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"Papa, das war schön ..."

"Papa, das war schön ..."
Autor: Wilhelm Busch (1897-1966) - evangelischer Pfarrer und Jugend-Evangelist








„Es war schön..."

Müde von einem reichen Sonntagsdienst sitze ich in meinem Sessel. Diese Sonntage im Jahre 1944 waren ja jedesmal ein wenig aufregend — namentlich für einen Pfarrer. Und namentlich in Essen, wo wir Tag und Nacht nicht mehr aus den Alarmen herauskamen.
In der Nacht hatten die Sirenen zweimal geheult. Würden die müden Menschen nun zum Gottesdienst kommen? Ja, sie kamen. Sie füllten den Keller, der uns nach der Zerstörung aller Räume geblieben war, bis auf den letzten Platz.

Aber während des Gottesdienstes blieb die Sorge: Wird nicht neuer Alarm uns auseinandertreiben? Oder wird die Gestapo nicht irgendeinen Grund finden, die Versammlung aufzulösen?
Und dieselben Sorgen am Nachmittag in dem wackeren Jugendkreis, der es trotz der Bedrohung durch Bomben und Gestapo wagte, zusammenzukommen um das Wort Gottes.
Aber alles war wunderbar gut gegangen.

So sitze ich voll Dankbarkeit in meinem Sessel. Eben will ich ein Buch vornehmen, da fangen die Sirenen an. Voralarm! Nun, das ist noch nicht so sehr bedrohlich. Ich mache mich auf, um im Radio zu hören, was los ist. Da — auf einmal — ein wüstes, nervenzerreißendes Heulen — ein ohrenbetäubender Krach —: die erste Bombe!

Der Alarm kam zu spät. Zu spät für uns, um noch in den nahen Bunker zu laufen. Sekundenlang Türenschlagen — Rennen — Schreien —, dann findet sich die ganze Hausbewohnerschaft im Keller zusammen. O dieser Keller! Es ist uns allen klar, daß er keinen Schutz bietet, wenn nur eine dieser schweren Bomben in der Nähe des Hauses krepiert.

Und nun bricht die Hölle los. Brandbomben zischen herunter. Schwere Bomben heulen heran. Das Kellerlein schwankt wie ein Schiff im Sturm. Über uns Klirren. Da sind die neu eingesetzten Fenster wieder in die Brüche gegangen.
Ich schaue auf die Uhr: Erst fünf Minuten sind vorbei. Und solch ein Angriff dauert sicher fünfundvierzig Minuten. Es ist qualvoll! Die junge Frau, die oben im Haus wohnt, hat sich auf den Boden gekauert und wimmert nur.
„Kinder", sage ich, „wollen wir nicht ein Lied singen?" Und schon stimme ich an:

„Stark ist meines Jesu Hand,
Und Er wird mich ewig fassen;
Hat zu viel an mich gewandt,
Um mich wieder loszulassen ..."

Wie gut ist es, dass meine Kinder jede Woche ein geistliches Lied gelernt haben, das sie mir immer am Sonntagmorgen aufsagten! Nun können wir das halbe Gesangbuch auswendig.
So singen wir ein Lied nach dem ändern:

"Befiehl du deine Wege
Und was dein Herze kränkt
Der allertreusten Pflege
Des, der den Himmel lenkt ..."

Wir singen aus der Not und dem Entsetzen heraus. Wir singen uns alle Furcht vom Herzen. Wir singen unsre Glaubenslieder dem drohenden Tod ins Gesicht hinein.

„Wenn sich die Sonn verhüllt,
(längst ist der elektrische Strom weg und Finsternis umhüllt uns)
Der Löwe um mich brüllt,  (und wie er brüllt!)
So weiß ich auch in finst'rer Nacht,
Dass Jesus mich bewacht."

Endlich ist der Angriff zu Ende. Wir stürzen hinauf. Überall Flammenschein! Unsere Wohnung ist ein Chaos. Und doch sind wir so froh, dass das Haus noch steht. Vor dem Hause liegt die Leiche eines Mannes, dem der Luftdruck das Gesicht wegriß, das nun unheimlich grinsend neben ihm liegt.
Wir schütteln den Kalk aus den Betten und bringen die Kinder zu Bett. Und dann beuge ich mich über meine Jüngste, um ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Da schlingt sie die Arme um mich und sagt aus tiefstem Herzen: „Papa, das war schön!"

Einen kurzen Moment bin ich fassungslos. „Schön?! Dies Entsetzliche schön?!" Aber es ist wahr: Das Kind hat recht. Ja, es war schön, als wir so unsere Jesuslieder sangen — mitten im Rachen des Todes. Es war schön, denn wir hatten alle gemerkt, dass während dieses Singens der Herr Jesus Sein Wort wahr machte: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." Ja, es war schön, als ein großer Friede über uns kam, so dass auch die wimmernde junge Frau still wurde.

„Es war schön!" Strahlend groß ging mir auf, dass es bei Jesus schön ist, auch wenn man in der Hölle säße. Ja, dass es schöner ist, mit Jesus in der Hölle zu sein als ohne Ihn im Paradies.



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Kommentare

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Zeitlos6 02.04.2023 14:16
Das sind die Nachteile einer Diktatur und ...
eines Dorftrottels von 1933.
 
hansfeuerstein 02.04.2023 14:40
Ich werde nie verstehen, warum man auf Unbewaffnete zwar nicht schiesst, aber eine gewaltige Bombenlast auf ihre Köpfe wirft. Das eine gilt als no go, das andere als legitim.
Was aber soll man dazu sagen. Die Erzählung ist jedenfalls wunderbar.
 
Herbstprince 02.04.2023 14:43
Beeindruckend, wie man eine Bombennacht im Schutz von Jesus überleben konnte.
Kann es sein, dass Jesus so einen geistigen Schutzwall um die Seele dieses Kindes aufgerichtet hat, dass es die Schrecken und das Ausmaß des Angriffes nicht wahrnehmen musste, sondern sich komplett sicher und geborgen fühlte.  
 
Herbstprince 02.04.2023 14:45
hansfeuerstein
Nannte man es nicht " Vergeltung", diese Angriffe auf die Zivilbevölkerung ?
Und da wo Wilhem Busch wohnte, war halt das "Herz von Deutschland", die Industrieanlagen des Ruhrgebiets.   
 
(Nutzer gelöscht) 02.04.2023 16:56
am 1.April 1945 ... gestern vor 78 Jahren, habe ich auf dem Schoss meiner Mutter erlebt, wie mein Elternhaus beschossen wurde und abbrannte, meine Oma neben mir betete laut, schrie zu Gott. Ich war erst 3 Jahre alt, aber heute noch empfinde ich Frieden ... wie in einem Kokon - eingehüllt erinnere ich diese Nacht.
 
Herbstprince 02.04.2023 17:00
Liebe Granitrose, das finde ich wunderbar, dass Du dieses Dein Zeugnis mit uns teilst.
Ich glaube, dass die Schilderung von Wilhelm Busch wahr ist, aber so ein Zeugnis, wie Du es erlebst hast, gibt unbegreiflich Frieden und stärkt den Glauben, dass Jesus wahrhaftig bei uns ist.     
 
Autumn 02.04.2023 17:15
Danke, Granitrose, für dein persönliches Zeugnis.


Sprüche 14:26
"Wer den HERRN fürchtet, der hat eine sichere Festung,
und seine Kinder werden auch beschirmt."
 
Herbstprince 02.04.2023 17:27
 
Autumn 02.04.2023 17:35
Danke Herbstprince für deine wertvollen Beiträge und Kommentare in diesem Blog!

Das Bild "In Gottes Händen" von Sieger Köder ...
... es passt soo treffend! 💟
 
(Nutzer gelöscht) 02.04.2023 17:36
Sprüche 14:26
"Wer den HERRN fürchtet, der hat eine sichere Festung,
und seine Kinder werden auch beschirmt."

"HERR, dieses bitte ich für meine Kinder ... Amen
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