weiße TaubeChrist sucht Christ Logo ohne Taube

Josef, seine starke Frau und sein großer Sohn

Josef, seine starke Frau und sein großer Sohn
Eine Weihnachtsgeschichte von Wolfgang Steinseifer  /  Life Channel 







Josef – leben im Schatten einer starken Frau und eines großen Sohnes 


Nein, so hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt. Nicht, dass ich unzufrieden wäre – aber es ist eben alles anders gekommen, als ich mir das als Junge erträumt habe. Doch ich will am Anfang beginnen … 

Ich heiße Josef. Geboren bin ich in Bethlehem.
Meine Eltern waren stolz darauf, ihren Stammbaum zu unserem großen König David zurückverfolgen zu können. Sie ließen mich einen guten Beruf lernen, und so wurde ich Bauhandwerker. Das Leben in der Nähe der Hauptstadt Jerusalem war allerdings kein reines Vergnügen. Wir waren ein von den Römern besetztes Land, und die Herren aus dem fernen Westen ließen uns spüren, wer das Sagen hatte. Wie den letzten Dreck behandelten sie uns. Kein Wunder, dass es immer wieder Aufstände gab, die allerdings alle blutig niedergeschlagen wurden. Als sich die Gelegenheit ergab, zog ich, wie so viele meiner Handwerkerkollegen aus Bethlehem, in die Provinz, um dort meinen Beruf auszuüben. Ich landete in Nazareth, einem Nest in Galiläa. 

Dort lernte ich Maria kennen, ein junges Mädchen aus gutem Hause. Sie machte mir mächtig Eindruck. Sie war noch blutjung, aber eine starke Persönlichkeit und im besten Sinne des Wortes fromm. Sie strahlte eine Liebe und Güte aus, wie sie nur eine enge Beziehung zu Gott schenken kann. Es war meine glücklichste Stunde, als ihre Eltern sie mir als Frau versprachen. Wir waren also verlobt. Ich arbeitete mit neuem Schwung, um uns beiden ein sicheres Nest zu bauen. Doch dann geschahen Dinge, die meine heile Welt zusammenkrachen ließen und mich schier um den Verstand brachten.

Eines Tages verschwand meine Verlobte von heute auf morgen. Sie sei bei Verwandten, hieß es. Drei Monate lang bekam ich sie nicht zu Gesicht. Dann kommt sie zurück – und ist schwanger. Schwanger!! Von wem? Eines weiß 
ich hundertprozentig: von mir nicht! Also hat sie mich betrogen. Wer ist der Vater? Maria faselt etwas von Gott … Na klar, irgendwie steckt Gott hinter jeder Schwangerschaft und Geburt.  
Aber da muss ja wohl auch noch irgendein allzu menschlicher Erzeuger …

Ich war am Boden zerstört. Enttäuscht, verwirrt, ratlos. Und dabei liebte ich meine Maria immer noch. Ach, Maria, was soll ich nur machen?!?  
Ich hätte Maria verklagen können, schließlich war sie als meine Verlobte rein juristisch gesehen so was wie mein Eigentum. Eine Anzeige, ein kurzer Prozess, dann hätte man sie als Ehebrecherin gesteinigt. Ich hätte die Verlobung auflösen können – dann wäre Maria als ledige Mutter lebenslänglich gezeichnet gewesen. «Du Hure!», hätte man ihr hinterhergerufen. 

Nein, das konnte ich ihr nicht antun, trotz allem. Ich liebte sie doch! Immer noch! Ich entschloss mich, sie heimlich zu verlassen. Damit wäre ich für die Leute in Nazareth der Schuft gewesen. «Hätten wir diesem Josef gar nicht  
zugetraut! So ein Schwein! Erst macht er dem armen Mädchen einen dicken Bauch, und dann verduftet er bei Nacht und Nebel. Das arme Ding!»

Ich hatte schon meine Sachen gepackt – da passiert schon wieder etwas Unglaubliches: Mitten in der Nacht spricht Gott zu mir. Und er macht mir unmissverständlich klar, dass Maria mir die Wahrheit gesagt hat und dass ich sie nicht verlassen, sondern heiraten soll. Fragen Sie mich nicht, woher ich weiß, dass es Gott war, der da zu mir redete. Ich weiss es einfach,  
und ich bin ein bodenständiger Handwerker und kein Träumer. Ich begreife bis heute nicht, was da mit Maria geschehen ist. Aber ich vertraue darauf, dass Gott mich nicht belogen hat. 

Kurz und gut – ich heirate meine schwangere Verlobte, und es stört mich nicht – nun ja, fast nicht –, dass hinter unserem Rücken getuschelt  
wird: «Na, die haben wohl auch nicht warten können!» Hauptsache, das Kind hat einen Vater und damit sogar hochoffiziell einen Stammbaum, der bis zu David reicht. 

Nun warten wir auf die Geburt unseres Kindes, da gerät unsere häusliche Idylle erneut aus den Fugen. Der «Erleuchtete» in Rom will die Steuerschraube anziehen und gibt die Order aus, jeder Untertan habe sich in eine Steuerliste einzutragen. Und zwar an seinem Geburtsort. Es gibt ein Riesengemotze im ganzen Land, aber schließlich ist die halbe Welt unterwegs, darunter ich selbst in Begleitung meiner hochschwangeren Maria. Es bricht mir fast das Herz, ihr die weite und beschwerliche Reise von Nazareth ganz im Norden nach Bethlehem in Judäa zuzumuten.

Und dann ein weiterer Tiefschlag – wir kommen in Bethlehem an und finden keine Unterkunft. Alles überlaufen! Es lebe der Kaiser in Rom mit seinen Schnapsideen! Wir hatten uns darauf verlassen, bei Verwandten unterzukommen. Aber die sind schon alle bis unters Dach ausgebucht. 

Ausgerechnet jetzt setzen die Wehen ein … Ich glaube, so geschwitzt habe ich noch nie im Leben, von meiner armen Maria ganz zu schweigen. 

Gott sei Dank bietet man uns in irgendeinem Haus noch einen Platz bei den Haustieren an! Wenigstens kann Maria dort ohne neugierige Zuschauer ihr – unser – Kind zur Welt bringen.  
Ein Junge! Wir nennen ihn Jesus. Der Futtertrog wird mit Stroh ausgelegt und zum Kinderbett umfunktioniert.

Kaum ist nach der Geburt Ruhe eingekehrt, ein Riesengejohle und Gepoltere! Ich muss gestehen, zuerst hab ich einen Riesenschrecken  
bekommen, als da plötzlich so ein paar wilde Gestalten – Schafhirten – bei uns auftauchten und sich um unseren Kleinen drängten. Aber als sie dann erzählten, was sie auf dem Feld erlebt hatten und dass Engel ihnen gesagt hätten, hier bei uns in der Futterkrippe würden sie den «Heiland» vorfinden, den Retter der Welt – da passten auf einmal für mich einige Puzzleteile zusammen, und ich fing an zu begreifen, dass ich mit meiner Familie Teil eines großen göttlichen Plans war.

Wir blieben dann noch eine Weile in Bethlehem und bekamen noch mehr Besuch, hohen Besuch von vornehmen Leuten, deren Sprache  
ich nicht verstand. Auch sie waren durch göttliche Zeichen zu uns – nein, zu unserem Sohn – geleitet worden. Leider lenken sie die Aufmerksamkeit unseres judäischen Königs Herodes – «Marionettenkönig von Roms Gnaden» nannten wir ihn immer – auf unseren Sohn. 

In seiner Paranoia hält er ihn für eine Gefahr für seine Herrschaft und bereitet eine blutige «Säuberung» vor. 
Wieder spricht Gott direkt zu mir. Bei Nacht und Nebel fliehen wir nach Ägypten und beantragen Asyl. Glücklicherweise hat man dort ein liberales Asylgesetz. Nicht auszudenken, was mit uns und unserem Sohn passiert wäre, wenn man uns in unser Ursprungsland ausgeschafft hätte! Erst als wir erfahren, dass Herodes gestorben ist, kehren wir in die Heimat zurück – 
nicht nach Bethlehem, sondern nach Nazareth, wo ich wieder meinem Beruf nachgehe.



Ja, und damit ist meine Geschichte schon erzählt. Ich arbeite in meinem Handwerksbetrieb und ernähre meine wachsende Familie. Meine Frau Maria kommt später ganz groß heraus.  
Ich mag‘s ihr gönnen. Sie ist wirklich eine ganz außergewöhnliche Frau, und ich liebe sie wie am ersten Tag.
Mein Sohn Jesus arbeitet zuerst im meinem Betrieb mit. Dann, mit etwa dreißig Jahren, zieht es ihn hinaus. Er ist ein begnadeter Prediger und schart die Menschen um sich. Ich begreife ihn nie ganz. In vielem bleibt er mir ein Rätsel.
Ich selbst bin ein Mann, von dem man immer nur als «Mann von» und «Vater von» spricht. Ein Leben lang stehe ich im Schatten meiner starken Frau und meines alles überragenden Sohnes. Aber ich bin zufrieden. Wenn das die Rolle ist, die Gott mir zugeteilt hat, will ich sie gerne spielen …


----------

Kommentare

 
Autumn 10.12.2023 13:18
Ich finde, die Geschichte eignet sich auch gut zum Vorlesen 
in der Familie oder bei einer Advents- bzw. Weihnachtsfeier.
 
(Nutzer gelöscht) 10.12.2023 13:52
Josef ist nicht unwichtig, er ist der Patron der Arbeiter und der Sterbenden. 
 
sigrid61 10.12.2023 13:56
Wenn man die Beiden im Hintergrund ihrer Zeit sieht, kann ich auch nur sagen, total starke Menschen.
 
Autumn 10.12.2023 14:11
Sigrid, so sehe ich es auch.
Was Josef betrifft:
Seine Zurückhaltung, Bescheidenheit und Demut machte ihn hier zu einer ganz starken, wichtigen Persönlichkeit.

Ein selbstgerechter Hitzkopf hätte nicht gepasst.
 
Herbstprince 10.12.2023 14:16
Zwar konnte Josef nicht alles begreifen, aber auch er hatte die Offenbarung mit dem Engel, der ihm sagte,“ was in ihr gezeugt ist, ist vom Heiligen Geiste.“Matth. 1,20
weiße TaubeJetzt kostenlos registrieren