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Zu spät!

Zu spät!
------- Autor: Wilhelm Busch -- ev. Pfarrer und Evangelist (1897-1966) ------







Zu spät

Das ist schon sehr lange her. 
Ich war noch ein junger Hilfsprediger in einer westfälischen Stadt. Aber obwohl ich seither viel erlebt habe, kann ich jene unheimliche Nachtstunde nicht vergessen.

Es lebte damals in meinem Pfarrbezirk ein Mann in mittleren Jahren, der bei jeder Gelegenheit das Christentum, die Kirche und auch mich rausam lästerte und verhöhnte. Als ich davon hörte, beschloss ich, ihn aufzusuchen.

Selten habe ich einen so erfolglosen und traurigen Hausbesuch gemacht. Der Mann war für jedes ruhige Gespräch unzugänglich. Lachend sagte er: »Geben Sie sich nur keine Mühe mit mir! Ich habe den Schwindel längst durchschaut. Ihr Pfarrer seid entweder selber dumm oder aber –ihr seid von irgendwelchen Mächten angestellt, die Leute dumm zu machen.

«Gott lebt!«, erwiderte ich. »Und Sie selbst werden einmal vor ihm stehen.«
Schallend lachte er mich aus: »Das ist so ein Hauptwitz von euch Pfarrern, dass ihr den Leuten Angst macht mit dem, was nach dem Tod kommt.
«Nun«, entgegnete ich, »das ist auch eine ernste Frage. Das begreifen Sie vielleicht eines Tages, wenn es ans Sterben geht.«

Da wurde er plötzlich ganz feierlich und erklärte: »Hören Sie gut zu: Niemals – noch einmal: Niemals werde ich Sie brauchen. Ich gehöre nicht zu den armseligen Leuten, die im Sterben auf einmal nach Gott rufen. Ich kann und werde ohne Sie sterben. Sterben ist die natürlichste Sache der Welt. Jede Pflanze hat einmal ausgeblüht. Und genauso geht es dem Menschen. Natürliche Vorgänge brauchen nicht so ein Brimborium, wie ihr es um das Sterben anzustellen beliebt.«

Ich ging. Dieser Mann war eisern entschlossen, ohne Gott zu leben und ohne Gott zu sterben. Hier war mein Dienst zu Ende. –

Doch da irrte ich mich. Es war etwa ein Jahr später. Da schellte es mitten in der Nacht an meiner Wohnungstür. Draußen stand die Frau dieses Mannes und bat mich aufgeregt, mit ihr zukommen. Ihr Mann sei seit einiger Zeit krank. Und nun habe der Arzt keine Hoffnung mehr. Es gehe mit ihm zu Ende.

Ich wehrte ab: »Liebe Frau! Ihr Mann hat mir ausdrücklich gesagt, er wolle mich nicht an seinem Sterbebett sehen. Ich hätte damals nicht gedacht, dass diese Lage so bald eintreten würde. Aber – ich kann doch nicht zu ihm gehen, wenner mich unter keinen Umständen sehen will.«
Darauf rief die Frau mit Zittern: »Kommen Sie schnell! Er hat mich ja selber nach Ihnen geschickt. Er sagt immerzu: Der Pfarrer hat doch Recht gehabt! Der Pfarrer hat doch Recht gehabt!« So machte ich mich schnell fertig und ging mit. 

Aber – ich kam zu spät. Der Mann war schon besinnungslos. Wohl sagte ich leise einige Bibelworte in seine Bewusstlosigkeit hinein von dem Blut Jesu, das uns rein macht von aller Sünde«. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er sie vernahm.

So ist er gestorben.
Ich fror, als ich in der Morgendämmerung nach Hause ging. Nicht nur die Kühle des jungen Tages machte mich frösteln. Meine Seele war voll Traurigkeit. Und auf einmal verstand ich ganz neu das gewaltige Gebet des großen Mannes Mose:
»Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.«

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Kommentare

 
Herbstprince 30.07.2023 20:33
Die Geschichte macht betroffen. 
Kürzlich war ich nach einer richterlichen Anhörung im Pflegehein noch mit der 84jährigen Dame ein paar Minuten allein. Nach so allgemeinen Sätzen, fragte ich sie, ob sie einen guten Draht zu Gott habe. Die Antwort war: "Ich bin zahlendes Mitglied aber ich will von ihm nichts wissen". 
Sie muss mein bestürztes Gesicht gesehen haben. Dann sagte sie, sie habe jahrelang Sterbegleitung gemacht und die Leute, die an Gott glaubten seien viel ruhiger ins Jenseits rübergegangen. 
"Dann zeigt, das doch, dass es einen Sinn macht an Gott zu glauben, wenn Sie diese gute Erfahrung machen konnten," entgegnete ich. Zur Bekräftigung sagte ich, dass meine Mutter mit 86 Jahren noch zum lebendigen Glauben gekommen sei und sie damit viel Freude gehabt habe. 
Ihre kurze Antwort verblüffte mich: "Dann habe ich ja noch zwei Jahre Zeit". sagte sie.

Ob sie tatsächlich noch genug Zeit hat?  Ich hatte nur einmalig mit ihr zu tun.   
  
 
pieter49 30.07.2023 21:03
um 20:33 Uhr

  🤔

Und er sprach : Darum habe ich euch gesagt : Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.
Joh. 6,65

So sieht man wie begnadigt wir sind als erlöste Sünder oder Sünderin ...!?
 
Digrilimele 30.07.2023 21:36
Im Kindesalter werden die Kleinen damit getröstet, dass von uns gegangene Menschen im Himmel bei Gott und den Engel sind, dort sind sie wieder gesund und leben weiter und eines Tages werden wir auch bei ihnen sein. Eine sehr schöne Vorstellung als auch Trost für die Kleinen.

Dann kommen die Kinder irgendwann in die Schule, erst in die  Grundschule und dort haben sie dann auch noch meist ihren kindlichen Glauben.
Spätestens in den weiterführenden Schulen wird ihnen dieser dann oftmals genommen. Nicht nur die Evolutionstheorie, sondern auch die Konfrontation mit den vielen Religionen, Hinduismus, Buddhismus und natürlich der Islam. Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt es viele Antworten und einem Leben danach, gibt es genauso viele als auch unterschiedliche Antworten, je nachdem, welcher Religion ich folge . Aber welche soll nun die richtige sein????

Ja, und dann kommt  noch das Leben dazu, welche Erfahrungen habe ich mit Gott gemacht?
War er da, als ich nach Hilfe schrie?

Und genau  diese Frage, beantworten viele leider falsch. 
Denn er war auch da, als du noch Hilfe schriebst, nur hat ER eben nicht das gemacht, was du wolltest. 
Viele Menschen fallen gerade in diesen Situationen vom Glauben ab, da sie ihren Willen nicht dem Willen Gottes  untergeordnet haben.
 
Digrilimele 30.07.2023 21:39
@ Ja, Pieter, sowohl das Wollen als auch Vollbringen  sind Geschenke Gottes.
 
Autumn 30.07.2023 22:17
20:33 "Ihre kurze Antwort verblüffte mich:
"Dann habe ich ja noch zwei Jahre Zeit". sagte sie. "
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Das ist wirklich verblüffend und auch etwas überheblich.
Sie war Sterbebegleiterin?  - Hmm ...

»Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.«

Danke für euer Interesse!
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