Ein protestantischer Pfarrer in Rom
06.11.2023 07:01
Ein protestantischer Pfarrer in Rom
06.11.2023 07:01
Ein protestantischer Pfarrer in Rom
GEISTLICHER LEITET DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE GEMEINDE
ROM ‐ Michael Jonas ist seit fünf Jahren Pfarrer der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom – fast in direkter Nachbarschaft zum Vatikan. Er erzählt von Fremdheit, Vertrauen und Gottesdiensten wie Familientreffen.
Es sind die Außenseiter, die hier begraben sind: "Cimitero acattolico" (nicht-katholischer Friedhof) heißt die Begräbnisstätte in Rom, früher wurde sie "protestantischer Friedhof" genannt. Der englische Dichter John Keats, Goethes Sohn August oder der italienische Politiker Antonio Gramsci haben inmitten von Pinien und Zypressen ihre letzte Ruhe gefunden – sie alle eint: Sie sind nicht katholisch. Die ersten Beerdigungen fanden Anfang des 18. Jahrhunderts noch außerhalb der Stadtmauern statt. "Der Friedhof zeigt auch so ein bisschen die Fremdheit der Protestanten in Rom", sagt Michael Jonas, der an diesem sonnigen Herbsttag auf den "Cimitero acattolico" gekommen ist. Er ist Mitglied im Vorstand des nicht-katholischen Friedhofes. Aber vor allem ist er seit fünf Jahren der Pfarrer einer ganz besonderen Gemeinde.
Quasi am anderen Ende der Stadt steht deren Kirche, die evangelisch-lutherische Christuskirche. Sie sei ein "freundlicher Begegnungsort für Gläubige aller Konfessionen; ein Raum, wo die Liebe regiert", hatte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, zur Feier des 100-jährigen Bestehens der Kirche im vergangenen Sommer gesagt. Mehrere Päpste haben die Kirche bereits besucht. 2018 wurde Michael Jonas, zuletzt Pfarrer in Schramberg im Schwarzwald, von der EKD nach Rom entsandt. Nachdem er, das ist ihm wichtig, aus drei vorgeschlagenen Kandidaten von der Gemeinde gewählt worden war.
Doppelte Diaspora
Eine protestantische und noch dazu deutschsprachige Gemeinde – mit diesen beiden Merkmalen lebt man in Rom, dem Herrschaftszentrum der katholischen Kirche, quasi in der doppelten Diaspora. "Aber genau das macht es spannend und interessant", sagt Jonas. Seine Gemeinde hat etwa 500 Mitglieder, die meisten leben in Rom, zum Einzugsgebiet zählen aber die gesamte Region Lazio, plus Umbrien und Sardinien.
Viele Kirchgänger sind nicht lange in Rom. Sie kommen – wie Jonas auch – wegen der Arbeit, werden entsandt, bleiben vielleicht zwei oder drei Jahre. "Man muss es schaffen, schnell Beziehungen aufzubauen und darf andererseits nicht gekränkt sein, wenn diese nach kurzer Zeit wieder enden", erzählt der 47-Jährige. Jonas ist sich der Gratwanderung bewusst: "Ich muss es kommunikativ irgendwie schaffen, einladend zu sein, ohne die Leute zu bedrängen."
Bild: ©KNA (Archivbild)
Die Christuskirche in Rom ist die Kirche der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde in der italienischen Hauptstadt.
Aber: "Das Kleinsein hat auch eine starke bindende Wirkung", sagt Jonas. Eine kleine Gemeinde in einer Millionenstadt zu sein, sei sehr stabilisierend. Die dauerhaft in Rom lebenden Gläubigen binde das sehr an die Gemeinde. Die sonntäglichen Gottesdienste gleichen oft einem Familientreffen. Jonas begrüßt jeden am Eingang persönlich – und hinterher lädt er zu einem kleinen Umtrunk mit Wasser und Wein in den idyllischen Kirchengarten ein. Im Sommer wird dort alle zwei Wochen abends der Grill angeworfen. "Die Menschen sollen sich bei uns wohlfühlen", sagt Pfarrer Jonas. Niemand muss das Gefühl haben: Wer einmal mitfeiert, muss gleich unterschreiben und Mitglied werden. "Dafür bin ich nicht der Typ. Ich finde es schwierig, wenn man als Pfarrer die Leute sofort zwangsverpflichtet."
Die Aufgabe des deutschen Pfarrers in Rom ist es nicht nur, seine Gemeinde zusammenzuhalten. Er repräsentiert die evangelisch-lutherische Kirche auch nach außen. Neben der anderen lutherischen Gemeinde, der schwedischen, sind die Waldenser Gemeinde, die methodistischen und baptistischen Kirchen und die italienischen Protestanten im Dachverband der evangelischen Kirchen in Rom zusammengeschlossen. Auch mit den vielen Ordensgemeinschaften, die in der Stadt angesiedelt sind, hat Jonas beruflich zu tun – und natürlich mit dem Vatikan.
Lebendige Gemeinschaft trotz geringer Ressourcen
Vor allem zum Dikasterium für die Einheit der Christen mit Kardinal Koch an der Spitze bestehe eine regelmäßige und vertrauensvolle Beziehung, "und letztlich auch zu Papst Franziskus", erzählt Jonas. Schön sei in Rom die Zusammenarbeit mit den benachbarten katholischen Gemeinden. "Zum Beispiel hatten wir letztens eine Pilgergruppe aus Sachsen hier, die zum Taizé-Treffen nach Rom gekommen war. Wir hatten nicht für alle einen Schlafplatz – da konnte ich problemlos bei meinem katholischen Nachbarpfarrer anfragen, und die Gäste kamen dort unter."
Grundsätzlich ist die Entsendung der EKD nach Rom auf sechs Jahre ausgelegt, mit der Option, um drei weitere zu verlängern. Was Michael Jonas in Anspruch nimmt. "Der Impuls dazu kam aus der Gemeinde, das ist mir sehr wichtig", betont er. Sonst hätte er das nicht in Betracht gezogen.
Wenn es dann irgendwann wieder zurück nach Deutschland geht, was wird er mitnehmen? "Ganz viel Mut im Umgang mit kleinen Zahlen." Er sehe in Rom, "dass man auch mit wenigen Menschen und geringen Ressourcen sehr lebendige Gemeindearbeit machen kann." Und vielleicht, sagt Jonas, könne er auch ein bisschen was vom italienischen Sonnenschein im Herzen mitnehmen.
Von Almut Siefert (epd)
ROM ‐ Michael Jonas ist seit fünf Jahren Pfarrer der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom – fast in direkter Nachbarschaft zum Vatikan. Er erzählt von Fremdheit, Vertrauen und Gottesdiensten wie Familientreffen.
Es sind die Außenseiter, die hier begraben sind: "Cimitero acattolico" (nicht-katholischer Friedhof) heißt die Begräbnisstätte in Rom, früher wurde sie "protestantischer Friedhof" genannt. Der englische Dichter John Keats, Goethes Sohn August oder der italienische Politiker Antonio Gramsci haben inmitten von Pinien und Zypressen ihre letzte Ruhe gefunden – sie alle eint: Sie sind nicht katholisch. Die ersten Beerdigungen fanden Anfang des 18. Jahrhunderts noch außerhalb der Stadtmauern statt. "Der Friedhof zeigt auch so ein bisschen die Fremdheit der Protestanten in Rom", sagt Michael Jonas, der an diesem sonnigen Herbsttag auf den "Cimitero acattolico" gekommen ist. Er ist Mitglied im Vorstand des nicht-katholischen Friedhofes. Aber vor allem ist er seit fünf Jahren der Pfarrer einer ganz besonderen Gemeinde.
Quasi am anderen Ende der Stadt steht deren Kirche, die evangelisch-lutherische Christuskirche. Sie sei ein "freundlicher Begegnungsort für Gläubige aller Konfessionen; ein Raum, wo die Liebe regiert", hatte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, zur Feier des 100-jährigen Bestehens der Kirche im vergangenen Sommer gesagt. Mehrere Päpste haben die Kirche bereits besucht. 2018 wurde Michael Jonas, zuletzt Pfarrer in Schramberg im Schwarzwald, von der EKD nach Rom entsandt. Nachdem er, das ist ihm wichtig, aus drei vorgeschlagenen Kandidaten von der Gemeinde gewählt worden war.
Doppelte Diaspora
Eine protestantische und noch dazu deutschsprachige Gemeinde – mit diesen beiden Merkmalen lebt man in Rom, dem Herrschaftszentrum der katholischen Kirche, quasi in der doppelten Diaspora. "Aber genau das macht es spannend und interessant", sagt Jonas. Seine Gemeinde hat etwa 500 Mitglieder, die meisten leben in Rom, zum Einzugsgebiet zählen aber die gesamte Region Lazio, plus Umbrien und Sardinien.
Viele Kirchgänger sind nicht lange in Rom. Sie kommen – wie Jonas auch – wegen der Arbeit, werden entsandt, bleiben vielleicht zwei oder drei Jahre. "Man muss es schaffen, schnell Beziehungen aufzubauen und darf andererseits nicht gekränkt sein, wenn diese nach kurzer Zeit wieder enden", erzählt der 47-Jährige. Jonas ist sich der Gratwanderung bewusst: "Ich muss es kommunikativ irgendwie schaffen, einladend zu sein, ohne die Leute zu bedrängen."
Bild: ©KNA (Archivbild)
Die Christuskirche in Rom ist die Kirche der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde in der italienischen Hauptstadt.
Aber: "Das Kleinsein hat auch eine starke bindende Wirkung", sagt Jonas. Eine kleine Gemeinde in einer Millionenstadt zu sein, sei sehr stabilisierend. Die dauerhaft in Rom lebenden Gläubigen binde das sehr an die Gemeinde. Die sonntäglichen Gottesdienste gleichen oft einem Familientreffen. Jonas begrüßt jeden am Eingang persönlich – und hinterher lädt er zu einem kleinen Umtrunk mit Wasser und Wein in den idyllischen Kirchengarten ein. Im Sommer wird dort alle zwei Wochen abends der Grill angeworfen. "Die Menschen sollen sich bei uns wohlfühlen", sagt Pfarrer Jonas. Niemand muss das Gefühl haben: Wer einmal mitfeiert, muss gleich unterschreiben und Mitglied werden. "Dafür bin ich nicht der Typ. Ich finde es schwierig, wenn man als Pfarrer die Leute sofort zwangsverpflichtet."
Die Aufgabe des deutschen Pfarrers in Rom ist es nicht nur, seine Gemeinde zusammenzuhalten. Er repräsentiert die evangelisch-lutherische Kirche auch nach außen. Neben der anderen lutherischen Gemeinde, der schwedischen, sind die Waldenser Gemeinde, die methodistischen und baptistischen Kirchen und die italienischen Protestanten im Dachverband der evangelischen Kirchen in Rom zusammengeschlossen. Auch mit den vielen Ordensgemeinschaften, die in der Stadt angesiedelt sind, hat Jonas beruflich zu tun – und natürlich mit dem Vatikan.
Lebendige Gemeinschaft trotz geringer Ressourcen
Vor allem zum Dikasterium für die Einheit der Christen mit Kardinal Koch an der Spitze bestehe eine regelmäßige und vertrauensvolle Beziehung, "und letztlich auch zu Papst Franziskus", erzählt Jonas. Schön sei in Rom die Zusammenarbeit mit den benachbarten katholischen Gemeinden. "Zum Beispiel hatten wir letztens eine Pilgergruppe aus Sachsen hier, die zum Taizé-Treffen nach Rom gekommen war. Wir hatten nicht für alle einen Schlafplatz – da konnte ich problemlos bei meinem katholischen Nachbarpfarrer anfragen, und die Gäste kamen dort unter."
Grundsätzlich ist die Entsendung der EKD nach Rom auf sechs Jahre ausgelegt, mit der Option, um drei weitere zu verlängern. Was Michael Jonas in Anspruch nimmt. "Der Impuls dazu kam aus der Gemeinde, das ist mir sehr wichtig", betont er. Sonst hätte er das nicht in Betracht gezogen.
Wenn es dann irgendwann wieder zurück nach Deutschland geht, was wird er mitnehmen? "Ganz viel Mut im Umgang mit kleinen Zahlen." Er sehe in Rom, "dass man auch mit wenigen Menschen und geringen Ressourcen sehr lebendige Gemeindearbeit machen kann." Und vielleicht, sagt Jonas, könne er auch ein bisschen was vom italienischen Sonnenschein im Herzen mitnehmen.
Von Almut Siefert (epd)
Kommentare
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(Nutzer gelöscht) 15.11.2023 14:10
'Zwangskommunion '..... 🙃
Kirchenleute, Kaiser und Co.: Von deutschen Spuren in Rom
BONN ‐ Ob Könige, Geistliche, Diplomaten oder Künstler: Seit Jahrhunderten zieht es Deutsche nach Rom. Diese haben im Laufe der Zeit einige Spuren in der Ewigen Stadt hinterlassen – steingewordene wie ideelle. Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti geht ihnen in einem neuen Buch nach.
Italien: Sehnsuchtsland der Deutschen seit Jahrhunderten. Rom: eines der beliebtesten Ziele deutscher Touristen und Pilger. Doch viele Menschen aus dem deutschen Sprachraum waren einst gekommen, um länger zu bleiben: Handwerker, Künstler, Gelehrte, Diplomaten, gekrönte Häupter – und nicht zuletzt Kirchenleute. An allen Ecken und Enden stößt man auf die Spuren, die sie hinterlassen haben. Der Augsburger Kirchenhistoriker Jörg Ernesti geht ihnen in einem neuen Buch nach: "Deutsche Spuren in Rom. Spaziergänge durch die Ewige Stadt" lautet der Titel.
"Die italienische Kulturgeschichte ist kaum zu denken ohne deutsche Einflüsse und umgekehrt", betont Ernesti. Seit zwei Jahrtausenden seien die italienische und die germanisch-deutsche Kultur eng miteinander verwoben. "Das wird an keinem anderen Ort so deutlich wie in Rom." Ein starkes Zeichen dieser Verbindung war vom Mittelalter bis in die Neuzeit hinein der Umstand, dass die deutschen Könige auch zu römischen Kaisern gekrönt worden sind.
Krönungsstelle der Kaiser bis heute sichtbar
Ort dieser Zeremonie war bis 1473 der alte Petersdom. Dort befand sich vor dem Papstaltar die Stelle, an der die Päpste den deutschen Königen die Kaiserkrone aufsetzten. Die Platte, die nur die beiden betreten durften, die an der Krönungshandlung teilnahmen, ist auch im "neuen" Petersdom zu sehen, und zwar am Beginn des Längsschiffs hinter dem Hauptportal. Touristen laufen heute weitestgehend unwissend darüber. "Aber auch sonst lassen sich noch viele Spuren aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in der Petersbasilika entdecken. Mit Otto II. (955-983) liegt ein deutscher Kaiser dort begraben, und mit Leo IX. (reg. 1049-1054) auch ein deutscher Papst. Und bis heute schätzt man bei der Ausleuchtung des Petersdoms deutsche Wertarbeit: die Beleuchtungsanlage stammt von einer bekannten Glühbirnen-Firma aus München.
Krönungsstelle der römisch-deutschen Kaiser im Petersdom
Bild: ©KNA/Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani
Die Platte, auf der die Päpste im Mittelalter die deutschen Könige zu Kaisern krönten, befindet sich heute am Beginn des Längsschiffs des Petersdoms.
Der Petersdom ist das steingewordene Zeichen der universalen Macht der Kirche. Acht Deutsche waren als Päpste sozusagen ihre "Hausherren", zuletzt Benedikt XVI. (2005-2013). Als große Baumeister haben sich die mittelalterlichen Kirchenoberhäupter aus deutschen Landen nicht in der Ewigen Stadt verewigt, sondern sich eher durch kirchliche Reformen hervorgetan.
Unweit des Petersdoms entstand im Mittelalter eine regelrechte deutsche Siedlung, der "Borgo". Der Begriff leitet sich vom deutschen Wort "Burg" ab und geht wohl darauf zurück, dass Kaiser Heinrich IV. im 11. Jahrhundert dort eine Befestigung errichten ließ. In den engen Gassen lebten deutsche Handwerker, Gastwirte, Künstler und Mitarbeiter der vatikanischen Kurie. An die deutschen Ursprünge erinnern die Namen zweier Kirchen in dem Viertel, Santo Spirito und San Michele "in Sassia" – denn die Menschen aus Deutschland wurden im Mittelalter in Italien "Sachsen" genannt. Ein letzter "Rest" dieser deutschen Siedlung ist im Schatten des Petersdoms zu sehen, und zwar der Campo Santo Teutonico, der deutsche Friedhof, mit seiner kleinen Kirche und einem angeschlossenen Priesterkolleg.
"Letztes Überbleibsel des Heiligen Römischen Reichs"
Sucht man nach deutschen Spuren in Rom, kommt man nicht an der Kirche "Santa Maria dell’Anima" in der Nähe der Piazza Navona vorbei. "Zusammen mit dem Campo Santo ist sie sozusagen ein letztes Überbleibsel des Heiligen Römischen Reichs", sagt Ernesti: Sie entging nämlich 1803 der Säkularisation. Entstanden ist die "Anima" im 14. Jahrhundert als Pilgerhospiz und entwickelte sich schließlich zur deutschen Nationalkirche in Rom. Ein deutscher Kurat ist für die Seelsorge an den deutschsprachigen Katholiken zuständig, ein Österreicher leitet das zugehörige Studienkolleg. Das Einzugsgebiet von Kirche und Kolleg ist nach wie vor mit den alten Reichsgrenzen bis 1806 identisch. Noch heute erinnert ein Reichsadler auf dem Kirchturm an die Geschichte des Gotteshauses.
Während die Reformation sich in Deutschland zunehmend ausbreitete, gründete Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, 1552 in Rom eine Ausbildungsstätte für Priester: das Collegium Germanicum. Dort, so der Plan, sollte eine klerikale Elite ausgebildet werden, die nach ihrer Rückkehr ins Heilige Römische Reich die katholische Position gegenüber den Reformatoren stärken sollte. Wenig später vereinigte Papst Gregor XIII. es mit dem ungarischen Kolleg und schenkte ihm unter anderem den Palazzo Sant’Apollinare in der Nähe der Piazza Navona mit der zugehörigen Kirche. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahr 1733 musste das Kolleg zeitweilig schließen und aus seinen Räumlichkeiten ausziehen. Seit dem 19. Jahrhundert hat es seinen Sitz in der Via San Nicola da Tolentino, gegenüber der gleichnamigen armenischen Seminarkirche. In seiner Geschichte hat die Einrichtung zahlreiche Kardinäle, Bischöfe und Priester hervorgebracht. Auch heute studieren noch deutschsprachige Priesteramtskandidaten dort – wenn auch längst nicht mehr so viele wie einst.
Portal mGermanicum
Bild: ©Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum
Das "Germanicum" befindet sich heute in der Via di San Nicola da Tolentino.
In Rom, dem Zentrum der katholischen Kirche, lassen sich auch Spuren des Protestantismus entdecken, die eng mit Deutschland verknüpft sind. Das protestantische Preußen errichtet im 18. Jahrhundert eine Gesandtschaft im Kirchenstaat – erster Gesandter war Wilhelm von Humboldt. Kurz nach dessen Amtszeit kaufte das preußische Königreich das Areal hinter dem Kapitolshügel auf und errichtete dort eine große Gesandtschaft – mit dem ersten protestantischen Gotteshaus im Kirchenstaat. Dort versammelte man sich sonntags zum Gottesdienst. Nach dem Ersten Weltkrieg enteigneten die Italiener das Areal und zerstörten die Kapelle.
Doch schon zuvor hatten die Protestanten in Rom auch offiziell Fuß fassen können. Seit der Staatsgründung 1870 konnten sich nichtkatholische Gemeinschaften in Italien frei betätigen. In Rom wurde daraufhin von 1910 bis 1922 die protestantische Christuskirche errichtet. "Kaiser Wilhelm II. unterstützte den Neubau, da er von der Notwendigkeit einer sichtbaren Präsenz des Luthertums in Rom überzeugt war", erläutert Ernesti. 1983, anlässlich des 500. Geburtstags Martin Luthers, besuchte Papst Johannes Paul II. das Gotteshaus – und betrat damit als erstes katholisches Kirchenoberhaupt in der Geschichte eine evangelische Kirche. Seine Nachfolger, Benedikt XVI. und Franziskus, taten es ihm später gleich.
Viel "deutsche" Kunst in Vatikanischen Museen
Neben "kirchlichen" Spuren kann man in Rom vieles Weitere entdecken, was mit Deutschland und den Deutschen in Verbindung steht. Seit jeher hatte die ewige Stadt eine große Anziehungskraft auf deutsche Künstler. Deren Werke kann man in den zahlreichen Museen der Stadt besichtigen – einige auch in den Vatikanischen Museen. Auch deutsche Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe oder Thomas Mann waren von Rom fasziniert und lebten einige Jahre dort. Auch deren Spuren sind heute noch sichtbar.
Jörg Ernesti gibt zu, dass man die deutschen Reminiszenzen in Rom zwar bewusst suchen muss. Aber sie seien dennoch wichtige Spuren. Es seien zwar nicht die architektonischen Highlights, aber dennoch nicht so abgelegen, "dass sie ohne Relevanz sind". Wer sie entdecken möchte, habe sogar einen Vorteil gegenüber den anderen Rom-Touristen: "Wenn man sie aufsucht, hat man Rom für sich – ohne große Touristenansammlungen." Und das bestimmt auch noch nach der Corona-Pandemie.
Von Matthias Altmann
Jörg Ernesti: Deutsche Spuren in Rom. Spaziergänge durch die Ewige Stadt, Verlag Herder 2020, 224 Seiten, ISBN: 978-3-451-38799-9, 30 Euro.