weiße TaubeChrist sucht Christ Logo ohne Taube

Jerusalem: Kirche im Schatten des Kreuzes

Jerusalem: Kirche im Schatten des Kreuzes
Der Kreuzweg am Karfreitag in Jerusalem erinnert daran, dass Kirche im Heiligen Land und überall sonst nicht ohne Kreuz geht. Das sagt in unserem Interview zum Karfreitag der Eisenstädter Priester Markus Bugnyar, Rektor des Österreichischen Pilgerhospizes in Jerusalem an der Via Dolorosa.


Kreuzweg in Jerusalem – wie ist das dieses Jahr für die Christen? Die Feindseligkeiten gegen Nicht-Juden im Heiligen Land nehmen ja zu – inwiefern trägt man das mit auf der Via Dolorosa?
Markus Bugnyar: Ich persönlich habe ehrlich gesagt nicht den Eindruck, dass die Feindseligkeiten gegen Christen aktuell zunehmen würden. Im Gegenteil. Das, was wir Anfang des Jahres noch erleben mussten, die Auseinandersetzungen im christlichen und armenischen Viertel, die Schändung des christlichen Friedhofes auf dem Zionsberg und anderes mehr - all das ist in den letzten Wochen doch zu einem Ende gekommen. Es ist aktuell ruhig.


Einige sehen eine Verbindung zwischen der aktuellen rechten Regierungskoalition in Israel und diesen Feindseligkeiten gegen Minderheiten – Sie nicht?

Markus Bugnyar: Es wird sicherlich so sein, dass sich solche fanatisierten Minderheiten durch die aktuelle Regierung in ihrem Weltbild bestätigt fühlen und deswegen mehr in die Öffentlichkeit drängen. Ich glaube dennoch nicht, dass es zahlenmäßig mehr werden, die sich solchen Feindseligkeiten gegenüber Christen anschließen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten, in denen ich hier im Österreichischen Hospiz leben und arbeiten darf, habe ich immer wieder solche Wellen und Feindseligkeiten erlebt. Sie entstehen, sie haben möglicherweise Anlässe, sie bäumen sich auf, sie erleben ihren Höhepunkt, sie verebben aber auch und sie verschwinden. Und das ist Gott sei Dank, die Situation, die wir aktuell hier in Jerusalem haben. Nichts davon ist vergessen. Nichts davon kann man allerdings ernsthaft als eine orchestrierte, organisierte Verfolgung der christlichen Minderheit im Heiligen Land bezeichnen.


Was erleben Sie als besonders eindrücklich beim Kreuzweg in der Via Dolorosa?

Markus Bugnyar: Das Österreichische Hospiz steht an der Via Dolorosa, genau an der dritten Station des Kreuzweges. Unsere Postanschrift lautet Via Dolorosa 37. Ganz ehrlich, das macht auch etwas mit mir, wenn ich mir in Erinnerung rufen, dass vieles von den Herausforderungen gerade als christliche Minderheit, gerade als Kleriker hier im Heiligen Land, natürlich im Schatten des Kreuzes stattfindet. Der ehemalige lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabah, hat vor vielen Jahren zu mir gesagt Lieber Herr Rektor, was erwarten Sie eigentlich? Ihr Leben kann ja hier nicht immer nur von positiven Dingen geprägt sein: Ihre Adresse lautet Via Dolorosa. Stellen Sie sich bewusst in den Schatten des Kreuzes. Das tun wir in gewisser Weise jeden Tag, indem wir unserer Arbeit nachgehen, indem wir mit den lokalen Christen vor Ort mitarbeiten, mitleiden, uns mit ihnen mitfreuen, wenn es glückliche Momente und Feiertage zu feiern gibt wie auch jetzt.


Und zugleich führt der Blick von unserer Dachterrasse, von der dritten Station der Via Dolorosa, hin zur Grabeskirche, dem Ort der Auferstehung. Es ist immer beides. Es ist die Erinnerung des Leidens, der Passion Jesu Christi im Wissen, dass es immer zu einer Auferstehung kommen wird für jeden gläubigen Menschen, anteilig in Etappen. Als Vorgeschmack schon in diesem Leben, fast jeden Tag, aber in der großen Erwartung dessen, was uns einst erfüllen wird, wenn wir dem Herrn von Angesicht zu Angesicht gegenüberst
ehen.


In diesem Jahr feiern alle drei monotheistischen Religionen ihre hohen Feiertage gleichzeitig. Für Muslime ist es der Fastenmonat Ramadan, für Christen die Kar- und Ostertage, und für Juden hat am Mittwoch Pessach begonnen, das bis nächste Woche dauert. Praktisch heißt das: Schulferien, Tourismus, Hin und Her. Wie kann man sich das in Jerusalem vorstellen?

Markus Bugnyar: Im öffentlichen Verkehr ruht vieles. Busse und Züge verkehren nicht, Ämter sind geschlossen, ebenso viele Lokale, gerade hier in Jerusalem, genauer: auf der Westseite in Jerusalem, während hier in der Altstadt von Jerusalem und in Ostjerusalem natürlich die muslimische Bevölkerung - ich darf es so nennen - die Nacht zum Tag macht, indem man nachts eben feiert, miteinander im Familien- und Freundeskreis zusammenkommt, um das Fasten zu brechen, bevor dann mit Sonnenaufgang der nächste Tag beginnt.

Man kann hier wirklich, wenn ich nur die Altstadt von Jerusalem in den Blick nehme, auf diesem einen Quadratkilometer dieses Miteinander der verschiedenen Kulturen und Religionen nicht nur sehen, sondern auch am eigenen Leib erfahren: wenn man in das Gedränge der Altstadt kommt, wenn muslimische Pilger an einem Freitag zum Mittagsgebet strömen oder bei einer Karfreitagsprozession mit dabei sein, wo auch sehr, sehr viele Gläubige kommen werden. Oder auf der anderen Seite sich alleine wiederfinden auf einer beinahe menschenleeren Straße in Westjerusalem.


Es ist schon eine sehr ganzheitliche Erfahrung, vor der wir in diesen Tagen stehen, mit allen Sinnen, mit allen Gerüchen, mit allen Eindrücken, mit allen Lärmquellen, die diese Stadt natürlich auch zu bieten hat. und sie bereichert, sie erfüllt das Herz. Die macht uns durchaus auch frei, auf neue und gute Gedanken zu kommen. Und sie gibt auch durchaus Hoffnung, dass dieses Miteinander der Feiertage möglicherweise auch eines Tages gemeinsam gefeiert werden kann. Wobei, ich bin und bleibe Realist: In naher Zukunft wird es angesichts der aktuellen politischen Lage sicherlich nicht passieren.

Wie ist die eigentliche Osternacht in der Auferstehungskirche, wie spielt sich das ab-

Markus Bugnyar: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Grabeskirche aufgeteilt ist auf sechs verschiedene Kirchengemeinschaften, wobei es dazu noch verschiedene Kalendersysteme gibt, die es mit sich bringen, dass die Feiertage in einem Jahr zusammenfallen, im nächsten aber weit auseinander liegen. Das macht es schwierig, dass jede Kirchengemeinschaft auch ihre Gottesdienste an ihren Feiertagen feiern kann. In der Grabeskirche gilt der sogenannte Status quo schon seit dem 18. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert erneuert, der ganz genau regelt, wann, wo, wie, welche Kirchengemeinschaft, in welcher Zeit, in welchem Ausmaß, mit welchen Details Gottesdienste feiern kann. Deshalb gibt es in der Grabeskirche eben keine Osternachtfeier, wie wir sie kennen. Man feiert die Gottesdienste so wie zum Zeitpunkt, als der Status quo festgeschrieben wurde. Das heißt für die Grabeskirche, dass die Osternacht - so wie es vor der Liturgiereform üblich war - bereits am Karsamstag in der Früh in der Grabeskirche gefeiert wir
wird. 


Die Liturgie ist aber die, die wir kennen?

Markus Bugnyar: Vom Inhalt her, vom Gottesdienst, von der Liturgie mag uns vieles bekannt vorkommen, von zu Hause mit den Lesungen, den Texten, den Gesängen, den Fürbitten und allem, was dazugehört zu dieser Osternacht-Feier. Aber die Uhrzeit ist doch eine deutlich andere und erinnert uns in gewisser Weise daran, dass die Christenheit als solche die Kirche Jesu Christi in vielen verschiedenen Kirchen Gemeinschaften uns hier in Jerusalem begegnet, dass möglicherweise die Einheit, die wir uns alle wünschen, ein Ziel, ein fernes Ziel sein mag.

Wir folgen dem Status quo, damit auch die anderen, die orthodoxen Kirchengemeinschaften zu ihrem Recht kommen. Aber natürlich ist alles hier ein bisschen anders als zu Hause. Wiedererkennbar, mitfeierbar, aber doch sehr spezifisch für Jerusalem und für die Grabeskirche. Nach meiner Einschätzung ist das auch gerade ein nicht unwesentlicher Bestandteil dieser Anziehungskraft.


(vatican news – gs)

Kommentare

Schreib auch du einen Kommentar
 
(Nutzer gelöscht) 07.04.2023 11:09
danke für die Infos KLavierspielerin - mich interessiert das sehr
ich war 2014 auf dem Tempelberg und bin durch die Via Dolorosa gelaufen - da war es sehr unruhig, an den Ecken stand Militär
weiße TaubeJetzt kostenlos registrieren