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Erlassjahr/ Jobeljahr- Gebot der Tora

Erlassjahr/ Jobeljahr- Gebot der Tora
Das Erlassjahr (hebräisch שנת היובל shnat hajovel, deutsch ‚das Joveljahr‘, auch ‚Halljahr‘, ‚Jobeljahr‘, ‚Jubeljahr‘, ‚Freijahr‘ oder ‚Jahr der Freilassung‘) ist ein Gebot der Tora (Lev 25,8-55 EU): Jedes 50. Jahr nach dem siebten von sieben Sabbatjahren, also nach jeweils 49 Jahren, sollten die Israeliten ihren untergebenen Volksangehörigen einen vollständigen Schuldenerlass gewähren, ihnen ihr Erbland zurückgeben (Bodenreform) und Schuldsklaverei aufheben.


Tora

Die Tora wird als Offenbarung JHWHs, des Gottes Israels, der sich seinem Volk durch seine Befreiungstat im Auszug aus Ägypten vorgestellt habe, eingeführt (Ex 20,1 ff. EU). Sie begründet die von ihr geforderte sozial gerechte Gesellschaftsordnung und viele konkrete Schutzrechte für mittellose Minderheiten als verbindliches Recht dieses befreienden Gottes.

Dieser Gotteserfahrung gemäß wurde das „gelobte Land“ als Geschenk betrachtet. Oberster Grundsatz des biblischen Boden- und Besitzrechts ist der Gottesspruch (Lev 25,23 EU): „Mein ist das Land, und ihr seid Fremdlinge und Gäste bei ihm.“[4] Weil alle Erbgüter der Israeliten bloß von Gott „gepachtet“ seien, seien die vermeintlichen Landbesitzer nur „Fremde“ und „Gäste“ ebenso wie die von ihnen abhängigen Juden oder Nichtjuden. Damit begründet die Tora das Gebot des Erlassjahres (Lev 25,8-31 EU):

Danach sollte alle Feldarbeit wie in einem Sabbatjahr während dieses ganzen Jahres ruhen. Jeder Israelit sollte sein von Gott, dem eigentlichen Bodenbesitzer, nur „gepachtetes“ Land zurückerhalten, sofern er es in Notlagen hatte veräußern müssen: sei es durch Rückkauf oder Rückgabe.[5] In Schuldsklaverei gefallene Israeliten sollten (auch von nichtisraelitischen Herren) bedingungslos freigelassen werden. Verkaufte und verpfändete Grundstücke (Häuser in ummauerten Städten und dem Heiligtum gelobte Äcker ausgenommen) seien ohne Entschädigung aus fremden Händen wieder an den ursprünglichen Besitzer oder seine rechtmäßigen Erben zurückzugeben, und alle Schulden seien ihnen zu erlassen.

Diese Umverteilung des Bodenbesitzes sollte die von Gott gebotene Gleichheit aller Israeliten mindestens einmal pro Generation sozialökonomisch wiederherstellen, so verarmten, in Abhängigkeit geratenen Landlosen eine Zukunftsperspektive eröffnen, die Grundbesitzer zu ihrer Freilassung verpflichten und ihnen einen gemeinsamen Neuanfang gewähren. Menschliche Besitz- und Herrschaftsverhältnisse sind demnach nicht ewig, sondern müssen nach dem Willen des Gottes Israels regelmäßig zugunsten der Besitzlosen verändert werden. Das Erlassjahr sollte immer an Jom Kippur, dem 10. Tag des Tischri, beginnen und mit Posaunen im ganzen Land verkündigt werden.



Prophetie

Ob dieses Toragebot vor und nach dem Babylonischen Exil (586–530 v. Chr.) tatsächlich befolgt wurde, ist ungewiss. Landaneignung durch den Königshof, wie ihn die Beispielgeschichte 1 Kön 21 EU schildert (Nabots Weinberg), die scharfe Sozialkritik an Großgrundbesitz und Schuldsklaverei bei Amos und Hosea (8. Jahrhundert v. Chr., Schriftpropheten) und nachexilische Heilszusagen wie Jes 61,1f EU, die die Erfüllung des Gebots Lev 25 EU vom künftigen Messias erwarten, sprechen dagegen.

Im Nordreich Israel und im Südreich Juda existierte eine Form von Latifundienwirtschaft: Der Königshof eignete sich frei gewordenes Erbland israelitischer bzw. judäischer Bauern an oder erzwang dessen Verkauf durch hohe Abgaben.[6] Dagegen traten seit etwa 850 v. Chr. Propheten auf, die die Könige Israels und Judas an das Gottesrecht der Besitzlosen erinnerten (1 Kön 21 EU; Am 2 EU; Jer 34,8ff. EU) und scharfe Gesellschaftskritik am Verhalten der Besitzenden übten (zum Beispiel Am 5,11f EU):

„Darum, weil ihr die Armen unterdrückt und nehmt von ihnen hohe Abgaben an Korn, so sollt ihr in den Häusern nicht wohnen, die ihr von Quadersteinen gebaut habt. Denn ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind, und eure Sünden, die so groß sind, weil ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen im Tor [wo Recht gesprochen wurde] unterdrückt.“

Die Verheißung einer gerechten Zukunft für die Unterdrückten und Bedrängten wird hier zur scharfen Anklage gegen die Unterdrücker; außenpolitische Niederlagen werden als zwangsläufige Folge innenpolitischer Korruption des Rechts durch die Besitzenden gedeutet. Diese prophetische Kritik zeigt, dass die herrschenden Schichten in beiden Teilreichen Israels das Gebot des Erlassjahres missachtet oder ohnehin nie befolgt hatten.[7]

In der exilischen und nachexilischen Heilsprophetie (seit 586 v. Chr.) wurde die gerechte Umverteilung des Bodens, Aufhebung der Schuldsklaverei und damit der sozialen Gegensätze daraufhin fester Bestandteil der endzeitlichen Zukunftshoffnung. So verheißt Jes 61,1 EU, Gottes künftiger Messias werde ein Erlassjahr für die Armen ausrufen:

„Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe...“

In Jes 65,21f EU heißt es zudem:

„Sie werden Häuser bauen und selbst darin wohnen, sie werden Reben pflanzen und selbst ihre Früchte genießen. Sie bauen nicht, damit ein anderer in ihrem Haus wohnt, und sie pflanzen nicht, damit ein anderer die Früchte genießt.“

Das Toragebot des Erlassjahres blieb also trotz seiner weitgehenden historischen Nichtbefolgung als Hoffnung auf eine endzeitliche gerechte Gesellschaftsordnung ohne Ausbeutung, in der alle gemeinsam leben und arbeiten und die Früchte ihrer Arbeit genießen können, erhalten.




Talmud

Im Talmud wurde das Gebot des Erlassjahres aus praktischen Gründen aufgehoben: Den Juden gehörte das Land Israel nicht mehr, auch das biblische Zinsverbot erwies sich im Römischen Reich als undurchführbar. Die Toraschutzrechte wurden in Form einer detaillierten Armenfürsorge unter dem Oberbegriff der Barmherzigkeit bewahrt.



Neues Testament

Jesus von Nazaret eröffnet sein Auftreten laut Lk 4,18ff EU in der Synagoge von Nazareth mit dem Zitat der Verheißung eines endzeitlichen Erlassjahres (Jes 61,1):

„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“

Er kommentiert das Zitat mit dem einzigen Satz: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“[10] Damit drückte er aus, dass sein Wirken das gebotene Erlassjahr endgültig verwirklichen werde, dieses vergessene Gebot also gültig geblieben sei.[11] Der Text gilt in der neueren NT-Exegese als programmatische Zusammenfassung der Verkündigung Jesu und seiner Absicht, die Toragebote für die Armen und Benachteiligten zu erfüllen.[12]

Dem entsprechen Jesu Seligpreisungen in der Bergpredigt (Mt 5,3-12 EU): Sie sagen den Armen, Trauernden, Machtlosen und Verfolgten zu, dass ihnen das Reich Gottes schon gehöre und sie künftig auch die Erde (das Land, den Boden) besitzen werden.[13] Aus einer akuten Hungersnot heraus erlaubt Jesus laut Mk 2,23-28 EU seinen Jüngern das Nahrungsammeln auf den bereits abgeernteten Feldern der Großgrundbesitzer und erklärt dies dann auf Nachfrage: Bei akuter Hungersnot sei diese Arbeit auch am Sabbat erlaubt, da das Sabbatgebot dem Wohl der Menschen zu dienen habe. Zur Begründung verweist Jesus auf biblische Beispiele für eine Gebotsübertretung aus einer Notlage heraus. Dies zeigt die soziale Bedingtheit der Toragebote und ihrer Auslegung.[14] Einen Großgrundbesitzer, der Jesus fragte, wie er das ewige Leben erlangen könne, lud er nach Mk 10,21ff. EU zur Aufgabe seines ganzen Besitzes zugunsten der Armen ein und erklärt diese Einladung seinen Jüngern als (nur selten oder gar nicht befolgte) Vorbedingung für den Eintritt Reicher in das Reich Gottes.[15] Mit seinem überraschenden Besuch bei einem der damals verhassten und ausgegrenzten jüdischen Eintreiber römischer Steuern („Zöllner“) bewegte Jesus ihn, den Armen geraubtes Gut vierfach zu erstatten (Lk 19,8 EU). Diese und weitere Texte aus der Jesusbewegung zeigen gezielte Übertretungen einzelner Toragebote, um die Sinnrichtung der ganzen Tora aufzudecken.[16]

An diese Jesusüberlieferung knüpfte die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde an, die Apg 2,44 EU beschreibt: „Alle, die gläubig geworden waren, waren beieinander und besaßen alle Dinge gemeinsam.“ Apg 4,32-37 EU bekräftigt, dass die Gütergemeinschaft dafür sorgt, dass kein Gemeindeglied mehr Mangel litt: Das spielt auf Dtn 15,4 EU an, wo das Überwinden der Armut als Ziel des Sabbatjahrs, das dem Erlassjahr zugrunde liegt, genannt wird. Die von der Gütergemeinschaft bestimmte Urgemeinde erreichte laut Apg 11,27-30 EU einen Lastenausgleich zwischen reichen und armen Gemeinden, der die im Pfingstwunder offenbarte Aufgabe der Gesamtkirche verwirklicht: die endzeitliche Einheit aller Menschen im Reich Gottes (den Shalom bzw. den Völkerfrieden, das endgültige Erlassjahr) vorwegzunehmen und anzubahnen.
(Wiki)






Donnerstag, 23.09.2021: Predigt von Pfarrer Kocher - 
5. Predigt der Reihe

 "Zeitgeist oder Geist der Zeit" - Der Dornstrauch wird König.

Die Israeliten wollten mit der Begründung, wie alle anderen Völker zu sein, einen König haben. Das auserwählte Volk hatte aber von Gott die Aufgabe bekommen, gerade nicht so zu sein wie die anderen Völkern, sondern sich von Ihnen abzuheben durch andere Machtstrukturen und eine soziale Ordnung, in der es keine Armen gibt.Diese Predigtreihe erscheint am 15. November 2022 als Buch im Media Maria Verlag."Zeitgeist oder Geist der Zeit" von Richard KocherISBN 978-3-947931-44-6                                       
                                       
https://www.horeb.org/mediathek/podcasts/zeitgeist-oder-geist-der-zeit/?tx_sicpodcastlist_pi1%5Buid%5D=54068&tx_sicpodcastlist_pi1%5Baction%5D=show&tx_sicpodcastlist_pi1%5Bcontroller%5D=Podcast&cHash=ed31064486e276fa02ced434e61993ba

Kommentare

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Klavierspielerin2 03.02.2024 23:02
Ich versuche o.g. mit der aktueller Situation im Heiligen Land einzuordnen.

Welche Verpflichtungen haben- aufgrund o.g.- jüdische Israelis den palästinensischen Israelis gegenüber?
 
Klavierspielerin2 03.02.2024 23:04
Als arabische Israelis,[1] Araber Israels, israelische Araber und 
Arabische Israelis
Ethnie

Palästinenser in Israel werden israelische Staatsbürger arabisch-palästinensischer Herkunft bezeichnet, die keine Juden sind und deren ethnische und kulturelle Identität arabisch ist und die Arabisch als Muttersprache sprechen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Arabische_Israelis
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