REIHE: STIMMEN AUS DEM HEILIGEN LAND IM ADVENT

REIHE: STIMMEN AUS DEM HEILIGEN LAND IM ADVENT
Was es heißt, wenn Weihnachten (fast) abgesagt wird


JERUSALEM ‐ Sally Azar ist Pfarrerin der evangelischen Gemeinde in Jerusalem. In ihrem Gastbeitrag aus dem Heiligen Land im Krieg wirft sie einen Blick auf eine scheinbar wenig festliche Adventszeit – und eine Botschaft sowie eine Herausforderung, die in diesem besonderen Advent zu finden sind.


In diesem Jahr ist Weihnachten nicht wie gewohnt. Der Krieg, der auch unser Land heimsucht, hat den festlichen Geist aus unseren Herzen verbannt. Viele von uns haben geliebte Menschen in Gaza, seien es Familie oder Freunde, die entweder dort leben oder durch die grausamen Auswirkungen des Krieges ihr Leben verloren haben. Unter solchen Umständen ist die Vorstellung, zu feiern, nicht nur schwer vorstellbar, sondern auch emotional kaum zu ertragen. Unsere Herzen sind schwer, und die Gedanken an diejenigen, die inmitten des Konflikts leiden, machen es schwierig, Freude zu empfinden. Deswegen haben auch die Patriarchen und Bischöfe offiziell anerkannt, dass dieses Jahr keine weihnachtlichen Festlichkeiten gibt, also nur Gottesdienste und Andachten. Die festlichen Lichter erscheinen gedämpft und die Klänge der Weihnachtsmusik verhallen in der Stille des Leids.

Es ist eine Ironie: Der Ort, an dem Jesus geboren wurde und Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Hoffnung und viel mehr mit sich bringt ist gerade der Ort, wo das alles gerade nicht da ist und Krieg herrscht. Der Krieg, den wir überall im Lande spüren, trägt viele Herausforderungen mit sich.

Inmitten der Herausforderungen dieses Jahres im Heiligen Land lenkt uns eine biblische Stelle auf die tieferen Wahrheiten von Weihnachten. In Lukas 2,10-11 heißt es: "Und der Engel sprach zu ihnen: 'Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.'"

Wahre Freude hängt nicht von äußeren Umständen ab

Diese Worte des Engels an die Hirten erinnern uns daran, dass die wahre Freude von Weihnachten nicht von äußeren Umständen abhängt. Auch wenn wir in diesem Jahr auf festliche Feierlichkeiten verzichten müssen, verkündet uns die biblische Botschaft, dass die Geburt Christi eine Quelle der Freude ist, die unabhängig von den äußeren Bedingungen strahlt.

Die Hirten, einfache Menschen, wurden inmitten ihrer alltäglichen Aufgaben von der himmlischen Botschaft überrascht. Ähnlich mögen auch wir, inmitten unserer Herausforderungen, von der Weihnachtsbotschaft überrascht werden. Es ist eine Einladung, Freude zu finden, nicht nur in äußeren Festlichkeiten, sondern im inneren Erleben des Geschenks der Liebe Gottes.


Bild: ©KNA/Andrea Krogmann
"Der Ort, an dem Jesus geboren wurde und Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Hoffnung und viel mehr mit sich bringt ist gerade der Ort, wo das alles gerade nicht da ist und Krieg herrscht", schreibe Sally Azar.

Die biblische Stelle lehrt uns auch, dass der Heiland in einer bescheidenen Umgebung geboren wurde. Die Einfachheit des Krippenstalls erinnert uns daran, dass die göttliche Liebe in den unscheinbarsten Momenten unseres Lebens gegenwärtig ist. In unserer gegenwärtigen Realität des Krieges und der Unsicherheit wird Weihnachten zu einer Erinnerung daran, dass die Gegenwart Gottes selbst in den schwierigsten Situationen leuchtet.

Im Gebet Frieden und Hoffnung erfahren

Trotz der Absage der festlichen Feiern und der Unsicherheiten dieses Jahres können wir in den Gottesdiensten, im Gebet und in unserer gemeinsamen spirituellen Reise die Botschaft von Frieden und Hoffnung erfahren. Die Freude der Hirten wird auch unsere Freude sein, wenn wir uns bewusst sind, dass die Geburt Christi uns zu einem tieferen Verständnis der Liebe Gottes aufruft.

Inmitten des Krieges im Heiligen Land erleben wir in diesem Jahr ein Weihnachten, das anders ist als alle zuvor. Keine festlichen Feiern im herkömmlichen Sinne, keine fröhlichen Zusammenkünfte. Das ist auch nicht das erste Mal, dass wir sowas erleben. Viele kennen das und erinnern sich an diesen Zeiten von damals im Krieg. Ein paar vergleichen die Situation in Corona-Zeiten. Als Pfarrerin finde auch ich es schwer, die passenden Worte für meine Gemeinde zu finden, wenn wir so viel Ungerechtigkeit in unserem Leben erleben.


Die traditionellen festlichen Feierlichkeiten sind dieses Jahr nicht möglich und dennoch finden Gottesdienste weiterhin statt. In diesen Momenten der Anbetung erkennen wir, dass die wahre Bedeutung von Weihnachten nicht in äußeren Festlichkeiten liegt, sondern in der inneren Erfahrung der Geburt Christi in unseren Herzen. Gerade in diesem Jahr, das von Schmerz und Unsicherheit geprägt ist, wird Weihnachten zu einer Einladung, den Kern unserer Hoffnung und Freude zu entdecken.

In der Stille des Gebets und der Anbetung können wir uns mit dem tieferen Sinn von Weihnachten verbinden und die Gegenwart Gottes inmitten unserer Herausforderungen erfahren.

Lasst uns in dieser ungewöhnlichen Zeit des Verzichts die wahre Bedeutung von Weihnachten erkennen – die Geburt eines Retters, der Licht in die Dunkelheit bringt. Möge dieses Weihnachten uns dazu ermutigen, unsere Herzen zu öffnen, Liebe und Mitgefühl zu teilen und als lebendige Zeugen der Botschaft von Frieden, Gerechtigkeit und Hoffnung zu wirken.

Von Sally Azar

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