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Eine Kurzgeschichte, …

Eine Kurzgeschichte, …
… die ich heute unterwegs während einer Wartezeit gelesen habe:


Moderne Väter


Als Vater einer pubertierenden Tochter steht man ja heutzutage irgendwie ständig im Verdacht, zu nachgiebig zu sein.
Oder sich manipulieren zu lassen.

Das ist bei uns kein Thema.
Wobei ich natürlich auch ein moderner Vater bin.
Also einer, der mit verständiger, liebevoller Haltung erzieht.
Klarer Kompass und so, diese Schiene.
Mache ich selbstredend.

Obwohl, offen gestanden, ich bin wohl doch ein ziemlich strenger Vater.
Total streng, genau genommen.
Also eigentlich verbiete ich immer alles.
Komplett.
Knallhart!
Meistens höre ich schon gar nicht mehr richtig hin, sondern verbiete direkt.
Zack!, noch bevor gefragt wurde.
Fertig, aus.
Ist für die Kinder ja auch angenehmer, wenn sie sich nicht mühsam Argumente zurechtlegen müssen, sondern ich ohne Umschweife verbiete.
Bevor überhaupt einer was beantragt.
Klare Ansage.
Ich bin ja schließlich kein Ponyhof.
Und das zieh ich auch eisern durch.
Also zumindest so lange, bis die Tochter irgendwann nachhakt:
"Echt, wirklich?"

Und dann gebe ich halt nach.
Konsequent.
Immer.
Das ist ja das Wichtigste in der Erziehung.
Dass man eine klare Linie verfolgt.
Transparent.
Das ist bei mir gegeben.
Total streng und gradlinig.
Bis ich nachgebe.

Also im Prinzip kann man sagen, ich erziehe meine Tochter so, wie das Wirtschaftsministerium die Rüstungsexporte kontrolliert.
Absolut streng, gemäß allen ethischen Vorgaben.
Es sei denn, jemand will was kaufen.
Dann muss man den Einzelfall prüfen.


Wie neulich, als das Kind zu irgendeiner Party wollte und ich klipp und klar sagte, um zwölf habe es aber zu Hause zu sein.
Das missfiel ihr offensichtlich, aber sie wusste auch, wenn ich mal eine Ansage gemacht habe, dann ist das so.
Kannste gar nichts mehr machen.

Also fügte sie sich in verständigem Gehorsam, so wie sie ja weiß, dass es für sie immer das Beste ist, auf meinen weisen Rat zu hören.

Kurze Zeit später wollte sie Geld für ein Taxi, weil alle anderen bis zwei bleiben durften und sie sonst alleine um die Zeit quer durch den Bezirk müsste.
Ich durchschaute ihr Manöver natürlich sofort und sagte:
"Nichts da, Taxi.
Das könnte dir so passen.
Du bleibst gefälligst so wie die anderen auch schön bis um zwei, und dann geht ihr zusammen.
Ha!"

Ein paarmal bettelte sie noch, doch vielleicht nicht ganz so lang auf der Party bleiben zu müssen, aber ich blieb hart.
Die Kinder müssen irgendwann auch mal lernen, dass es Regeln gibt.
Um jetzt aber nicht ganz so despotisch aufzutreten, habe ich ihr am Ende zumindest noch das Geld fürs Taxi gegeben, damit sie nicht um zwei Uhr zu Fuß quer durch den Bezirk laufen müssen.

Obwohl Tochter und Vater alles in allem sehr zufrieden mit dem Kompromiss waren, verweigerte mir die Mutter später das Lob für meinen Erziehungserfolg.
Erst recht, nachdem sich herausgestellt hatte, dass eigentlich alle Freundinnen bis um halb eins hätten zu Hause sein sollen, und nur weil unsre Tochter bis zwei bleiben durfte, auch allen anderen der Ausgang verlängert wurde.


Immerhin habe ich aus diesem Erlebnis gelernt.
Als sie wenige Tage später abends noch einmal loswollte, unter der Woche, weil da noch ein Treffen mit Freunden im Park oder so sei, fragte sie mich, wann sie zu Hause sein solle.
Und ich habe diesmal einfach gesagt:
"Ist egal.
Entscheide du."

Und nun hatte sie das Problem.
Was sie auch überhaupt nicht gut fand.
Wie sie mir zu verstehen gab.

"Na super, da machste es dir ja schön einfach.
Der feine Herr, das wird jetzt auch noch delegiert …"

Woraufhin ich antwortete:
"Ja, aber komm.
Du weißt doch viel besser, wann du morgen in der Schule sein musst.
Und wie fit du da sein musst und überhaupt."

"Ja, natürlich.
Und wenn ich dann morgen müde bin, ist das meine Schuld, oder was?
Nee, nee, nee.
Du musst mir eine Zeit mitgeben."

So ging das ewig hin und her.
Sie wollte unbedingt eine Uhrzeit, ich wollte ihr keine geben.
Bis sie irgendwann meinte:
"Echt, wirklich?"
Und ich nachgegeben habe.

"Gut, dann bist du halt um zehn zu Hause."

Woraufhin sie entsetzt war:
"Waaaaas?
Waruuuum?
Ich hab doch morgen erst zur dritten!
Alle anderen dürfen länger!
Das ist so peinlich!
Warum machst du so was?"

"Aber du hast doch gesagt, ich soll eine Zeit sagen."

"Ja, eben.
Damit ich dann dagegen protestieren kann."

"Das ergibt doch keinen Sinn."

"Tut es wohl.
Wenn ich von mir aus entscheide, ich bin um zehn zu Hause, ist das nichts wert.
Das ist eine beliebige Zufallszeit ohne Bedeutung.
Aber, wenn du sagst zehn, und ich handle halb elf raus, dann sind das dreißig Minuten Qualitätszeit.
Gewonnene Zeit.
Die zählt quasi mindestens doppelt."


Womit sie natürlich recht hat.
Wie ich ohnehin feststellen muss, dass sie mir in ihrem Denken leider häufig sehr viel ähnlicher ist, als mir das manchmal lieb sein kann.
Teilweise habe ich das Gefühl, mit mir selbst zu diskutieren.
Nur in jünger und wacher.
Wobei, ab und zu bin ich auch wirklich richtig stolz.
Wie kürzlich, wo sie etwas gesagt hat, was mir schon extrem gut gefiel.
Als sie nämlich in einem ähnlichen, aber anderen Zusammenhang relativ plötzlich den, wie ich finde, großartigen Satz sagte:
"Solange ihr euren Tisch über meine Füße stellt … erwarte ich klare Ansagen."

Für so einen Moment hat sich dann ja doch die ganze Erziehung gelohnt.



(aus "Wer alles weiß, hat keine Ahnung"* von Horst Evers)

Kommentare

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einSMILEkommtwieder 25.08.2023 08:36
*Mein ehemaliger Mathematiklehrer sagte gerne:
"Wirklich etwas verstanden haben Sie erst, wenn Sie vergessen haben, dass Sie es wissen."
Zudem liebte er die ehrliche Schülerantwort:
"Ich weiß es nicht."
Seine Erwiderung:
"Das ist sehr gut.
Denn das verschafft Ihnen freien Raum zum Denken und Lernen."
Wenn allerdings er überfragt war, was gar nicht so selten vorkam, pflegte er dies sofort einzuräumen und zu begründen mit dem schönen Satz:
"Wer alles weiß, hat keine Ahnung."


(aus dem Vorwort von dem gleichnamigen Taschenbuch)
 
pieter49 25.08.2023 08:56
''Solange ihr eure Tisch über meine Füße stellt ... erwarte ich klare Ansagen.''

...sagte die Tochter.

Vielen Dank lb. Vera, ein interessantes Zwiegespräch, worüber die Mutter kein völlige Zustimmung hat...

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