(Anti-) Kriegslied

(Anti-) Kriegslied
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Kriegslied   ---  Erich Mühsam  ---  1917

Sengen, brennen, schießen, stechen,
Schädel spalten, Rippen brechen,
spionieren, requirieren,
patrouillieren, exerzieren,
fluchen, bluten, hungern, frieren...
So lebt der edle Kriegerstand,
die Flinte in der linken Hand,
das Messer in der rechten Hand -
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Aus dem Bett von Lehm und Jauche
zur Attacke auf dem Bauche!
Trommelfeuer - Handgranaten -
Wunden - Leichen - Heldentaten -
bravo, tapfere Soldaten!
So lebt der edle Kriegerstand,
das Eisenkreuz am Preußenband,
die Tapferkeit am Bayernband,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Stillgestanden! Hoch die Beine!
Augen gradeaus, ihr Schweine!
Visitiert und schlecht befunden.
Keinen Urlaub. Angebunden.
Strafdienst extra sieben Stunden.
So lebt der edle Kriegerstand.
Jawohl, Herr Oberleutenant!
Und zu Befehl, Herr Leutenant!
Mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Vorwärts mit Tabak und Kümmel!
Bajonette, Schlachtgetümmel.
Vorwärts! Sterben oder Siegen
Deutscher kennt kein Unterliegen.
Knochen splittern, Fetzen fliegen.
So lebt der edle Kriegerstand.
Der Schweiß tropft in den Grabenrand,
das Blut tropft in den Straßenrand,
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.

Angeschossen - hochgeschmissen -
Bauch und Därme aufgerissen.
Rote Häuser - blauer Äther -
Teufel! Alle heiligen Väter!...
Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!
So stirbt der edle Kriegerstand,
in Stiefel, Maul und Ohren Sand
und auf das Grab drei Schippen Sand -
mit Gott, mit Gott, mit Gott,
mit Gott für König und Vaterland.


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Das Kriegsgedicht „Kriegslied.“ von Erich Mühsam, im März 1917 verfasst, umschreibt die Situation der deutschen Soldaten im ersten Weltkrieg. Durch die Art seiner Beschreibungen übt er heftige Kritik an der Glorifizierung des Soldatentodes und an der Kriegsführung selbst.

Deutschland ist im März 1917 bereits am Verlieren des Ersten Weltkriegs, viele Soldaten sind auf den Feldzügen gestorben und es kommt mehr und mehr Kritik auf, vor allem im Bereich der Literatur.


Erich Mühsam kritisiert in diesem Gedicht also die Kriegsführung der Regierung dadurch, dass er die Sinnlosigkeit des Todes vom Soldaten zeigt und darstellt, wie respektlos er behandelt wird.


Er entlarvt auch das Bild des Kriegshelden und die Kriegseuphorie, die zu dieser Zeit in sämtlichen Gesellschaftsschichten vorhanden ist. Im Gedicht ist nicht von irgendwelchen Erfolgen die Rede, nur die Kampfsituation und somit Kriegsrealität des einzelnen, der im großen Bild des Krieges seine Identität verliert und sich völlig für den Krieg aufgibt.


Genau das bewertet Mühsam allerdings negativ und möchte durch sein Werk auf diese Umstände aufmerksam machen.


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