Französische Juristin: Abschotten löst illegale Einwanderung nicht
26.09.2023 14:05
Französische Juristin: Abschotten löst illegale Einwanderung nicht
26.09.2023 14:05
Französische Juristin: Abschotten löst illegale Einwanderung nicht
Migration war das zentrale Thema des Mittelmeertreffens in Marseille, zu dem auch Papst Franziskus am Wochenende nach Frankreich reiste. Auch unabhängig davon ist Einwanderung allgegenwärtiges Thema auf der politischen Agenda der meisten europäischen Länder - insbesondere derjenigen, die an vorderster Front mit der illegalen Einreise von Migranten konfrontiert sind. Viele Regierungen setzen auf Abschottung. Die französische Juristin Delphine Perrin sieht das skeptisch.
Seine erste Reise als Papst hat Franziskus 2013 auf die italienische Insel Lampedusa vor Sizilien geführt, auf der damals - so wie aktuell- zahlreiche Bootsmigranten ankamen. Damals - wie heute - ruft das katholische Kirchenoberhaupt Europa angesichts der Lage zu Solidarität auf. Jüngst etwa beim Mittelmeertreffen in Marseille. Auch auf dem Rückflug von dort nach Rom bei der „Fliegenden Pressekonferenz" bekräftigte der Papst seine Aufforderung und prangerte Ausbeutung und Menschenhandel an. Italien hat unterdessen neue Maßnahmen angekündigt, um die illegale Ankunft von Migranten an der Küste einzudämmen: Die Regierung von Giorgia Meloni will mehr Auffanglager einrichten und die Haftdauer für abgelehnte Asylbewerber verlängern und eine Kaution von ihnen verlangen. Die EU-Kommission schlägt zur Entlastung Italiens vor, den Transfer von Migranten in andere europäische Länder zu fördern und die Rückführung in die Herkunftsländer zu erhöhen. So wird weiterhin hauptsächlich auf Abschottung und eine harte Linie gesetzt. Die Juristin Delphine Perrin, die in Marseille beim französischen Institut für Forschung und Entwicklung „IRD" arbeitet, hält davon nicht viel:
„Illusion, die Einwanderung so zu stoppen“
„Der Misserfolg ist seit mehr als dreißig Jahren erwiesen. Die Europäer versuchen seitdem, die Grenzen immer weiter zu schließen, indem sie in immer mehr und teurere personelle, technische und materielle Ressourcen investieren, Mauern bauen wollen etc. Es gibt die Illusion, Einwanderung so zu stoppen. Auch die nordafrikanischen Anrainerstaaten will man in diesen Kampf einbeziehen, sie sollen auch die Kontrollen verstärken. Das Ergebnis ist aber, dass das Drama sich verschärft: Die Zahl der irregulären Ankünfte nimmt zu und der Menschenhandel wächst", erklärt sie im Interview mit Radio Vatikan.
Abschottungspolitik spiele Menschenhändlern in die Hände und auch bestimmten politischen Parteien, die Einwanderung als „Problem" deklarierten und Einwanderer als Sündenbock nutzten:
„Schuld ist immer der Fremde“
„Die Politiker sagen oft, sie müssten ja so eine harte und abschottende Politik betreiben, weil die Bevölkerung nicht so viele Menschen aufnehmen könne. Die Integration ist natürlich etwas, das angegangen werden muss. Die Frage ist aber: Hat die Regierung versucht, die Bevölkerung vorzubereiten und legale Möglichkeiten zu schaffen, oder nicht? EU-Regierungen sprechen immer von einem Migrations-Problem. Es ist sehr einfach, andere ausznutzen. Das sehen wir übrigens zum Beispiel auch in Tunesien, nicht nur in Europa - um Sicherheitsprobleme und Wirtschaftsprobleme zu begründen: Schuld ist immer der Fremde", führt die Juristin aus.
Visapflicht abschaffen?
Dabei gehe es durchaus anders: Sie erinnert daran, dass zum Beispiel bis in die 1980er Jahre für die Einreise in die meisten europäischen Länder kein Visum erforderlich war:
„Man neigt zweifellos dazu, zu vergessen, dass es mal mehr Bewegungsfreiheit gab. Freizügigkeit bedeutet nicht, dass es keine Kontrollen gibt oder alle in allen europäischen Ländern leben dürfen. Dann haben die europäischen Länder in den 1980er Jahren schrittweise das Einreisevisum eingeführt. Dieses Einreisevisum wurde in den 1990er Jahren auf alle Länder ausgeweitet, mit denen es ein großes wirtschaftliches und entwicklungspolitisches Gefälle gibt, und auch auf alle Länder, aus denen Flüchtlinge kommen. Warum weigert man sich, schutzsuchende Menschen aufzunehmen und zu unterstützen? Illegalität wird durch die Schließung der legalen Wege verursacht."
Bisher weigerten sich die Regierungen jedoch, die Abschaffung der Visumspflicht auf den Tisch zu legen. Die Ausstellung humanitärer Visa könne aber ein erster Schritt sein, meint Delphine Perrin. Der Wahlkampf für die Europawahlen könne die Debatte vielleicht wiederbeleben.
(vatican news)
Seine erste Reise als Papst hat Franziskus 2013 auf die italienische Insel Lampedusa vor Sizilien geführt, auf der damals - so wie aktuell- zahlreiche Bootsmigranten ankamen. Damals - wie heute - ruft das katholische Kirchenoberhaupt Europa angesichts der Lage zu Solidarität auf. Jüngst etwa beim Mittelmeertreffen in Marseille. Auch auf dem Rückflug von dort nach Rom bei der „Fliegenden Pressekonferenz" bekräftigte der Papst seine Aufforderung und prangerte Ausbeutung und Menschenhandel an. Italien hat unterdessen neue Maßnahmen angekündigt, um die illegale Ankunft von Migranten an der Küste einzudämmen: Die Regierung von Giorgia Meloni will mehr Auffanglager einrichten und die Haftdauer für abgelehnte Asylbewerber verlängern und eine Kaution von ihnen verlangen. Die EU-Kommission schlägt zur Entlastung Italiens vor, den Transfer von Migranten in andere europäische Länder zu fördern und die Rückführung in die Herkunftsländer zu erhöhen. So wird weiterhin hauptsächlich auf Abschottung und eine harte Linie gesetzt. Die Juristin Delphine Perrin, die in Marseille beim französischen Institut für Forschung und Entwicklung „IRD" arbeitet, hält davon nicht viel:
„Illusion, die Einwanderung so zu stoppen“
„Der Misserfolg ist seit mehr als dreißig Jahren erwiesen. Die Europäer versuchen seitdem, die Grenzen immer weiter zu schließen, indem sie in immer mehr und teurere personelle, technische und materielle Ressourcen investieren, Mauern bauen wollen etc. Es gibt die Illusion, Einwanderung so zu stoppen. Auch die nordafrikanischen Anrainerstaaten will man in diesen Kampf einbeziehen, sie sollen auch die Kontrollen verstärken. Das Ergebnis ist aber, dass das Drama sich verschärft: Die Zahl der irregulären Ankünfte nimmt zu und der Menschenhandel wächst", erklärt sie im Interview mit Radio Vatikan.
Abschottungspolitik spiele Menschenhändlern in die Hände und auch bestimmten politischen Parteien, die Einwanderung als „Problem" deklarierten und Einwanderer als Sündenbock nutzten:
„Schuld ist immer der Fremde“
„Die Politiker sagen oft, sie müssten ja so eine harte und abschottende Politik betreiben, weil die Bevölkerung nicht so viele Menschen aufnehmen könne. Die Integration ist natürlich etwas, das angegangen werden muss. Die Frage ist aber: Hat die Regierung versucht, die Bevölkerung vorzubereiten und legale Möglichkeiten zu schaffen, oder nicht? EU-Regierungen sprechen immer von einem Migrations-Problem. Es ist sehr einfach, andere ausznutzen. Das sehen wir übrigens zum Beispiel auch in Tunesien, nicht nur in Europa - um Sicherheitsprobleme und Wirtschaftsprobleme zu begründen: Schuld ist immer der Fremde", führt die Juristin aus.
Visapflicht abschaffen?
Dabei gehe es durchaus anders: Sie erinnert daran, dass zum Beispiel bis in die 1980er Jahre für die Einreise in die meisten europäischen Länder kein Visum erforderlich war:
„Man neigt zweifellos dazu, zu vergessen, dass es mal mehr Bewegungsfreiheit gab. Freizügigkeit bedeutet nicht, dass es keine Kontrollen gibt oder alle in allen europäischen Ländern leben dürfen. Dann haben die europäischen Länder in den 1980er Jahren schrittweise das Einreisevisum eingeführt. Dieses Einreisevisum wurde in den 1990er Jahren auf alle Länder ausgeweitet, mit denen es ein großes wirtschaftliches und entwicklungspolitisches Gefälle gibt, und auch auf alle Länder, aus denen Flüchtlinge kommen. Warum weigert man sich, schutzsuchende Menschen aufzunehmen und zu unterstützen? Illegalität wird durch die Schließung der legalen Wege verursacht."
Bisher weigerten sich die Regierungen jedoch, die Abschaffung der Visumspflicht auf den Tisch zu legen. Die Ausstellung humanitärer Visa könne aber ein erster Schritt sein, meint Delphine Perrin. Der Wahlkampf für die Europawahlen könne die Debatte vielleicht wiederbeleben.
(vatican news)
Kommentare
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(Nutzer gelöscht) 26.09.2023 14:13
Gerade Frankreich ist ein Beispiel für NICHT gelungene Integration...!!
pieter49 26.09.2023 14:33
Na ja, ich weiß aus Erfahrung, wenn jemand arbeitswillig ist; in Frankreich, schneller an Arbeit kommt wie in der BRD
Unter andere in den Weinbergen und Landwirtschaft
Unter andere in den Weinbergen und Landwirtschaft
pieter49 26.09.2023 14:35
Vielen möchten Arbeiten, aber diese Prozedur dauert in der BRD, fast ein Ewigkeit!
Arne 26.09.2023 15:18
Die illegale Einwanderung ist komplett künstlich geschaffen, durch Milliardenanreize. Trump hatte die illegale Einwanderung an der Südgrenze der USA auf wenige tausend gedrückt & zwar *ohne* überhaupt eine Mauer zu bauen 😅 Einfach nur durch Gesetze & Verordnungen, die harte Geldstrafen & rigorose Abschiebungen vorsahen.
Mehrere politische Parteien *wollen* das Problem, weil sie darauf hoffen, sich damit Stimmen kaufen zu können. Sie denken, wenn sie den illegalen Einwanderern die Staatsbürgerschaft & Geld schenken, wählen diese sie. Das Problem ist, dass unter den Illegalen so viele IS Leute & berufskriminelle Klans sind, dass der Plan nach hinten losgeht.
Mehrere politische Parteien *wollen* das Problem, weil sie darauf hoffen, sich damit Stimmen kaufen zu können. Sie denken, wenn sie den illegalen Einwanderern die Staatsbürgerschaft & Geld schenken, wählen diese sie. Das Problem ist, dass unter den Illegalen so viele IS Leute & berufskriminelle Klans sind, dass der Plan nach hinten losgeht.
Arne 26.09.2023 15:21
Abschottung ist dabei auch gar nicht nötig - die finanziellen Anreize müssen weg. Wenn man bereits Geld dafür bekommt, nur einen Asylantrag zu *stellen* - ohne Aussicht auf Erfolg - dann tut man das selbstverständlich.
Das Problem sind also gar nicht die illegalen Einwanderer oder die Grenzsicherung, sondern die Parteien, die diese Leute überhaupt erst mit Milliardenausgaben künstlich anziehen.
Das Problem sind also gar nicht die illegalen Einwanderer oder die Grenzsicherung, sondern die Parteien, die diese Leute überhaupt erst mit Milliardenausgaben künstlich anziehen.
Klavierspielerin2 26.09.2023 16:42
Ich gestehe: habe Anne Will am Sonntag geguckt.
In der Runde war auch Söder, der wenn ich mich nicht irre, genau das ansprach, was du @Arne ansprichst: die falschen finanziellen Anreize.
Ich wäre dafür, statt Milliarden in Aufrüstung, besser für Unterstützung armer Länder, zu investieren. Dann haben die Menschen weniger Gründe, ihre Heimat verlassen zu müssen.
Naja, wen interessiert schon meine Meinung( gefrustet Guck).
In der Runde war auch Söder, der wenn ich mich nicht irre, genau das ansprach, was du @Arne ansprichst: die falschen finanziellen Anreize.
Ich wäre dafür, statt Milliarden in Aufrüstung, besser für Unterstützung armer Länder, zu investieren. Dann haben die Menschen weniger Gründe, ihre Heimat verlassen zu müssen.
Naja, wen interessiert schon meine Meinung( gefrustet Guck).
Arne 26.09.2023 17:39
Kein Ding, Herkunftsländer, die uns zumindest halbwegs freundschaftlich gegenüberstehen, kann man gerne unterstützen. Wobei ich es natürlich kritisch sehe, wenn de facto die Taliban 370 Millionen erhalten.
(1) Abschaffen der finanziellen Anreize
(2) Idealerweise brauchen wir ne bessere Staatsform, in der es sich nicht lohnt, Stimmen zu "kaufen"
(1) Abschaffen der finanziellen Anreize
(2) Idealerweise brauchen wir ne bessere Staatsform, in der es sich nicht lohnt, Stimmen zu "kaufen"
hansfeuerstein 26.09.2023 21:32
Das löst das Problem nicht, aber es verhindert vielleicht den Kollaps der noch halbwegs funktionierenden Staaten. 😉 Wahrscheinlich gibt es gar keine andere Möglichkeit, und
man wird es wohl erst zu spät begreifen.
man wird es wohl erst zu spät begreifen.