch wieder gehen lassen.
Ich musste auch nur den 10ten zahlendas war immer freiwillig. Und das klang auch in deinem Bericht so, wenn jemand aber den 10ten regelmàßug gibt, ist es doch normal  zu fragen ob er einen Dauerauftrag machen will. 
Da klang für mich schon so , als wenn der Schreiber etwas negatives an den Haaren herbei zerrt. Bei den Katholiken wird der 10te gleich vom Lohn abgezogen, die werden gar nicht gefragt. Was ist da jetzt besser? 
Das nur so am Rande bemerkt. Ich werde mich auf keine Diskussion einlassen.
Keine Gemeinde ist perfekt, auch die RKK nicht, deshalb muss man alles an Hand der Bibel überprüfen, das Gute behalte. Das was mit der ZBibel nicht übereinstimmt kann weg. Da kann auch  bei der RKK  einiges weg. ..
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 13:17
In dieser Reportage dreht es sich  um Freikirchen und den negativen Folgen, die eine dortige Mitgliedschaft für einige mit sich gebracht hat, bringen kann- davor wird gewarnt und das muss man sagen dürfen.
Jede der De- Nominationen muss sich hinterfragen lassen, das wird selbst aus dem freikirchlichen Spektrum so empfohlen.

Von der in o. g. Bericht " Karin"genannte, erfahren wir, dass sie nach Jahren den Absprung aus jener Freikirche geschafft hat- das tragische daran ist, dass sie jetzt nichts mehr von Jesus Christus wissen will- sie ist vom Glauben abgefallen!

Das ist eine der Gefahren, wenn man an Sekten gerät ☝️
Darüber muss doch informiert werden!

Und da du in diesem Blog offensichtlich lieber über die RKK ' sprechen ' willst: anzeigen- überprüfen - falls Verdacht sich bestätigt- Rausschmiss!
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 13:22
Ich komme auch gerne mal vom Thema ab, heute aber lieber nicht, die Ergebnisse der NZZ Reportage sind mir zu wichtig.
 
hansfeuerstein 28.04.2024 13:28
Es liegt eigentlich auf der Hand, dass mit dem Chaos der zehntausenden von christlichen Konfessionen, dazu noch die diversen anderen Religionen ein grösser werdender Teil der Menschheit ratlos daneben stehen bleibt, und sich sagt: nichts Genaues scheint man also nicht zu wissen, also lege ich mich gar nicht erst fest. Das ist ja auch zunehmend die Haltung der Staaten, wobei die Ideologien dann die Stellung der Religion und des übernatürlichen Glaubens einnimmt.
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 13:48
Bei EKD und RKK wird ja bereits aufgearbeitet.
In den FeGn ist das leider nicht so einfach.
 
hansfeuerstein 28.04.2024 14:12
Es ist doch keine Nebensache, ob wir nach dem irdischen Dasein weiterleben....
 
Donaukiesel 28.04.2024 14:27
Klavier 13,17
Ich erwähne fie RKK nur, um klar zu stellen daß es keine perfekte Gemeinde gibt. Das ist alles, da musst jetzt nicht drauf Rum reiten. Das ist eine Tatsache .
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 15:07
Die NZZ spricht von Sekten, deren Methoden neue Mitglieder zu werben, nicht koscher sind.
Wie beschrieben wird, hat kann eine Sekte, bzw. De- Nomination schlimme Folgen für die Menschen haben- damit meine ich nicht nur ein verpfuschtes Leben, sondern noch schrecklicher, Heilsverlust. Das ist doch keine Kleinigkeit!

Bei rund 1200 FeG allein in der Schweiz, die i.d.R.unter einander  kaum, bis keinen Austausch untereinander pflegen, wäre es dringend nötig, wie @Birke richtigerweise feststellt, dass "..Zusammenhalt und Zusammenarbeit angemessen" wäre. Denn nur so wird verhindert werden können, dass ein Missbrauchstäter unerkannt einfach in eine andere FeG wandert und dort unerkannt seine Gräueltaten weiterführen kann.

Dazu sind aber die zahllosen De- Nominationen seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht fähig- das ist unmöglich und sollte den Glaubensneulingen klar sein!


@Birke, die FeG sind tatsächlich Vereine und unterliegen deshalb dem Vereinsrecht.
Weshalb keine  Entschädigungszahlungen zu erwarten sein werden.

Um auf den Blogtitel zurück zu kommen, man kann Jahre seines Lebens damit verbringen, um festzustellen, ob die eigene Gemeinde eine Sekte ist, oder man prüft anhand des sog. ' kleinen ', oder ' großen ' Glaubensbekenntnis ', mit wem man es zu tun hat:


https://www.ekd.de/apostolisches-glaubensbekenntnis-10790.htm
 
paloma 28.04.2024 19:50
Wenn man aufarbeiten möchte,was als Sekte zu verstehen ist,braucht man Kriterien.
Das ist mir hier etwas wahllos u gerne werden Freikirchler fälschlich als solche bezeichnet,obwohl nichts dergleichen darauf schließen lässt 
Es gibt ja Sekte beauftragte,nicht ohne Grund .
Da muss man sich informieren,wenn man dies zum Thema macht,sonst bleibt es bei den üblichen " Vorurteilen".
Tatsächlich wäre Aufklärung,gerade für junge Menschen,ganz sinnvoll,damit sie solche Abhängigkeiten erkennen lernen.
Das ist der Artikel keineswegs!
 
paloma 28.04.2024 19:52
Im übrigen finde ich lebendige Gemeinschaft in einer Gemeinde sehr wohltuend u auch christlich,selbstredend auf freiwilliger Basis u ohne Druck .
 
Sherezade 28.04.2024 20:07
Die Kriterien für geistlichen Missbrauch und Sekten gibt es... incl. Studien und Untersuchungen...
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 21:31
@Paloma,"Das ist mir hier etwas wahllos u gerne werden Freikirchler fälschlich als solche bezeichnet,obwohl nichts dergleichen darauf schließen lässt "



Sek·te
/Sékte/
Substantiv, feminin [die]
1.
VERALTEND
kleinere Glaubensgemeinschaft, die sich von einer größeren Religionsgemeinschaft, einer Kirche abgespalten hat, weil sie andere Positionen als die ursprüngliche Gemeinschaft betont, hervorhebt.


Moderner ausgedrückt: ' De- Nomination '
 
Klavierspielerin2 28.04.2024 22:17
De- Nominationen sind protestantisch!

Interessant wäre, zu erfahren, was deren Mutterkirche zu deren Uneinigkeit sagt.
 
hansfeuerstein 28.04.2024 22:25
Das Grundproblem sind Zeitgeistanpassungen und Verlust des Übernatürlichen im Glaubensvollzug und Lehre.
 
Sherezade 28.04.2024 23:04
@Klavierspielerin,
 es ist sehr einfach... Veröffentlichungen und Bekenntnistexte  werden ignoriert und nicht gelesen...wie viele andere Dinge auch nicht...
Selbst wenn man sich nur auf das/die Glaubensbekenntnis/se und die Anerkennung der ökumenischen Konzile besinnt, landet man schon bei einigen Gemeinschaften im tiefen Sumpf...
 
paloma 28.04.2024 23:56
Im heutigen Gebrauch ist die " Zuschreibung "Sekte" mit negativer Konnotation.
Oder meinst du,Sektenbeauftragte betrachten lediglich kl Glaubensgemeinschaften....?
Denomination ist der wertneutrale Begriff dafür.Bedeutungen wandeln sich ...
 
paloma 28.04.2024 23:57
Im heutigen Gebrauch ist die " Zuschreibung "Sekte" mit negativer Konnotation.
Oder meinst du,Sektenbeauftragte betrachten lediglich kl Glaubensgemeinschaften....?
Denomination ist der wertneutrale Begriff dafür.Bedeutungen wandeln sich ...
 
hansfeuerstein 29.04.2024 00:10
Der Unterschied im sog. großen Schisma war, dass es keine Abspaltung von,.. sondern eine Teilung zwischen Westkirche/Ostkirchen war.
 
Klavierspielerin2 29.04.2024 08:10
Guten Morgen 🙂 


@Paloma, um 21:31h habe ich aufgezeigt, dass der Begriff " Sekte" im vergangenen Jahrhundert gebräuchlich war, auf deren eigenen Wunsch ist er stattdessen auf " De- Nomination" abgeändert.


Die Definition ist aber die selbe:

" kleinere Glaubensgemeinschaft, die sich von einer größeren Religionsgemeinschaft, einer Kirche abgespalten hat, weil sie andere Positionen als die ursprüngliche Gemeinschaft betont, hervorhebt."

_________

" Nomination" hingegen bedeutet " Zusammenschluss ( ca. 2400 Nomination haben sich zusammen geschlossen und gehören zur RKK)- ( nebenbei= biblisch begründet, " ihr sollt Eins sein " )
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