Der "entwaffnende" Jesus
17.11.2023 17:56
Der "entwaffnende" Jesus
17.11.2023 17:56
Der "entwaffnende" Jesus
Ein sehr schöner Impuls von ERF/Markus Baum vom 06.03.2023
Ein Beitrag zum Thema Waffen, Aufrüstung/Abrüstung, Pazifismus
Jesus und der Pazifismus
Gewaltfrei und friedfertig und trotzdem wehrhaft – geht das?
„Die Waffen nieder!“ – Bertha von Suttners gleichnamiger Roman, 1889 erschienen, hallt seitdem in Abständen wider in der Welt- und Geistesgeschichte. Auch in der kriegerischen Gegenwart des Jahres 2023.
Viele Menschen sind die bedrückenden, verstörenden Nachrichten aus der Ukraine, aus dem Jemen, aus Tigray leid. Und viele Menschen flüchten sich in die Illusion, es müssten doch nur alle Kriegsparteien augenblicklich die Waffen aus der Hand legen, dann wäre alles gut – oder zumindest besser, als es aktuell ist.
Viele andere Menschen erklären jede Art von Pazifismus für naiv, für hirnrissig, für weltfremd, und entsprechende Konzepte erklären sie für gescheitert. Wieviel Häme, wieviel Zorn haben in den vergangenen Monaten Menschen abbekommen, die auch nur leise Zweifel an der Alternativlosigkeit von Waffenlieferungen angemeldet haben und den Sinn massiver Aufrüstung in Frage stellen?
Wer kann Jesus für sich in Anspruch nehmen?
Auf der einen wie auf der anderen Seite berufen sich Menschen auf Jesus und belegen ihre jeweilige Haltung mit Aussagen und Lehren des Mannes aus Nazareth.
Die einen halten es für ethisch geboten, den Opfern von Aggression und Unterdrückung beizustehen, reden von Schutzpflicht und schließen auch den Einsatz und die Bereitstellung militärischer Mittel nicht aus. Die anderen halten es ebenso für ihre Verpflichtung, den Opfern nach Kräften beizustehen, sehen sich aber durch ihr Gewissen gebunden: sie können keine Hand reichen zum Einsatz von militärischer Gewalt.
Weder den einen noch den anderen darf man unterstellen, sie würden es sich leicht machen.
Jesus – kein Friedensapostel, sondern der Friedefürst
Wie hat Jesus sich selbst zu Waffen, zu Gewalt, zu Drohgebärden gestellt? Jesus wird in der Christenheit nicht als Friedensapostel, sondern als Friedefürst verehrt. Jesus steht nicht für den Pazifismus der Wagenknechte, auch nicht für Appeasementpolitik gegenüber gewalttätigen Potentaten.
Genauso wenig kann man Jesus in Anspruch nehmen für das Segnen der Waffen, für die Rechtfertigung kleiner und großer Feldzüge oder für die Rüstungspolitik. Der Mann aus Nazareth steht für einen ganz anderen Umgang mit Gewalt und mit Konflikten.
Wenn einzelne seiner Zeitgenossen von Jesus erwartet haben, dass er die römische Besatzung in Frage stellt und womöglich einen Aufstand gegen die Römer in Szene setzt, dann hat er sie enttäuscht. Einzelne Menschen in der Umgebung von Jesus haben zumindest phasenweise geliebäugelt mit gewaltsamen Aktionen gegen die Besatzungsmacht. Aber bei Jesus haben sie etwas anderes gelernt.
Der galiläische Rabbi hat allen, die es hören wollten, etwas über Feindesliebe erzählt und über den entwaffnenden Umgang mit Menschen, die andere beleidigen oder nötigen. Jesus ist dabei ganz entschieden bei der Wahrheit geblieben. Im Kreis seiner Anhängerinnen und Anhänger hat Jesus die Losung „Nicht herrschen, sondern dienen“ ausgegeben. Und hat sich selbst an das gehalten, was er andere gelehrt hat.
Klug und aufrichtig streiten
Jesus war nicht streitsüchtig, hat es nicht auf Auseinandersetzungen angelegt, ist mehr als einmal einer Konfrontation ausgewichen. Andererseits hat er sich seinen Gegnern auch immer wieder gestellt – und hat sie in Streitgesprächen seinerseits aufgefordert, sich zu erklären. Seine Empfehlung „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ war auch für ihn selbst handlungsleitend.
Jesus hat sich nicht zur Unzeit selbst in Gefahr gebracht, vor allem hat er seine Weggefährten geschützt und gebremst, wenn sie mal wieder allzu voreilig oder zu forsch agieren wollten. Indem Jesus unbedingt für die Wahrheit eingetreten ist, hat er Konflikte aber auch nicht immer beruhigt. Denn mit dem Bösen, mit dem Unwahren und Zwielichtigen ist kein Kompromiss möglich.
Jesus hatte Feinde, und nicht zu knapp. Jesus hat nicht nur geboten, die Feinde zu lieben – er hat es tatsächlich getan. Er hat für seine Verfolger um Vergebung gebetet. Er hat nicht gedroht, als er litt. Er hat niemanden beleidigt, als er selbst geschmäht wurde (1. Petrus 2,23).
Er hat seine Peiniger nicht verflucht. Jeder und jede hätte Verständnis dafür gehabt, wenn er es getan hätte. Er hatte allen Grund dazu. Aber nein: er hat für seine Feinde gebetet. Einen Feind allerdings hat auch Jesus nicht geliebt, sondern energisch bekämpft, nämlich das Böse.
Keine Kompromisse mit dem Bösen
Sein Gebot der Feindesliebe kann man so lesen: Liebt eure Feinde. Seid deutlich und unerbittlich gegenüber dem Bösen, gegenüber dem Unrecht, gegenüber dem Halbwahren und Falschen. Erduldet das Böse, wenn es ausschließlich euch trifft. Hindert und bekämpft das Böse, wenn es andere zu treffen droht („Lasst diese gehen!“ – Johannes 18, 8).
Liebt die Menschen, die Böses tun, die Unrecht begehen, die Halbwahrheiten verbreiten, die Falsches tun und falsch sind. Was nicht heißt, dass ihr sie einfach gewähren lassen müsst. Auch geliebten Menschen muss man in den Arm fallen, wenn sie andern und sich selbst Schaden zufügen. – Als seine Feinde ihn vorgeführt haben, hat Jesus teils geschwiegen, teils hat er Kontra gegeben. Einen der Kriegsknechte, die ihn peinigten, stellte er zur Rede („Warum schlägst du mich?“ – Johannes 18, 23). Hat ihm damit eine Chance gegeben, zur Besinnung zu kommen.
Pazifismus, Jesus-Style
Der Pazifismus, den Jesus praktiziert hat, ist aktiv und kraftvoll und geprägt von Zeichenhandlungen. Steht quer zur menschlichen Logik von Drohung und Vergeltung. Und stellt jedes noch so durchdachte politische Konzept in Frage.
Sein Beispiel, sein Vorbild zwingt auch in der kriegerischen Gegenwart unserer Tage zum Innehalten und dazu, dass sich Menschen Rechenschaft geben – auch über ihre Beweggründe, ihren Zorn, ihre Ohnmachtsgefühle. Und der Friede, den Jesus stiftet, ist nicht einfach nur ein politischer Interessenausgleich. Sondern reicht tiefer.
Dieser Friede ist allen Menschen zu wünschen – wie auch immer sie sich positionieren.
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Ein Beitrag zum Thema Waffen, Aufrüstung/Abrüstung, Pazifismus
Jesus und der Pazifismus
Gewaltfrei und friedfertig und trotzdem wehrhaft – geht das?
„Die Waffen nieder!“ – Bertha von Suttners gleichnamiger Roman, 1889 erschienen, hallt seitdem in Abständen wider in der Welt- und Geistesgeschichte. Auch in der kriegerischen Gegenwart des Jahres 2023.
Viele Menschen sind die bedrückenden, verstörenden Nachrichten aus der Ukraine, aus dem Jemen, aus Tigray leid. Und viele Menschen flüchten sich in die Illusion, es müssten doch nur alle Kriegsparteien augenblicklich die Waffen aus der Hand legen, dann wäre alles gut – oder zumindest besser, als es aktuell ist.
Viele andere Menschen erklären jede Art von Pazifismus für naiv, für hirnrissig, für weltfremd, und entsprechende Konzepte erklären sie für gescheitert. Wieviel Häme, wieviel Zorn haben in den vergangenen Monaten Menschen abbekommen, die auch nur leise Zweifel an der Alternativlosigkeit von Waffenlieferungen angemeldet haben und den Sinn massiver Aufrüstung in Frage stellen?
Wer kann Jesus für sich in Anspruch nehmen?
Auf der einen wie auf der anderen Seite berufen sich Menschen auf Jesus und belegen ihre jeweilige Haltung mit Aussagen und Lehren des Mannes aus Nazareth.
Die einen halten es für ethisch geboten, den Opfern von Aggression und Unterdrückung beizustehen, reden von Schutzpflicht und schließen auch den Einsatz und die Bereitstellung militärischer Mittel nicht aus. Die anderen halten es ebenso für ihre Verpflichtung, den Opfern nach Kräften beizustehen, sehen sich aber durch ihr Gewissen gebunden: sie können keine Hand reichen zum Einsatz von militärischer Gewalt.
Weder den einen noch den anderen darf man unterstellen, sie würden es sich leicht machen.
Jesus – kein Friedensapostel, sondern der Friedefürst
Wie hat Jesus sich selbst zu Waffen, zu Gewalt, zu Drohgebärden gestellt? Jesus wird in der Christenheit nicht als Friedensapostel, sondern als Friedefürst verehrt. Jesus steht nicht für den Pazifismus der Wagenknechte, auch nicht für Appeasementpolitik gegenüber gewalttätigen Potentaten.
Genauso wenig kann man Jesus in Anspruch nehmen für das Segnen der Waffen, für die Rechtfertigung kleiner und großer Feldzüge oder für die Rüstungspolitik. Der Mann aus Nazareth steht für einen ganz anderen Umgang mit Gewalt und mit Konflikten.
Wenn einzelne seiner Zeitgenossen von Jesus erwartet haben, dass er die römische Besatzung in Frage stellt und womöglich einen Aufstand gegen die Römer in Szene setzt, dann hat er sie enttäuscht. Einzelne Menschen in der Umgebung von Jesus haben zumindest phasenweise geliebäugelt mit gewaltsamen Aktionen gegen die Besatzungsmacht. Aber bei Jesus haben sie etwas anderes gelernt.
Der galiläische Rabbi hat allen, die es hören wollten, etwas über Feindesliebe erzählt und über den entwaffnenden Umgang mit Menschen, die andere beleidigen oder nötigen. Jesus ist dabei ganz entschieden bei der Wahrheit geblieben. Im Kreis seiner Anhängerinnen und Anhänger hat Jesus die Losung „Nicht herrschen, sondern dienen“ ausgegeben. Und hat sich selbst an das gehalten, was er andere gelehrt hat.
Klug und aufrichtig streiten
Jesus war nicht streitsüchtig, hat es nicht auf Auseinandersetzungen angelegt, ist mehr als einmal einer Konfrontation ausgewichen. Andererseits hat er sich seinen Gegnern auch immer wieder gestellt – und hat sie in Streitgesprächen seinerseits aufgefordert, sich zu erklären. Seine Empfehlung „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben“ war auch für ihn selbst handlungsleitend.
Jesus hat sich nicht zur Unzeit selbst in Gefahr gebracht, vor allem hat er seine Weggefährten geschützt und gebremst, wenn sie mal wieder allzu voreilig oder zu forsch agieren wollten. Indem Jesus unbedingt für die Wahrheit eingetreten ist, hat er Konflikte aber auch nicht immer beruhigt. Denn mit dem Bösen, mit dem Unwahren und Zwielichtigen ist kein Kompromiss möglich.
Jesus hatte Feinde, und nicht zu knapp. Jesus hat nicht nur geboten, die Feinde zu lieben – er hat es tatsächlich getan. Er hat für seine Verfolger um Vergebung gebetet. Er hat nicht gedroht, als er litt. Er hat niemanden beleidigt, als er selbst geschmäht wurde (1. Petrus 2,23).
Er hat seine Peiniger nicht verflucht. Jeder und jede hätte Verständnis dafür gehabt, wenn er es getan hätte. Er hatte allen Grund dazu. Aber nein: er hat für seine Feinde gebetet. Einen Feind allerdings hat auch Jesus nicht geliebt, sondern energisch bekämpft, nämlich das Böse.
Keine Kompromisse mit dem Bösen
Sein Gebot der Feindesliebe kann man so lesen: Liebt eure Feinde. Seid deutlich und unerbittlich gegenüber dem Bösen, gegenüber dem Unrecht, gegenüber dem Halbwahren und Falschen. Erduldet das Böse, wenn es ausschließlich euch trifft. Hindert und bekämpft das Böse, wenn es andere zu treffen droht („Lasst diese gehen!“ – Johannes 18, 8).
Liebt die Menschen, die Böses tun, die Unrecht begehen, die Halbwahrheiten verbreiten, die Falsches tun und falsch sind. Was nicht heißt, dass ihr sie einfach gewähren lassen müsst. Auch geliebten Menschen muss man in den Arm fallen, wenn sie andern und sich selbst Schaden zufügen. – Als seine Feinde ihn vorgeführt haben, hat Jesus teils geschwiegen, teils hat er Kontra gegeben. Einen der Kriegsknechte, die ihn peinigten, stellte er zur Rede („Warum schlägst du mich?“ – Johannes 18, 23). Hat ihm damit eine Chance gegeben, zur Besinnung zu kommen.
Pazifismus, Jesus-Style
Der Pazifismus, den Jesus praktiziert hat, ist aktiv und kraftvoll und geprägt von Zeichenhandlungen. Steht quer zur menschlichen Logik von Drohung und Vergeltung. Und stellt jedes noch so durchdachte politische Konzept in Frage.
Sein Beispiel, sein Vorbild zwingt auch in der kriegerischen Gegenwart unserer Tage zum Innehalten und dazu, dass sich Menschen Rechenschaft geben – auch über ihre Beweggründe, ihren Zorn, ihre Ohnmachtsgefühle. Und der Friede, den Jesus stiftet, ist nicht einfach nur ein politischer Interessenausgleich. Sondern reicht tiefer.
Dieser Friede ist allen Menschen zu wünschen – wie auch immer sie sich positionieren.
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