Trennung von Kirche und Staat- F:
11.02.2024 08:11
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Trennung von Kirche und Staat- F:
AUCH 20 JAHRE NACH DEM VERBOT RINGT DAS LAND UM LÖSUNGEN
Weiter Reibereien um religiöse Symbole an Frankreichs Schulen
Am jedem späten Nachmittag – mit Ausnahme der Wochenenden – bietet sich dem Beobachter in französischen Städten ein etwas seltsam anmutendes Bild. Junge Mädchen verlassen nach Schulschluss das Schulgelände und ziehen als erstes ihr Kopftuch wieder auf. Denn innerhalb der Schulmauern sind alle Formen von Kopfschleiern verboten – seit nunmehr 20 Jahren.
Am 10. Februar 2004 stimmte die Nationalversammlung dem sogenannten Gesetz zu religiösen Zeichen in öffentlichen Schulen (Loi sur les signes religieux dans les ecoles publiques) mit einer deutlichen Mehrheit zu. Schülerinnen und Schülern wurde damit mit dem neuen Schuljahr 2004/2005 das Tragen aller deutlich sichtbaren religiösen Symbole im Unterricht untersagt.
Auch Religionsunterricht sucht man vergeblich
Grundlage dafür ist Frankreichs Verfassung. Seit 1905 sind Staat und Kirche streng getrennt. Seitdem ist auch das nationale Bildungswesen – so werden dessen höchste Repräsentanten in der "Grande Nation" selten müde, mit Stolz zu betonen – laizistisch, also strikt von religiösen Einflüssen getrennt. So sucht man in den Lehrplänen auch Religionsunterricht vergeblich.
1905 schrieben die Parlamentarier auch eine Gleichbehandlung aller Konfessionen vor – obwohl es außer der katholischen Kirche damals praktisch keine Adressaten gab. Knapp 100 Jahre später, beim Gesetz gegen religiöse Zeichen, scheint sich der Gedanke auf den ersten Blick zu wiederholen. Doch ist im Gesetzestext der Zusatz "ostensiblement" – übersetzt etwa deutlich sichtbar oder demonstrativ – durchaus zu beachten. Denn während ein Kreuz auch recht dezent unter der Kleidung verborgen werden kann, geht das mit einem Kopftuch eben nicht.
Bild: ©Kara/Fotolia.com
Kopftücher sind an französischen Schulen verboten – ähnlich wie andere religiöse Symbole.
So wurde das Gesetz – wenn auch von Funktionsträgern vehement bestritten – schnell als antimuslimische Gesetzgebung ausgelegt. Und die jüngsten Entwicklungen scheinen diese Interpretation zu stützen. So untersagte die Regierung in Paris zum Schuljahresbeginn 2023 auch das Tragen von Abayas und Quamis im Klassenzimmer. Die Obergewänder sind vor allem bei Männern und Frauen aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten und dem Nahen Osten beliebt – also aus islamisch geprägten Gesellschaften, die in Frankreich große Minderheiten stellen.
Der damalige Bildungsminister Gabriel Attal verteidigte seinerzeit das Verbot im Fernsehen. Es solle Lehrkräfte unterstützen, den laizistischen Anspruch im Klassenraum durchzusetzen. Denn: "Laizität ist keine Beschränkung, sie ist eine Freiheit", so Attal mit dem erwähnten Nationalstolz.
Kritik von Islamverbänden
Doch so klar, wie der Minister es formuliert hat, ist die Auslegung des Beschlusses in der Realität nun nicht. Denn die Meinungen gehen deutlich auseinander, ob es sich bei Abaya und Quamis tatsächlich um religiöse Gewänder handelt. Aus Sicht des Islamverbandes Action droits des musulmans werde damit nicht zwingend eine religiöse Überzeugung ausgedrückt, sondern eine "Verbindung mit einer Kultur oder Region". Der Beschluss ziele hauptsächlich auf "mutmaßlich muslimische Kinder" ab und sei diskriminierend, insbesondere für Mädchen arabischer oder afrikanischer Herkunft, argumentierte der Verband und legte eilig eine Beschwerde ein. Diese wurde aber vor Gericht abgewiesen; das Verbot bleibt in Kraft.
Andererseits gibt es auch Profiteure des Verbots; allen voran der bereits erwähnte Minister Attal. Mit 34 Jahren damals jüngster Bildungsminister der Republik, zudem wortgewandt und charismatisch, empfahl sich Attal für höhere Aufgaben. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsidentin Elisabeth Borne Anfang Januar berief ihn Staatspräsident Emmanuel Macron zum neuen Regierungschef – auch hier der Jüngste jemals im Amt.
Und auch in Sachen religiöser Kleidung erhielt Attal nochmals Rückenwind aus dem Elysee-Palast. Denn Macron sprach sich nun perspektivisch bis 2026 für die Einführung von Schuluniformen aus. Damit wären Diskussionen um Kopftücher wie Abayas vom Tisch. Für eine Testphase von Schuluniformen hatte sich kurz nach seinem Amtsantritt als Bildungsminister auch Attal ausgesprochen.
Von Johannes Senk (KNA)
Weiter Reibereien um religiöse Symbole an Frankreichs Schulen
Am jedem späten Nachmittag – mit Ausnahme der Wochenenden – bietet sich dem Beobachter in französischen Städten ein etwas seltsam anmutendes Bild. Junge Mädchen verlassen nach Schulschluss das Schulgelände und ziehen als erstes ihr Kopftuch wieder auf. Denn innerhalb der Schulmauern sind alle Formen von Kopfschleiern verboten – seit nunmehr 20 Jahren.
Am 10. Februar 2004 stimmte die Nationalversammlung dem sogenannten Gesetz zu religiösen Zeichen in öffentlichen Schulen (Loi sur les signes religieux dans les ecoles publiques) mit einer deutlichen Mehrheit zu. Schülerinnen und Schülern wurde damit mit dem neuen Schuljahr 2004/2005 das Tragen aller deutlich sichtbaren religiösen Symbole im Unterricht untersagt.
Auch Religionsunterricht sucht man vergeblich
Grundlage dafür ist Frankreichs Verfassung. Seit 1905 sind Staat und Kirche streng getrennt. Seitdem ist auch das nationale Bildungswesen – so werden dessen höchste Repräsentanten in der "Grande Nation" selten müde, mit Stolz zu betonen – laizistisch, also strikt von religiösen Einflüssen getrennt. So sucht man in den Lehrplänen auch Religionsunterricht vergeblich.
1905 schrieben die Parlamentarier auch eine Gleichbehandlung aller Konfessionen vor – obwohl es außer der katholischen Kirche damals praktisch keine Adressaten gab. Knapp 100 Jahre später, beim Gesetz gegen religiöse Zeichen, scheint sich der Gedanke auf den ersten Blick zu wiederholen. Doch ist im Gesetzestext der Zusatz "ostensiblement" – übersetzt etwa deutlich sichtbar oder demonstrativ – durchaus zu beachten. Denn während ein Kreuz auch recht dezent unter der Kleidung verborgen werden kann, geht das mit einem Kopftuch eben nicht.
Bild: ©Kara/Fotolia.com
Kopftücher sind an französischen Schulen verboten – ähnlich wie andere religiöse Symbole.
So wurde das Gesetz – wenn auch von Funktionsträgern vehement bestritten – schnell als antimuslimische Gesetzgebung ausgelegt. Und die jüngsten Entwicklungen scheinen diese Interpretation zu stützen. So untersagte die Regierung in Paris zum Schuljahresbeginn 2023 auch das Tragen von Abayas und Quamis im Klassenzimmer. Die Obergewänder sind vor allem bei Männern und Frauen aus den nordafrikanischen Maghreb-Staaten und dem Nahen Osten beliebt – also aus islamisch geprägten Gesellschaften, die in Frankreich große Minderheiten stellen.
Der damalige Bildungsminister Gabriel Attal verteidigte seinerzeit das Verbot im Fernsehen. Es solle Lehrkräfte unterstützen, den laizistischen Anspruch im Klassenraum durchzusetzen. Denn: "Laizität ist keine Beschränkung, sie ist eine Freiheit", so Attal mit dem erwähnten Nationalstolz.
Kritik von Islamverbänden
Doch so klar, wie der Minister es formuliert hat, ist die Auslegung des Beschlusses in der Realität nun nicht. Denn die Meinungen gehen deutlich auseinander, ob es sich bei Abaya und Quamis tatsächlich um religiöse Gewänder handelt. Aus Sicht des Islamverbandes Action droits des musulmans werde damit nicht zwingend eine religiöse Überzeugung ausgedrückt, sondern eine "Verbindung mit einer Kultur oder Region". Der Beschluss ziele hauptsächlich auf "mutmaßlich muslimische Kinder" ab und sei diskriminierend, insbesondere für Mädchen arabischer oder afrikanischer Herkunft, argumentierte der Verband und legte eilig eine Beschwerde ein. Diese wurde aber vor Gericht abgewiesen; das Verbot bleibt in Kraft.
Andererseits gibt es auch Profiteure des Verbots; allen voran der bereits erwähnte Minister Attal. Mit 34 Jahren damals jüngster Bildungsminister der Republik, zudem wortgewandt und charismatisch, empfahl sich Attal für höhere Aufgaben. Nach dem Rücktritt von Ministerpräsidentin Elisabeth Borne Anfang Januar berief ihn Staatspräsident Emmanuel Macron zum neuen Regierungschef – auch hier der Jüngste jemals im Amt.
Und auch in Sachen religiöser Kleidung erhielt Attal nochmals Rückenwind aus dem Elysee-Palast. Denn Macron sprach sich nun perspektivisch bis 2026 für die Einführung von Schuluniformen aus. Damit wären Diskussionen um Kopftücher wie Abayas vom Tisch. Für eine Testphase von Schuluniformen hatte sich kurz nach seinem Amtsantritt als Bildungsminister auch Attal ausgesprochen.
Von Johannes Senk (KNA)
Kommentare
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Zeitlos5 11.02.2024 08:52
Von mir aus hätten sie auch eine Sonnenblume als Symbol einführen können - das Wiedererwachen der Natur!
Klavierspielerin2 11.02.2024 09:45
Es gibt ja welche, die die Trennung von Kirche und Staat gut finden - voila, siehe das Resultat in F.
Klavierspielerin2 11.02.2024 09:52
Es gibt auch welche, die glauben, den Islam durch das Wählen alternativer Parteien, an der deutsch/ franz. Grenze stoppen zu können....
hansfeuerstein 11.02.2024 13:31
Was soll man sagen? Mit der Abkehr vom Christentum als Staatsreligion hat man die Türen für viele gewaltige Probleme geöffnet, die es zuvor so gar nicht gab.
(Nutzer gelöscht) 11.02.2024 14:20
Ich finde es ganz richtig ,Trennung von Kirche und Staat und für das ehemalige koloniale Frankreich ist es so der beste Weg.
Glaube kann nicht staatlich verordnet werden ,es muss immer ein freiwilliger Akt sein.
Glaube kann nicht staatlich verordnet werden ,es muss immer ein freiwilliger Akt sein.
(Nutzer gelöscht) 11.02.2024 14:22
Mit der heutigen Pluralität und Wahlfreiheit ist es das Wesen der Freiheit ,nicht eines vorgesetzt oder aufgezwungen zu bekommen.
hansfeuerstein 11.02.2024 19:01
Frankreich war einmal Hochkulturland, inzwischen sieht es düster aus. Paris auf dem absteigenden Ast.
(Nutzer gelöscht) 11.02.2024 19:33
Frankreich hat ein Problem mit dem Umgang mit Religion.
Das ist fast Paranoia.
Man kann den Laizismus auch übertreiben.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen - ich liebe dieses Land und kommen mit den Leuten gut klar.
Aber das Verhältnis der dortigen Eliten zur Religion ist eher seltsam.
Das ist fast Paranoia.
Man kann den Laizismus auch übertreiben.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen - ich liebe dieses Land und kommen mit den Leuten gut klar.
Aber das Verhältnis der dortigen Eliten zur Religion ist eher seltsam.
Klavierspielerin2 11.02.2024 19:46
Ich lebe in einer Grenzstadt zu F und im Gegensatz zu D, leben die franz. Pfarrer in bitterer Armut.
Klavierspielerin2 11.02.2024 19:56
In F herrscht das sog.
Geburtsortsprinzip (auch Geburtsort-, kurz Orts-, oder Territorialprinzip) es bezeichnet das Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an alle Kinder verleiht, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden.
In deren Übersee Departements und wenn ich mich nicht irre, auch in den magreb Staaten werden franz . Staatsbürger geboren. Das scheint ein Problem zu sein, in den banlieux leben diese Menschen in Parallelwelten, die besser nur mit Vorsicht betreten werden sollten.
Geburtsortsprinzip (auch Geburtsort-, kurz Orts-, oder Territorialprinzip) es bezeichnet das Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an alle Kinder verleiht, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden.
In deren Übersee Departements und wenn ich mich nicht irre, auch in den magreb Staaten werden franz . Staatsbürger geboren. Das scheint ein Problem zu sein, in den banlieux leben diese Menschen in Parallelwelten, die besser nur mit Vorsicht betreten werden sollten.
(Nutzer gelöscht) 11.02.2024 20:07
Soweit ich weis werden die Menschen in den Magreb- Staaten nicht per Geburt Franzosen.
Das Problem mit den Banlieus gibt es seit Jahrzehnten und es ist immer schlimmer geworden.
Keine Arbeit, wer sich von dort auf einen etwas besseren Job bewirbt kriegt ihn nicht, weil er aus dem Banlieu kommt.
Ein Teufelskreis in dem Kriminalität und religiöser Fanatismus prächtig gedeihen.
Keine französische Regierung hat das Problem wirklich angepackt. Egal welche Farbe da grad regiert.
Das Problem mit den Banlieus gibt es seit Jahrzehnten und es ist immer schlimmer geworden.
Keine Arbeit, wer sich von dort auf einen etwas besseren Job bewirbt kriegt ihn nicht, weil er aus dem Banlieu kommt.
Ein Teufelskreis in dem Kriminalität und religiöser Fanatismus prächtig gedeihen.
Keine französische Regierung hat das Problem wirklich angepackt. Egal welche Farbe da grad regiert.
Da es aber immer einen Religionsunterricht geben wird - die wärmende Sonne am blauen Himmel ist dafür ein Symbol -
muß es auch ein Zeichen dafür gebe: z.B.ein Kreuz.
ich sah gerne während einer Matheprüfung auf das Kreuz im Klassenzimmer - und verlor das Lampenfieber.
Das Kreuz wurde besonders als Zeichen des Christentums verbreitet und wurde im Jahr 431 n. Chr. durch das Konzil von Ephesos offiziell als christliches Zeichen eingeführt.