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Ich war mal kurz weg.

Ich war mal kurz weg.
War in Amerika, für 4 Wochen und es ging alles sehr spontan und schnell.

Die Vorgeschichte: Meine Mutter hat sich in den 80ern sehr für Flüchtlinge eingesetzt und im Verlauf dessen haben wir einen äthiopischen, christlich-orthodoxen Kunst-Maler adoptiert.

Mein adoptierter Bruder ist ca. 10 Jahre älter als ich und izwischen in Rente, er hat seit 30 Jahren als Putzkraft bei BMW gearbeitet, über Leihfirmen, also Zeitarbeiterbedingungen.

Viele Äthiopier sind in den 80ern in alle Himmelsrichtungen geflüchtet und mein Bruder besuchte die letzten Jahre immer wieder mal seine Verwandten in den USA, die haben da an der Westküste mehrere Einrichtungen für Ältere und behinderte Menschen.

Solche "Heime für Erwachsene" werden in den USA privat geführt, man sucht ein geeignetes Objekt, lässt es von einer Behörde begutachten und bekommt dann eine Lizenz und kann dann bis zu 6 Klienten in einer Heimstätte unterbringen, was gutes Geld bringt.

Die Pflegearbeit wird dabei von sogenannten "care-takers" gemacht, und das waren ausnahmslos schwarze Schwarzarbeiter aus Jamaika, die in den Heimen wohnen, bis zu 6 Monate bleiben und dann ein paar Monate nach Jamaika heimfahren und wiederkommen. Den Flug und alles bekommen sie von der Frau des Cousins meines Bruders - der Besitzerin dieser Einrichtungen - bezahlt, das Geld für die Arbeit monatlich cash auf die Hand.

Und weil seit der Corona-Krise keine billigen mexicanischen Arbeiter mehr zu bekommen sind und weder die Äthiopier noch die Jamaikaner das technische und eher grobe Handwerk mögen, hat mein bruder gesagt, dass ich das könne, was es da alles zu machen gibt.

Dann haben sie mich angerufen vor ca. 6 Wochen, ich soll dringend nach Amerika, am besten solange mein Bruder noch da ist. Also musste ich 10-11 Tage lang massive Vorbereitungen treffen (Express-Reisepass, weil ich keinen hatte, Kreditkarte beantragt, ESTA beantragt usw...) und dann bin ich da 10 Stunden lang rübergeflogen.

Gestern bin ich zurückgekommen, nach einer 34-stündigen Rückreise, davon 10 im Flieger und der Rest an den Flugplätzen in den USA und in Frankfurt, wo das Gepäck nicht kam, wodurch ich zwei Züge in die Heimat verpasste und der dritte hatte dann noch ne Stunde Verspätung.

Eigentlich könnte ich nun drei verschiedene Bücher über meine Eindrücke schreiben, einen über den Vergleich deutscher und amerikanischer Behinderten-Heime (...ich arbeite ja in einem), eines über die abgefahrene Gesellschafts-Politik und der riesen Unterschied zwischen arm und reich: Obdachlose an den Ampeln, die um Dollars betteln, absolut kaputte Drogensüchtige (die hier schon mal thematisiert wurden, "Zombie-Droge in den USA" oder so) und der Rassismus zwischen den vielen Asiaten, den vielen Schwarzen, Weißen und Mexikanern bei gleichzeitig so übertriebener und offensichtlich "falscher"/aufgesetzter Höflichkeit, dass es teilweise ein Graus war.

Ich habe da in den letzten Wochen einen 50 Meter langen "drive-way" betoniert, ein paar alte Betonplatten ausgebessert und noch vieles andere. Und ich habe noch nie so ein Organisations-Chaos erlebt und noch nie etwas, das weiter von  Arbeitsmoral entfernt wäre als das, was ich da zwischen Äthiopiern und Jamaikanern erlebt habe.

Neben den Erfahrungen, die ich machen durfte, hat es sich auch finanziell gelohnt, weil ich meine Auslagen für An- und Rückreise und eine angemessene Spende für meine freiwillige Arbeit bekommen habe...



 

Kommentare

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Annres 20.08.2023 22:40
Die amerikanischen Ableger dieser äthiopischen Großfamilie sind übrigens Siebter-Tags-Adventisten, was bedeutete, dass ich am Samstag nicht arbeiten durfte und es kein Schweinfleisch gab, dafür aber Unmengen an Rind und Geflügel.

Ich habe dann konsequenterweise am Sonntag gearbeitet, was in den USA kein Problem ist, auch wenn man Maschinen verwendet.

Dafür gibt es dort für jede Befindlichkeit eine eigene Kirche und vielleicht sogar Kirchengemeinschaft. Auf der Betonbaustelle waren in unmittelbarer Nähe 5 verschiedene Kirchen, darunter die römisch-katholische Kirche der unbefleckten Jungfrau Maria.

Am Big-Lake gibt es die "Church of the Big-Lake-Community of the Nazarene" usw.

Und was mir noch aufgefallen ist: Vieles wird gerne politisiert: Auf der einen Seite hat es mich beeindruckt, dass selbst in Nobel-Restaurants (...in andere hat mich die Chefin nicht geführt) vor dem Essen gebetet wurde, zuhause sowieso, auf der anderen Seite wollten sie gerne über die katholische Kirche lästern - aus der ich ja vor Jahren ausgetreten, aber inzwischen "im Herzen zurückgekehrt" bin - verteidigt habe und ihnen erklärt habe, dass ich die katholische Kirche als meine geistige Mutter betrachte und ich persönlich nicht über andere Mütter lästern würde und das haben sie, glaube ich, sogar verstanden, sie haben das Thema römisch-katholisch jedenfalls nicht mehr zur Sprache gebracht...
 
Superbleifrei 20.08.2023 22:40
Gratulation zu diesen Erfahrungen! Die kann dir niemand mehr nehmen. Klingt unheimlich spannend. Ich war viele Jahre in der Erdölindustrie, daher auch mein Name, und ich war so oft in den USA, dass ich mir auch ein Bild gemacht habe. Aber ich bin jetzt bequem geworden und wohl etwas ängstlich. Ich gehe nur mehr zum Arbeiten hinaus, ansonsten verlasse ich meinen Bezirk nicht mehr.    lachendes Smiley
 
Natural 20.08.2023 22:45
Interessant , du kannst ruhig und gerne weiter erzählen ! Schön wäre es ! Aber erstmal Gute Nacht 😊
 
Superbleifrei 20.08.2023 22:47
Ziemliche Doppelmoral bei den Amis! Wenn du Raucher bist, wirst du verfolgt wie ein Schwerverbrecher, dabei haben die dort die weltgrößte Tabakindustrie. Dasselbe mit den einschlägigen Filmen, haben die größte Schundfilmfabrik aber wenn wo was rausschaut aus dem BH gibts ein Riesen Geplärr und im Video dann ein Pflaster über die Blume das sich keiner mehr aufregen kann. So verlogen dort alles.
lachendes Smiley
 
Annres 20.08.2023 22:53
Nachdem die Vorbereitungswoche und die erste Woche in den USA extrem stressig war, hatte ich sehr zum Widerwillen der Chefin - einer "Big Mama" wie aus dem Klischee-Buch - beschlossen, den ersten Sabbat ganz alleine in den Rocky-Mountains zu verbringen und bin dann mit meiner nagelneuen Creditkarte und 400 $ cash Richtung Berge gefahren, um dort festzustellen, dass die Berge verflixt weit weg und nicht in 2-3 Stunden Fußmarsch zu erreichen sind. Außerdem war es schon im Tal ziemlich kalt. Also bin ich an ein paar Seen vorbei nach Bellingham, einer Stadt an der kanadischen Grenze und habe da 1. Klamotten gekauft und 2. den absoluten Kulturschock deswegen nicht bekommen, weil ich ja auf YouTube schon allerlei gesehen habe. Deswegen war es nicht soo erschreckend, Männer mit Brust- und Gesichtsbehaarung im rosaroten Minikleidchen mit tiefem Dekolltee und mit Stöckeltretern zu sehen...
 
Annres 20.08.2023 22:58
Ja, die Doppelmoral... in diesem Sodom... ääh Bellingham, da haben manche Frauen Sachen getragen... 😲

Ich mein... manche von diesen Frauen haben aber auch Kurven! Und wenn das dann entsprechend durch knallenges Zeugs in Signalfarben betont wird... 🙈
 
hansfeuerstein 20.08.2023 23:03
Es sind solche Eindrücke, die vieles Alltägliche hierzulande nichtig und klein erscheinen lassen.
Es relativiert sich alles, und das ist manchmal auch heilsam.
 
Friedensstifter 20.08.2023 23:07
Danke "Annres" für die Beschreibung deiner persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse in den USA! 

Amerika ist eben auch eine ganz andere große "Welt" und man sollte D nicht damit vergleichen. Doch es ist schon gut, dass du dich dort angemessen behaupten konntest. Dankbar kann man natürlich auch sein, für diese Möglichkeit.

Wie heißt ein Spruch so treffend?
"Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben." 😉


Vor vielen Jahren war ich mit der Familie auch mehrmals in den USA, weil mein Sohn dort 1 Jahr als Austauschstudent eine Schule besuchte. Insofern weiß ich schon, wovon du schreibst. Wir haben damals jedoch überwiegend nur Positives erlebt. 

Natürlich bin ich mir auch sicher, dass du noch viel mehr zu berichten hättest. Doch Details würde ich jedenfalls nicht öffentlich diskutieren.

Deshalb, nochmals danke für's Berichten!👍 
 
paloma 20.08.2023 23:42
Ach na ja,wenn man die "Floskeln" nicht so ernst nimmt,kann man auch hinter die Kulissen schauen u die Menschen kennenlernen.Sind eben andere Umgangsformen 
Die Geschichte mit deinem Adoptivbruder ist ja spannend.Konnte er nie mehr als Künstler arbeiten?
Vielen Dank,dass du deine Erlebnisse teilst 
 
Annres 20.08.2023 23:58
Mein Bruder hat noch viel gemalt und ein paar kleinere Ausstellungen gemacht, aber wie jeder andere Künstler fühlt er sich unterbewertet und ist auch etwas zu faul für weitere Bilder und Ausstellungen... 
 
Annres 21.08.2023 00:03
Ja, es gibt da tatsächlich so viele Unterschiede... Vor allem für mich als Land-Ei, der zuhause die absolute Ruhe kennt, war diese ständige Betriebsamkeit total ungewohnt.

Ich habe auch noch lange nicht alles verdaut, bin ja gerade erst zurück und noch mitten im Jet-Lag, den ich aber beim Hinflug nicht hatte. Versuche hier ein kleines nachträgliches Memorandum zu machen, weil während des Urlaubs ging es nicht, denn: Obwohl ich Facebook- und whatsapp-Gegner bin, habe ich sogar whatsapp auf meinem Smartphone installiert, um mit meinem Bruder und E. sprechen zu können und die letzte Nachricht, die ich schreiben konnte, bevor mein Smartphone auf den Boden fiel und dabei kaputt ging, war: "Bin angekommen, stehe nun am Flughafen Haupteingang, wo die Busse abfahren."

Ich war jetzt wochenlang ohne eigenes Handy und damit ohne meine Kontaktlisten und Account-Passwörter, das war alles etwas kompliziert (...oder sogar vereinfacht, so ganz ohne PC und eigenes Handy?? ). Für das Telefonieren und Navigieren in den USA bekam ich E.´s zweithandy und das Navigationssystem brauchte ich  dringend, weil ich ab der zweiten Woche alles alleine machte und zu Baumärkten, Maschinenverleih usw. gefahren bin.

Der Verkehr in den Staaten ist crazy. 3,4 und 5-spurig und riesen Trucks, die auf der linken Spur dahinbrettern, wenn´s sein muss und überholt wird rechts, links, in der Mitte und quer Beet auch noch, wie´s grad geht.
 
paloma 21.08.2023 00:24
Das mit der Betriebsamkeit kann ich gut nachvollziehen,sie haben kaum so etwas wie freie Tage u die Geschäfte sind fast permanent geöffnet.
Meistens darf doch nur 80 Meilen auf dem Highway gefahren werden od hat sich das geändert. Aber die vielen Spuren sind anstrengend.Wünsche dir gutes Ankommen Back home 😉
 
pieter49 21.08.2023 06:14
Vielen Dank lieber @Annres, für deine ausführliche Berichterstattung!

Amerika -USA- , das Land der unbegrenzte Möglichkeiten, aber man braucht starke Nerven und ein wenig: Gelassenheit!

  🤔
 
Christinchen49 21.08.2023 08:09
die tochter meiner verwandschaft in der usa hat amerika den rücken gekehrt....studiert in deutschland und möchte auch hier bleiben. atlanta ist ihr zu stressig..alles leben findet
auf der überholspur statt....
 
Rosenlied 21.08.2023 14:01
⛪Danke Annres für den Bericht über Deine
Amerikareise.👍 Das war ja bestimmt ein tolles
Erlebnis für Dich.
 
Superbleifrei 21.08.2023 15:01
Ja, wenn 80 mph erlaubt sind, dann darf man die auch fahren. Das gilt für ALLE FAHRZEUGE! Im übrigen sind das fast 130 km/h.
Deswegen mutet es seltsam an, wenn man auf der 7 spurigen Autobahn von einem Mähdrescher überholt wird…
 
Annres 21.08.2023 15:05
Ich war meistens auf der 5th unterwegs, da gelten größtenteils 60mph und manchmal 70 + 60 für Trucks. Und es gibt teilweise eine extra Spur links, auf der nur Busse und Pkw mit mehr als 2 Personen fahren dürfen, was manchmal ganz praktisch war (...wenn ich jemanden im Auto dabei hatte). Alleine auf der Extra-Spur zu fahren kann bis zu 545$ Strafe kosten, stand auf einem Schild.
 
(Nutzer gelöscht) 21.08.2023 20:51
@Annres, du hast eine spitzenmäßige Schreibe, ich war ganz erfüllt von deinem Bericht und hatte heute so das Gefühl beim Nachsinnen wie bei einem guten Buch, da möchte man gerne weiterlesen und weiterlesen und weiterlesen............... hoffe, du schreibst noch weiter......... es ist so interessant
 
Annres 24.08.2023 16:34
Vielen Dank für die positiven Rückmeldungen, habe mich recht gefreut darüber.

Und natürlich schreibe ich hier gerne weiter, nur hat mich das berufliche Leben in good ol´ germany gerade dermaßen eingeholt, dass ich erstmal eine Abhandlung darüber schreiben sollte, was bei meinem "caritativen" Arbeitgeber hier in Deutschland alles schief läuft und diese Abhandlung dann unserem Geschäftsführer und der kirchlichen Leitung zu lesen geben. Das ist grad alles so unglaublich... 🤦‍♂️
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