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Wie einer das Eigentliche begreifen lernte

Wie einer das Eigentliche begreifen lernte
Eine berührende Weihnachtsgeschichte von Wilhelm Busch 

Sie zeigt, dass Weihnachten trotz allem Leid und Bösem gefeiert werden kann.







Wie einer das Eigentliche begreifen lernte

Donnernd fuhr der Zug in die Bahnhofshalle. Langsam packte der junge Student sein Köfferchen und stieg aus. Langsam ging er zum Ausgang. Einen kurzen Augenblick sah er sich um. Dann ging er langsam in die Stadt hinein. Nein, er hatte es nicht eilig, obwohl zu Hause die Mutter und die Schwestern auf ihn warteten.

Seine Gedanken wanderten: Wie anders war es in den Jahren früher gewesen“ Da hatte er gar nicht schnell genug aus dem Bahnhof herauskommen können. Hinein in die Droschke nach dem schönen Stadtteil, wo die Eltern wohnten! Dort die hübsche Villa war das Elternhaus. Noch ehe die Droschke richtig hielt, war man heraus. Und Sturm geläutet am Tor! Dann kamen jubelnd die Schwestern. Und die Mutter! Und der Vater, dieser herrliche Vater! Dann kam Weihnachten mit all dem Glanz und all seiner Freude. Ja, so war es früher. – Gedankenvoll schritt er dahin. Es war ein weiter Weg. Und er hatte nicht einmal die paar Pfennige für die Straßenbahn.

Das heißt, „Pfennige“ ist verkehrt gesagt. Es war ja die böse Zeit der Inflation, wo selbst ein Straßenbahnfahrt ein paar tausend Mark kostete. Ach, es war alles anders geworden! Bedrückt schritt unser Student dahin nach dem Norden der Stadt. Da wartete nun ein hohes graues Haus auf ihn. Dort wohnte die Mutter in entsetzlich elenden Verhältnissen. Wie rasch hatte sich alles verändert! Der Vater war plötzlich gestorben. Die Inflation hatte das Vermögen verzehrt. Ihr hübsches Haus hatten sie verlassen müssen. „Es wäre alles zu ertragen, wenn der Vater noch lebte, unser starker, froher Vater“, dachte der Student, während er durch immer grauere, trostlosere Straßen ging. „Aber so – kann man doch nicht – Weihnachten feiern“ So doch nicht! Ohne den Vater! Und ohne Geld! Ohne einen Weihnachtsbaum! Und ohne Geschenke! Nein, so kann man nicht Weihnachten feiern!“

Er geht langsam. Er hat es nicht eilig. Aber schließlich steht er doch vor dem großen grauen Hause. Hier wundert er sich zum erstenmal, dass ihn niemand abgeholt hat. – „Nun ja“, denkt er, „die haben keinen Mut zum Leben mehr!“

Und dann steigt er die dunklen Treppen hinauf. Ganz oben wohnt die Mutter. „Meine liebe, arme Mutter!“ denkt er beim zweiten Stock. Dann steigt er weiter. „Ich hätte gar nicht kommen sollen. Man macht sich nur das Herz schwer“, denkt er beim zweiten Stock.Dann steigt er weiter. Beim dritten Stock bleibt er wieder stehen. „Das ist nun Heiliger Abend!“ denkt er bitter. Er steigt weiter. Ein paar Stufen, – dann aber bleibt er stehen. Über ihm hebt ein Gesang an: jubelnd, hell, himmlisch.

Da oben steht die Mutter mit den Schwestern. Und sie singen ihm entgegen:

🎶
„Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christum noch; Wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
Den mir schon Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?“  🎶

Regungslos steht der junge Student. Er ist ein harter Kerl. Den Weltkrieg hat er mitgemacht, fast als Knabe. Im Freikorps hat er gekämpft nach dem Kriege. Aber nun laufen ihm die Tränen herunter, Freudentränen!

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Kommentare

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Autumn 17.12.2023 15:29
Das Lied in dieser Erzählung „Warum sollt ich mich denn grämen?“ ist von Paul Gerhard.
Es lohnt sich das Lied ganz zu lesen, da es einen guten Umgang mit Leid und unsere Verbundenheit mit Jesus vermittelt.
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1) Warum sollt ich mich denn grämen?
Hab ich doch
Christum noch,
wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
den mir schon
Gottes Sohn
beigelegt im Glauben?

2) Nackend lag ich auf dem Boden,
da ich kam,
da ich nahm
meinen ersten Odem.
Nackend werd ich auch hinziehen,
wenn ich werd
von der Erd
als ein Schatten fliehen.

3) Gut und Blut, Leib, Seel und Leben
ist nicht mein;
Gott allein
ist es, ders gegeben.
Will ers wieder zu sich kehren,
nehm ers hin,
ich will ihn
dennoch fröhlich ehren.

4) Schickt er mir ein Kreuz zu tragen,
dringt herein
Angst und Pein,
sollt ich drum verzagen?
Der es schickt, der wird es wenden;
er weiß wohl,
wie er soll
all mein Unglück enden.

5) Gott hat mich bei guten Tagen
oft ergötzt,
sollt ich jetzt
nicht auch etwas tragen?
Fromm ist Gott und schärft mit Maßen
sein Gericht,
kann mich nicht
ganz und gar verlassen.

6) Satan, Welt und ihre Rotten
können mir
nichts mehr hier
tun, als meiner spotten.
Lass sie spotten, lass sie lachen!
Gott, mein Heil,
wird in Eil
sie zuschanden machen.

7) Unverzagt und ohne Grauen
soll ein Christ,
wo er ist,
stets sich lassen schauen.
Wollt ihn auch der Tod aufreiben,
soll der Mut
dennoch gut
und fein stille bleiben.

8) Kann uns doch kein Tod nicht töten,
sondern reißt
unsern Geist
aus viel tausend Nöten,
schließt das Tor der bittern Leiden
und macht Bahn,
da man kann
gehn zu Himmelsfreuden.

9) Allda will in süßen Schätzen
ich mein Herz
auf den Schmerz
ewiglich ergötzen.
Hier ist kein recht Gut zu finden;
was die Welt
in sich hält,
muss im Nu verschwinden.

10) Was sind dieses Lebens Güter?
Eine Hand
voller Sand,
Kummer der Gemüter.
Dort, dort sind die edlen Gaben,
da mein Hirt
Christus wird
mich ohn Ende laben.

11) Herr, mein Hirt, Brunn aller Freuden,
du bist mein,
ich bin dein,
niemand kann uns scheiden.
Ich bin dein, weil du dein Leben
und dein Blut
mir zugut
in den Tod gegeben.

12) Du bist mein, weil ich dich fasse
und dich nicht,
o mein Licht,
aus den Augen lasse.
Lass mich, lass mich hingelangen,
da du mich
und ich dich
ewig werd umfangen.
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Die Gewissheit, durch Christus bei Gott über den Tod hinaus angenommen zu sein, gibt die Kraft, in den Nöten des irdischen Lebens zu bestehen.
 
Nordlady 17.12.2023 15:49
Autumn: Sehr schöne Weihnachtsgeschichte, die uns zeigt, worauf es Weihnachten wirklich ankommt. Danke.😊😊
 
(Nutzer gelöscht) 17.12.2023 17:28
Ach Autumn, wie schön den Text wieder mal zu lesen; das Lied wird so selten gesungen
P. G. schätze ich sehr; hat er doch in Zeiten des schrecklichen 30 jährigen Krieges gelebt und sein Gottvertrauen nie verloren.Alles ist in Gottes Hand und das gibt auch mir täglich neue Kraft und Mut auch bei Schwerem.
 
Autumn 17.12.2023 18:02
Danke Nordlady und Luise für euer nettes Feedback.

Das Lied kannte ich noch gar nicht.

Wie schön, dass dieser niedergeschlagene junge Mann in der Geschichte durch das Gottvertrauen, die Kraft und Liebe seiner Mutter und Schwestern wieder aufgerichtet und neu ausgerichtet werden durfte.
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