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Alltägliche geistliche Pflichten in einer feindlichen Welt

Alltägliche geistliche Pflichten in einer feindlichen Welt
Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und
nüchtern zum Gebet. Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn die
Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken. Seid gegeneinander gastfreundlich ohne Murren! Dient einander, jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat, als gute Haushalter der mannigfaltigen Gnade Gottes: Wenn jemand
redet, so rede er es als Aussprüche Gottes; wenn jemand dient, so tue er es aus
der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht wird durch Jesus
Christus. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen. (4,7-11)
In den späten 1960ern und weit in die 1970er hinein erlebte die evangelikale Gemeinde
in Nordamerika eine Erneuerung und Vergrößerung durch die sogenannte JesusBewegung. Sie zeichnete sich durch ein wiederentdecktes Interesse am Bibelstudium
aus, was Auswirkungen auf Evangelisation und Jüngerschaft hatte, besonders an Colleges und Universitäten. Neue Bibelübersetzungen erschienen (z.B. The Living Bible,
Good News Bible, The New International Version), und andere moderne Übersetzungen erlangten eine größere Akzeptanz (z.B. Revised Standard Version, New American
Standard Bible, New English Bible). Zur selben Zeit expandierten evangelikale Fernseh-Sender, das christliche Verlagswesen und die christliche Musikbranche. Auf dem
ganzen Kontinent tauchten viele neue unabhängige Gemeinden auf, die zusammen
mit einigen existierenden evangelikalen Gemeinden einen raschen Zuwachs erfuhren.
Manche bauten größere Gemeindesäle und andere Einrichtungen, und bis zu einem
gewissen Maße waren diese Gemeinden die Vorgänger der heutigen Megakirchen.
Heutige Trends im Evangelikalismus weichen stark von der damaligen biblischen
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1. Petrus
Erweckung und Erneuerung ab. Die gegenwärtige besucherfreundliche Philosophie,
von der man sich Gemeindewachstum verspricht, versucht alles zu integrieren und
legt zunehmend weniger Wert auf lehrmäßige Klarheit und die Liebe zur Wahrheit.
Man bedient sich der Marketing-Strategie der Welt und hat eine Art Pop-Evangelium
entwickelt, das die Gemeindelandschaft gegenwärtig dominiert. Im Geiste dieser Philosophie wird jeder mögliche Anstoß aus der Verkündigung entfernt, wodurch diese
immer mehr vom wahren Inhalt der biblischen Botschaft abrückt. Die Gemeinde legt
verstärkt eine Ichbezogenheit an den Tag, die in säkularer Psychologie und Pragmatismus gegründet ist sowie in der Bereitschaft, ungläubige »Experten« zu den einflussreichsten Beratern der Gemeinde zu machen. (Eine tiefer gehende Analyse dieses Phänomens findet sich bei John MacArthur, Lampen ohne Öl [Bielefeld: CLV,
1997]; The Gospel According to the Apostles [Nashville: Word, 1993, 2000]; Alles
gleich gültig? [Oerlinghausen: Betanien, 2004]; Durch die enge Pforte [Oerlinghausen: Betanien, 2004].)
Das Streben nach sozialer und kultureller Akzeptanz ist eine subtilere und hinterhältigere Bedrohung für die geistliche Gesundheit der Gemeinde als der theologische
Liberalismus, der sich deutlich definiert (deswegen ist er einfacher zu erkennen und
man kann ihm leichter entgegentreten). Weltlicher Evangelikalismus erhebt den
Anspruch, an der Wahrheit festzuhalten, aber in Wirklichkeit unterläuft er sie. Er bietet poppig-musikalische Erfahrungen, sentimentale Gefühle, richtet die Aufmerksamkeit auf selbst festgelegte Bedürfnisse und praktische Problemlösungstechniken (die
sich oftmals von Marktuntersuchungen ableiten), statt schriftgemäße Antworten in
Bezug auf Gesetz, Sünde, Vergebung und Gerechtigkeit zu geben.
Die heutige Gemeinde braucht dringend geistliche Erneuerung, und die wird es nur
geben, wenn die Gläubigen ihre persönlichen Wünsche zurückstellen und sich nach
biblischem Denken, Reden und Leben sehnen. Wenn sie das tun, wird die Gemeinde
mehr als nur ein kleiner Haufen sein; dann wird sie vor den Augen einer feindlichen
Welt zu geistlicher Kraft heranwachsen. Zu diesem Zweck belehrt der Apostel Petrus
die Gläubigen in diesem Abschnitt über drei grundlegende Aspekte ihrer Pflicht: die
Motivation für unsere geistliche Pflicht, die Belehrungen für unsere Pflicht und die
Absicht unserer Pflicht...https://clv.de/Der-1.-Brief-des-Petrus/256304

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Sulzbacher 09.02.2023 18:44
Die Motivation für unsere geistliche Pflicht
Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. (4,7a)
Das Wort, das mit Ende (telos) wiedergegeben wurde, deutet nicht notwendigerweise
Beendigung oder einen zeitlichen Schluss an. Hier bedeutet es vielmehr »Höhepunkt«
oder »Erfüllung« oder »das Erreichen eines Zieles«. In diesem Kontext bezieht es
sich auf das zweite Kommen Christi. Das hier gemeinte Ende ist nicht der Höhepunkt
der Verfolgung für die Leser von Petrus. Ebenso wenig dachte der Apostel an einen
4,7-11
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kurz bevorstehenden Regierungswechsel, der zu einer wohlwollenderen Behandlung
von Christen führen würde. Sein Hinweis auf die Erfüllung aller Dinge lässt darauf
schließen, dass er von der Rückkehr des Herrn sprach (vgl. Apg 3,21; Kol 3,4; 2Thes
1,10; 2Tim 4,1.8; Hebr 9,28; Offb 20,11-13).
Das mit ist … nahe gekommen (ēggiken) übersetzte Verb bedeutet »herannahen«.
Das Perfekt lässt auf einen vollendeten Prozess mit einer sich daraus ergebenden
Nähe schließen – das Ereignis (die Rückkehr Christi) steht kurz bevor; es könnte
jederzeit geschehen (vgl. Mt 24,37-39; Röm 13,12; 1Thes 5,2; Offb 16,15; 22,20).
Aus diesem Grund sollten Gläubige als Kennzeichen ihrer Treue in einer andauernden Erwartungshaltung leben. Dass Petrus in dem Bewusstsein dieses nahe bevorstehenden Ereignisses lebte, zeigt sich bereits zu Anfang seines Briefs, als er seinen
Lesern Mut machte, dass sie von der Kraft Gottes beschützt werden »zu dem Heil, das
bereit ist, geoffenbart zu werden in der letzten Zeit« (1,5) – »bei der Offenbarung Jesu
Christi« (1,7; vgl. 1,13; 2,12). Zahlreiche andere neutestamentliche Stellen betonen
ebenfalls, wie wichtig es ist, dass Gläubige die nahe bevorstehende Rückkehr Christi
erwarten (Mk 13,35-37; Lk 12,40; 21,36; 1Kor 1,7; 1Tim 6,14; Tit 2,13; Jak 5,7-9).
Die Juden, die während des irdischen Dienstes Jesu lebten, sahen das Ende des
Alten Bundes und die Einführung des Neuen Bundes. Das ganze alttestamentliche
System von Zeremonien, Ritualen, Opfern und Priestern endete mit dem Zerreißen
des Tempelvorhangs und der Öffnung des Allerheiligsten für jedermann (Mt 27,51;
Joh 19,30; Hebr 10,14-22). Im Jahr 70 n.Chr. betonte Gott diese Veränderung mit der
Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die römische Armee und ihren Oberbefehlshaber Titus. Dies erfüllte Jesu Prophezeiung an die Apostel: »Und Jesus trat
hinaus und ging vom Tempel hinweg. Und seine Jünger kamen herzu, um ihm die
Gebäude des Tempels zu zeigen. Jesus aber sprach zu ihnen: Seht ihr nicht dies alles?
Wahrlich, ich sage euch: Hier wird kein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht
abgebrochen wird!« (Mt 24,1-2).
Der Apostel Paulus schrieb den Korinthern über die urplötzliche Entrückung der
Gemeinde, das erste Ereignis in der zeitlichen Abfolge, das zur Rückkehr Christi und
seiner irdischen Herrschaft führt:
Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden zwar nicht alle entschlafen, wir werden
aber alle verwandelt werden, plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune;
denn die Posaune wird erschallen, und die Toten werden auferweckt werden unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dieses Verwesliche muss Unverweslichkeit
anziehen, und dieses Sterbliche muss Unsterblichkeit anziehen. (1Kor 15,51-53)
Dann wird Gott jeden Christen im Bruchteil einer Sekunde mit Unsterblichkeit be­kleiden (vgl. 5,4; Phil 3,21; 2Tim 4,8). Dieses Ereignis ist sowohl plötzlich als auch
ein Geheimnis, was darauf schließen lässt, dass Gott noch nicht alle Einzelheiten darüber geoffenbart hat, einschließlich des Zeitpunkts.
In Bezug auf die Entrückung sagte Paulus den Thessalonichern:
Geistliche Pflicht in einer feindlichen Welt 4,7-11
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1. Petrus
Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrig bleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen; denn der
Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune
Gottes erschallt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zusammen mit ihnen entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn, in die Luft, und so werden wir bei
dem Herrn sein allezeit. (1Thes 4,15-17)
»Wir« deutet an, dass der Apostel glaubte, die Rückkehr Christi könnte noch zu seinen
Lebzeiten geschehen. Die Gemeinde heute sollte in einer weitaus größeren Erwartung
leben (vgl. Jak 5,7-8).
Der Verfasser des Hebräerbriefs ermahnte seine Leser, an ihren Zusammenkünften
festzuhalten und einander zu ermutigen, weil der Tag der Rückkehr Christi herannahte
(Hebr 10,25). Nahezu 2000 Jahre sind seitdem vergangen, und es ist offensichtlich,
dass seine Rückkehr heute näher ist. Aus diesem Grund ist es heute noch dringender,
dass Gläubige die Gemeindetreffen nicht vernachlässigen, um sich gegenseitig mit
der göttlichen Wahrheit aufzubauen und zu trösten (vgl. Apg 2,42; Röm 15,5-7; Hebr
3,13; 10,24-25; 12,26-28).
Gegen Ende seines Lebens war der Apostel Johannes zutiefst davon überzeugt,
dass die Rückkehr Christi mit all ihren begleitenden Ereignissen und Phänomenen,
die Gott ihm in Visionen offenbarte, schon sehr bald geschehen könnte. Unter der
Inspiration des Heiligen Geistes bezeugte er diese Wahrheit und den Segen einer täglichen Erwartung dieser Geschehnisse (vgl. Offb 1,3; 22,20).
Direkt vor seiner Himmelfahrt sagte Jesus zu den Aposteln: »Es ist nicht eure Sache,
die Zeiten oder Zeitpunkte [hinsichtlich der Einsetzung seines irdischen Reiches] zu
kennen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat« (Apg 1,7; vgl. Mt
24,36). Obgleich es sein Wille ist, dass Gläubige ihre Hoffnung auf die Rückkehr
Christi setzen, hat Gott beschlossen, die genaue Zeit nicht bekannt zu geben. Wüssten sie, dass das Datum der Rückkehr Christi noch weit in der Zukunft läge, könnten die Gläubigen ihre Motivation verlieren und selbstgefällig werden, oder wenn sie
im Gegenteil wüssten, dass der Tag nahe ist, wäre es möglich, dass sie sich geradezu
panisch in Kurzschlusshandlungen stürzten. Da uns aber nur gesagt wird, dass das
Ereignis nahe bevorsteht, werden beide Extreme ausgeschlossen, sodass alle Christen
in der ganzen Kirchengeschichte in einer biblisch ausgewogenen Erwartungshaltung
leben können.
Das Wissen, dass das erste Kennzeichen der Rückkehr Christi, die Entrückung der
Gemeinde, nahe ist, motiviert die Gläubigen zu einer heiligen Lebensführung. Johannes schrieb:
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Kinder Gottes heißen sollen!
Darum erkennt uns die Welt nicht, weil sie Ihn nicht erkannt hat. Geliebte, wir sind jetzt
Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber,
4,7-11
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dass wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden
ihn sehen, wie er ist. (1Jo 3,1-2; vgl. 2Kor 5,10)
Auch das Wissen, dass er bei seiner Rückkehr die Gottlosen richten wird (4,5; vgl.
2Thes 1,6-9), drängt die Heiligen zur Evangelisation, wie Paulus schrieb: »In dem
Bewusstsein, dass der Herr zu fürchten ist, suchen wir daher die Menschen zu überzeugen, Gott aber sind wir offenbar; ich hoffe aber auch in eurem Gewissen offenbar
zu sein« (2Kor 5,11).
Die frühe Gemeinde befand sich bereits in den letzten Tagen (1Jo 2,18), die mit
dem ersten Kommen Christi angefangen hatten (Hebr 1,1-2). Paulus beschrieb Timotheus detailliert die geistliche Stimmung seiner Zeit, damit er wusste, was er erwarten
konnte, während er in der Gemeinde arbeitete:
Das aber sollst du wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten eintreten werden. Denn
die Menschen werden sich selbst lieben, geldgierig sein, prahlerisch, überheblich, Lästerer,
den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, un­beherrscht, gewalttätig, dem Guten feind, Verräter, leichtsinnig, aufgeblasen; sie lieben das
Vergnügen mehr als Gott; dabei haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft
aber verleugnen sie. Von solchen wende dich ab! (2Tim 3,1-5; vgl. 4,3-4; 1Tim 4,1-3)
Der Schreiber des Hebräerbriefs lieferte einen weiteren Kommentar zu der vollen
Bedeutung Christi und der letzten Tage:
Nun aber ist er einmal offenbar geworden in der Vollendung der Weltzeiten zur Aufhebung
der Sünde durch das Opfer seiner selbst. Und so gewiss es den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, so wird der Christus, nachdem er sich einmal zum
Opfer dargebracht hat, um die Sünden vieler auf sich zu nehmen, zum zweiten Mal denen
erscheinen, die auf ihn warten, nicht wegen der Sünde, sondern zum Heil. (Hebr 9,26-28)
Das erste Kommen Christi brachte das Heil durch seinen Tod auf Golgatha. Durch das
Sühnewerk Christi erlöste Gott die Gläubigen aus dem Reich der Finsternis, schenkte
ihnen Sündenvergebung und brachte sie in das Reich seines Sohnes (Kol 1,13-14;
vgl. Ps 103,12; Mt 26,28; Apg 26,18; 1Kor 1,30; 2Kor 5,19; Eph 1,7; 2,13; Kol 2,13;
Hebr 9,14; 1Jo 1,7). Christus kam, um seine Autorität zu demonstrieren, sein Reich zu
verkünden und Sünde und Tod zu besiegen (vgl. Ps 45,7; Jes 9,6; Jer 23,5; Mt 12,28;
18,3; Mk 1,15; Lk 10,9.11; 11,20; 17,21; Joh 18,36; Röm 14,17; Hebr 1,8; 12,28). Die
Gemeinde befindet sich heute in den letzten Tagen dieses geistlichen und inneren Reiches. Seine Rückkehr und sein Gericht werden in der Aufrichtung seines tausendjährigen irdischen Reiches gipfeln (vgl. Jes 65,17-25; Hes 37,24-25; Hos 3,5; Sach 14,16-
21; Offb 20,1-6), bevor die ewigen neuen Himmel und die ewige neue Erde entstehen,
wo die Gerechten für immer wohnen werden (vgl. Mt 25,34; Joh 14,2; Hebr 12,22-
24.28; 2Petr 1,11; 3,13; Offb 3,21; 7,16-17; 21,1-4; 22,3-4).
Geistliche Pflicht in einer feindlichen Welt 4,7-11
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1. Petrus
Andere neutestamentliche Texte stützen Petrus’ Ermahnung hier, dass Gläubige
ein heiliges Leben führen und die nahe bevorstehende Rückkehr Jesu erwarten sollen
(vgl. 1Kor 1,7; 16,22; 2Petr 3,11-13; 1Jo 2,28). Die Schrift ruft jedoch nicht zu einem
übereifrigen endzeitlichen Extremismus auf (z.B. Ermitteln des genauen Zeitpunkts,
eine unangebrachte Beschäftigung mit nicht geoffenbarten Details oder eine Faszination für diese, unkluge Spekulationen über den Zusammenhang zwischen gegenwärtigen Ereignissen und letzten Dingen, ein Zurückziehen aus der Gesellschaft oder
das Drücken vor Verantwortung und gleichzeitig passives Warten auf seine Rückkehr). Jesus lehrte:
Eure Lenden sollen umgürtet sein und eure Lichter brennend; und seid Menschen gleich,
die ihren Herrn erwarten, wenn er von der Hochzeit aufbrechen wird, damit, wenn er
kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. Glückselig sind jene Knechte, welche der
Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und sie zu Tisch führen und hinzutreten und sie bedienen. (Lk 12,35-37)
Wenn er zurückkommt, wird Christus denen dienen, die geduldig auf diesen Tag
gewartet haben. Aber er ermahnte die Gläubigen auch, wachsam und vorbereitet auf
dieses Ereignis zu warten (Mt 24,42-44), da sie die genaue Stunde oder das genaue
Datum seines Erscheinens nicht kennen (vgl. 2Petr 3,10).
Der Apostel Paulus bestätigte, dass das Merkmal eines echten Christen der Wunsch
ist, dem Herrn zu gefallen: »Darum suchen wir auch unsere Ehre darin, dass wir ihm
wohlgefallen, sei es daheim oder nicht daheim. Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder das empfängt, was er durch den
Leib gewirkt hat, es sei gut oder böse« (2Kor 5,9-10). Am Gerichtstag werden die
Gläubigen vor Christus stehen und Rechenschaft über ihr Leben ablegen. Bei diesem
Gericht wird der Herr alle Gläubigen für ihre guten Werke belohnen und ihre Hingabe an ihn und ihre Nützlichkeit im Dienst für ihn beurteilen (vgl. 1Kor 3,10-15;
4,1-5). Das Wissen um diese zukünftige Realität sollte jeden Gläubigen mit dem
Wunsch nach dauerhafter Reinheit erfüllen (2Petr 3,14.18), so wie es bei den Aposteln Paulus (Phil 3,14; 2Tim 4,7-8) und Johannes (1Jo 3,2-3) der Fall war
 
Sulzbacher 09.02.2023 19:03
Die Belehrungen für unsere Pflicht
So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allem aber habt innige Liebe
untereinander; denn die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken. Seid
gegeneinander gastfreundlich ohne Murren! Dient einander, jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat, als gute Haushalter der mannigfaltigen Gnade
Gottes: Wenn jemand redet, so rede er es als Aussprüche Gottes; wenn jemand
dient, so tue er es aus der Kraft, die Gott darreicht, (4,7b-11a)
4,7-11
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All diese anspruchsvollen Gebote machen deutlich, dass jeder, der Jesus Christus
wirklich aufnimmt, zuerst die hohen Kosten überschlagen muss. Die Nachfolge Jesu
verlangt totale Selbstverleugnung und die Unterordnung unter seine Führung, selbst
wenn Gehorsam den Tod bedeutet. »Er sprach aber zu allen: Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und
folge mir nach« (Lk 9,23; weitere Gedanken zu den Kosten der Jüngerschaft finden
sich in John MacArthur, Durch die enge Pforte [Oerlinghausen: Betanien, 2004]).
Wenn Gläubige andere Menschen evangelisieren, müssen sie diesen auch klarmachen, dass sie die Kosten überschlagen müssen (Mt 19,21; Lk 9,59-62; 14,26-33;
vgl. Mt 13,44-46). Auch wenn die Evangeliumsbotschaft auffordert, sich Jesus Christus unterzuordnen, ist sie dennoch ein Gnadenaufruf. Jesus sagte: »Nehmt auf euch
mein Joch … Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht« (Mt 11,29.30). Jüngerschaft ist kostspielig und bringt ewige Freuden, aber die Kosten der Ablehnung
sind unendlich größer und mit ewiger Pein verbunden (vgl. Ps 9,18; Spr 13,15; Jes
33,14; Mt 8,12; 13,42; 25,41; Lk 16,23). Ein Leben ohne Christus führt früher oder
später zu vernichtender Schuld, hoffnungsloser Enttäuschung, unlösbaren Problemen
und, im Anschluss an all diese Dinge, zu ewiger Verdammnis. Somit ist die Jüngerschaft ein Paradoxon: Die Nachfolge des Herrn ist kostspielig und zugleich leicht
(vgl. Mt 11,28-30; 1Jo 5,3) – anstrengend und zugleich lohnend (vgl. Röm 2,7;
8,17-18; Hebr 4,9; 10,35; Jak 1,12; Offb 2,10; 3,21; 21,7).
Gott ruft Gläubige nicht nur auf, ihm zu gehorchen, sondern schenkt ihnen durch
den Heiligen Geist, der durch die Schrift wirkt, auch die Kraft dazu (Eph 5,15-21;
Phil 4,13; Kol 3,16-17; vgl. 2Tim 1,7-8). Da die postmoderne Welt so komplex ist,
geht die heutige Christenheit fälschlicherweise davon aus, dass Lösungen für die
Probleme und Schwierigkeiten von Gläubigen ebenfalls komplex sind. Doch die
wesentlichen Prinzipien des christlichen Lebens sind einfach und direkt, denn Gott
hat demütige, normale Menschen auserwählt, um ihnen seine Absichten und seinen
Willen bekannt zu geben (1Kor 1,27-28). Und aufgrund der Wiedergeburt sehnen
sich Christen danach, Gott gehorsam zu sein und mehr in das Bild Christi verwandelt zu werden (Phil 3,7-14). Die Sünde schränkt ihre Fähigkeit, das Gute zu tun, ein
(Röm 7,19), jedoch hassen alle echten Christen die Sünde und lieben die Gerechtigkeit (V. 22-25). Der Schlüssel für den Umgang mit Prüfungen und Versuchungen liegt
in einer täglichen geistlichen Disziplin (vgl. Lk 6,40; 16,10-12; 1Kor 4,2; 2Tim 2,2),
die zu wachsendem Glauben und Mut führt (vgl. Ps 31,25; 1Kor 16,13; Eph 6,16;
Kol 1,23; Hebr 11,1-2; 1Jo 5,4-5).
Dieser Abschnitt enthält drei Grundelemente, die Christen für ein gottesfürchtiges
Leben und ein effektives Zeugnis gegenüber der Welt benötigen: persönliche Heiligkeit, die ihre Beziehung zu Gott betrifft; gegenseitige Liebe in ihrer Beziehung zu
anderen Gläubigen; und geistlicher Dienst, was sich auf ihre Verantwortung gegenüber der Gemeinde bezieht.
 
Sulzbacher 09.02.2023 19:10
Über persönliche Heiligkeit
So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. (4,7b)
Es ist ein Grundsatz, dass gottgemäßes Denken wesentlich ist für die Gemeinschaft
mit Gott, denn je besser man die Gedanken einer Person kennt, umso tiefer wird die
Beziehung zu ihr sein (Röm 12,1-2; Eph 4,23-24; Phil 4,8). Das mit besonnen wiedergegebene Wort leitet sich von einem Begriff her, der wörtlich »von gesundem Verstand sein« (sōphroneō) bedeutet – sich unter Kontrolle haben und sich nicht durch
eine falsche Selbstsicht, unangebrachte Gefühle oder unbeherrschte Leidenschaften wegreißen lassen (Röm 12,3; vgl. Spr 23,7). Markus gebrauchte es, um den Be­sessenen zu beschreiben, den Jesus von einer Legion Dämonen befreite (Mk 5,15).
Das Verb bezieht sich auch darauf, seinen Verstand zu behüten (vgl. Spr 4,23) und ihn
klar zu halten. Der Christ muss sein Denken auf geistliche Prioritäten und eine rechtschaffene Lebensführung richten (Jos 1,8; Mt 6,33; Kol 3,2.16; Tit 2,11-12) – Ziele,
von denen eine maßlose, trügerische Welt, die stark vom Teufel beeinflusst wird, permanent abzulenken versucht (vgl. 1Jo 2,15-16). Wenn das Denken der Gläubigen
Christus (2Kor 10,5) und seinem Wort (Ps 1,2; 19,8.11; 119,97.103.105; vgl. 2Tim
3,15-17) unterworfen ist, sehen sie die Dinge aus einer ewigen Perspektive.
Eine heilige Lebensführung erfordert zudem geistliche Wachsamkeit. Das Wort
nüchtern (nēphō) ist in seiner Bedeutung eng mit besonnen verbunden und bedeutet,
geistlich aufmerksam zu sein. Jesus drückte einen ähnlichen Gedanken aus, als er die
Apostel aufforderte: »So wacht nun« (Mt 24,42; vgl. 26,41).
Gottgemäßes Denken und geistliche Wachsamkeit sind entscheidend für das
Gebet. Gebet ist der Zugang zu allen geistlichen Quellen, aber Christen können nicht
richtig beten, wenn ihre Gedanken unbeständig sind, weil sie weltlichen Beschäftigungen nachgehen, Gottes Wahrheit nicht kennen oder den göttlichen Absichten gegenüber gleichgültig sind (vgl. 1Kor 14,15; Hebr 10,22; 1Jo 5,14-15). Gläubige, die die
Schrift ernsthaft studieren und ihre tiefen Wahrheiten über Gott entdecken, haben eine
fruchtbare Beziehung zu ihm (Ps 42,2; Joh 14,23; 2Kor 13,14; 1Jo 1,3) und verstehen,
was Paulus mit dem »Sinn des Herrn« (1Kor 2,16; vgl. Jes 40,13; 2Tim 1,7) meinte.
Dieses wesentliche Element in der Beziehung eines Christen zu Gott wird durch die
Beziehung des Heiligen Geistes zum Vater illustriert. Paulus schrieb: »Der aber die
Herzen erforscht, weiß, was das Trachten des Geistes ist; denn er tritt so für die Heiligen ein, wie es Gott entspricht« (Röm 8,27). Da der Heilige Geist und der Vater ihre
Gedanken gegenseitig vollkommen kennen, ist die Fürsprache des Heiligen Geistes in
allen Punkten nach dem Willen Gottes.
Eine heilige Lebensführung entsteht, wenn Gläubige Gottes Wort täglich lesen und
darüber nachdenken, um die Gedanken Gottes zu erfahren, und mit ihm entsprechend
seinem Willen kommunizieren. Judas sagte dazu: »Betet im Heiligen Geist« (V. 20).
 
Sulzbacher 09.02.2023 19:15
Über gegenseitige Liebe
Vor allem aber habt innige Liebe untereinander; denn die Liebe wird eine Menge
von Sünden zudecken. Seid gegeneinander gastfreundlich ohne Murren! (4,8-9)
Gegenseitige Liebe betrifft in erster Linie die Beziehung der Gläubigen untereinander. Vor allem bezieht sich auf die große Bedeutung dieser Tugend im christlichen
Leben (vgl. 1Kor 13,13; Phil 2,2; Kol 3,14), und das mit habt wiedergegebene Partizip stellt die Aussage »So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet« unter die
Priorität, innige Liebe untereinander zu haben. Das Wort innige (ektenēs) bedeutet
»ausstrecken« oder »dehnen« und beschreibt eine Person, die mit gestrafften Muskeln
rennt und eine maximale Anstrengung vollbringt. In der antiken griechischen Literatur wurde das Wort zur Beschreibung eines Pferdes verwendet, das sich in vollem
Lauf ausstreckt. Zuvor in diesem Brief (1,22) gebrauchte Petrus schon das verwandte
Adverb, um die Intensität und den Einsatz zu beschreiben, die die Liebe von Christen auszeichnen sollte. Solch eine Liebe ist aufopfernd, nicht auf Gefühlen beruhend
und verlangt, dass die Gläubigen jeden geistlichen Muskel ausstrecken, um zu lieben,
wenn andere sie beleidigen, verletzen und missverstehen (Spr 10,12; Mt 5,44; Mk
12,33; Röm 12,14.20; 1Jo 4,11; vgl. Röm 12,15; Gal 6,10; Eph 5,2; Jak 1,27).
Es ist selbstverständlich, dass echte Liebe von Natur aus dazu neigt, die Vergehen
anderer zu vergeben (vgl. Spr 10,12). Doch Bibelkommentatoren sind verschiedener
Meinung, wie die Aussage die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken auszulegen ist. Einige sagen, sie beziehe sich auf Gottes Sünden zudeckende Liebe,
andere wiederum meinen, sie beschreibe Gläubige, die in ihrer Liebe über die Vergehen anderer hinwegsehen. Da der Text keine Erklärung bietet, scheint es am besten,
diesen Ausdruck hier als einen allgemeinen Grundsatz zu verstehen. Ob nun die Liebe
Gottes oder die der Menschen: Liebe deckt Sünden zu.
Liebe stammt von dem wohlbekannten griechischen Wort agapē (vgl. 1,8.22;
2,17; 3,10), das eine stark willentliche Bedeutung hat. Die Errettung ist darauf zurück­­zuführen, dass der Herr die Entscheidung traf, alle, die glauben würden, zu lieben:
»Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist,
als wir noch Sünder waren« (Röm 5,8; vgl. Joh 3,16; 1Jo 4,19). Christen müssen seinem Beispiel folgen und sich dafür entscheiden, selbst unliebenswerte Menschen zu
lieben, da »das ganze Gesetz und die Propheten« (Mt 22,40) und auch ihr christliches
Zeugnis (Joh 13,34-35) daran hängen (V. 37-39). Das Gebot, gastfreundlich (wörtlich »Fremde lieb haben«) zu sein, trägt diese Liebe über den Kreis der örtlichen
Gemeinde hinaus zu anderen Gläubigen, die man nicht einmal kennt (vgl. Hebr 13,2).
Nach dem mosaischen Gesetz sollten die Juden ihre Gastfreundschaft auch Fremden erweisen (2Mo 22,20; 5Mo 14,29; vgl. 1Mo 18,1-2). Jesus lobte Gläubige, die
anderen Lebensmittel, Kleidung und Schutz gaben (Mt 25,35-40; vgl. Lk 14,12-14).
Allerdings geht der Geist der Gastfreundschaft darüber hinaus, anderen Essen oder
eine vorübergehende Bleibe zur Verfügung zu stellen. Er schließt nicht nur die Tat ein,
Geistliche Pflicht in einer feindlichen Welt 4,7-11
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1. Petrus
sondern eine selbstlose Haltung, sodass die Dinge ohne Murren getan werden – ganz
gleich, was für ein Opfer es bedeutet. Biblische Gastfreundschaft hat nichts mit dem
Sprichwort gemein, das besagt, dass Fisch und Gäste nach drei Tagen stinken.
Da Gläubige noch immer sündigen (Röm 7,18-19; 1Jo 1,8; vgl. 1Tim 1,15), ist
das Einzige, was die Einheit der Gemeinde bewahrt, die Liebe, die vergibt und sich
in Freundlichkeit nach Fremden ausstreckt. Liebe spielt auch bei der Evangelisation
Unerretteter eine fundamentale Rolle. Jesus sagte zu seinen Aposteln: »Daran wird
jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt«
(Joh 13,35).
 
Sulzbacher 09.02.2023 19:22
Über geistlichen Dienst
Dient einander, jeder mit der Gnadengabe, die er empfangen hat, als gute Haushalter der mannigfaltigen Gnade Gottes: Wenn jemand redet, so rede er es als
Aussprüche Gottes; wenn jemand dient, so tue er es aus der Kraft, die Gott darreicht, (4,10-11a)
Jeder Christ hat eine besondere Gnadengabe (geistliche Gabe) empfangen, eine
göttliche Befähigung, um dem Leib Christi zu dienen. Paulus schrieb: »Jedem wird
aber das offensichtliche Wirken des Geistes zum allgemeinen Nutzen verliehen. …
Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem persönlich zuteilt, wie er will«
(1Kor 12,7.11). So wie jeder einzelne Teil des menschlichen Körpers seine spezielle
Funktion hat, hat jedes Glied am Leib Christi seine Aufgabe (vgl. 12,14).
Die Kategorien, denen der Herr die Bestandteile der Gabe eines jeden Gläubigen
entnimmt, werden in zwei Abschnitten in den Paulusbriefen beschrieben:
Denn ich sage kraft der Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass er nicht höher
von sich denke, als sich zu denken gebührt, sondern dass er auf Bescheidenheit bedacht
sei, wie Gott jedem Einzelnen das Maß des Glaubens zugeteilt hat. Denn gleichwie wir
an einem Leib viele Glieder besitzen, nicht alle Glieder aber dieselbe Tätigkeit haben, so
sind auch wir, die vielen, ein Leib in Christus, und als Einzelne untereinander Glieder, wir
haben aber verschiedene Gnadengaben gemäß der uns verliehenen Gnade; wenn wir Weissagung haben, so sei sie in Übereinstimmung mit dem Glauben; wenn wir einen Dienst
haben, so geschehe er im Dienen; wer lehrt, diene in der Lehre; wer ermahnt, diene in der
Ermahnung; wer gibt, gebe in Einfalt; wer vorsteht, tue es mit Eifer; wer Barmherzigkeit
übt, mit Freudigkeit! (Röm 12,3-8)
Es bestehen aber Unterschiede in den Gnadengaben, doch es ist derselbe Geist; auch gibt es
unterschiedliche Dienste, doch es ist derselbe Herr; und auch die Kraftwirkungen sind unterschiedlich, doch es ist derselbe Gott, der alles in allen wirkt. Jedem wird aber das offensichtliche Wirken des Geistes zum allgemeinen Nutzen verliehen. Dem einen nämlich wird
4,7-11
233
durch den Geist ein Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber ein Wort der Erkenntnis
gemäß demselben Geist; einem anderen Glauben in demselben Geist; einem anderen Gnadengaben der Heilungen in demselben Geist; einem anderen Wirkungen von Wunderkräften, einem anderen Weissagung, einem anderen Geister zu unterscheiden, einem anderen
verschiedene Arten von Sprachen, einem anderen die Auslegung der Sprachen. Dies alles
aber wirkt ein und derselbe Geist, der jedem persönlich zuteilt, wie er will. (1Kor 12,4-11)
(Ein vollständiger Kommentar zu diesen beiden Stellen über geistliche Gaben findet sich bei John MacArthur, Romans 9-16, MacArthur New Testament Commentary
[Chicago: Moody, 1994], S. 153-178, und John MacArthur, 1.Korinther, [Bielefeld:
CLV, 2006], S. 311-330.)
Jede geistliche Gabe eines Gläubigen ist einzigartig, so als wäre jede einzelne eine
geistliche Schneeflocke oder ein geistlicher Fingerabdruck – geradeso als würde Gott
seinen Pinsel in verschiedene Farben oder Gabenkategorien auf seiner geistlichen
Palette tauchen und jedem Christen eine einmalige Farbmischung anrühren. Gott
schenkt nicht nur geistliche Gaben und arrangiert sie auf verschiedenartige Weise
(Eph 4,7), er gibt den Gläubigen auch den erforderlichen Glauben, um sie auszuüben,
so wie er es bei Paulus tat (vgl. Röm 12,3). Paulus fasste ihre Wirkungsweisen wie
folgt zusammen: »Es bestehen aber Unterschiede in den Gnadengaben, doch es ist
derselbe Geist; auch gibt es unterschiedliche Dienste, doch es ist derselbe Herr; und
auch die Kraftwirkungen sind unterschiedlich, doch es ist derselbe Gott, der alles in
allen wirkt« (1Kor 12,4-6).
Da der Heilige Geist die Verteilung geistlicher Gaben souverän beaufsichtigt
(1Kor 12,11), können die Gläubigen sie sich nicht verdienen, für sie beten oder sie auf
irgendeine Weise erzeugen (vgl. Apg 8,20). Der in Epheser 4,7 mit »Gabe« (dōrea)
übersetzte Begriff betont die Freiheit der Gnade und der Gaben des Heiligen Geistes, wohingegen charisma (Gnadengabe) den gütigen Aspekt dessen hervorhebt, was
Gott getan hat. Im Neuen Testament bezieht sich dieses Wort sowohl auf geistliche
Gaben als auch auf Errettung (z.B. Röm 1,11; 6,23; 1Kor 1,7; 1Tim 4,14; 2Tim 1,6).
Wenn Gläubige einander mit ihren Gaben dienen, ist dies zum gegenseitigen Nutzen in der Gemeinde (vgl. 1Kor 12,7). Umgekehrt wirkt sich die Vernachlässigung
oder die Herabsetzung mancher Gaben (und möglicherweise auch ihrer Besitzer)
nachteilig auf den Leib Christi aus:
Wenn der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib! – gehört
er deswegen etwa nicht zum Leib? Und wenn das Ohr spräche: Ich bin kein Auge, darum
gehöre ich nicht zum Leib! – gehört es deswegen etwa nicht zum Leib? Wenn der ganze
Leib Auge wäre, wo bliebe das Gehör? Wenn er ganz Ohr wäre, wo bliebe der Geruchssinn? Nun aber hat Gott die Glieder, jedes einzelne von ihnen, so im Leib eingefügt, wie
er gewollt hat. Wenn aber alles ein Glied wäre, wo bliebe der Leib? Nun aber gibt es zwar
viele Glieder, doch nur einen Leib. Und das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche
dich nicht!, oder das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht! Vielmehr sind gerade die
Geistliche Pflicht in einer feindlichen Welt 4,7-11
234
1. Petrus
scheinbar schwächeren Glieder des Leibes notwendig, und die Glieder am Leib, die wir für
weniger ehrbar halten, umgeben wir mit desto größerer Ehre, und unsere weniger anständigen erhalten umso größere Anständigkeit; denn unsere anständigen brauchen es nicht. Gott
aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem geringeren Glied umso größere Ehre
gab, damit es keinen Zwiespalt im Leib gebe, sondern die Glieder gleichermaßen füreinander sorgen. (1Kor 12,15-25)
Die gut sichtbaren Gaben (z.B. Predigen, Lehren, Evangelisieren) sind nicht
unbedingt in jedem Fall die wertvollsten. In Gottes Augen sind alle Gaben der Gläubigen aufbauend und ihre Ausübung ist entscheidend für das Wohlergehen des Leibes Christi. Gute Haushalter sind diejenigen, die ihre geistlichen Gaben weise und
im Gehorsam einsetzen (vgl. 1Kor 4,2; Tit 1,7). Petrus’ Leserschaft war vertraut mit
Haushaltern, die Land, Gelder, Lebensmittelvorräte und weitere Ressourcen anderer
Personen verwalteten. Das Bild des Apostels war eindeutig: Die Vernachlässigung
von Gaben schwächt die örtliche Gemeinde, da andere die einzigartige Begabung
derer, die zum Dienst nicht bereit sind, nicht ersetzen können.
Die Verschiedenheit geistlicher Gaben wird durch das Wort mannigfaltigen ausgedrückt, das wörtlich »verschiedenfarbig« oder »facettenreich« bedeutet. Zwei
Gläubige mögen die Gabe des Lehrens haben, doch jeder wird sie mit einer einzigartigen Mischung aus Gnade und Glauben ausüben. Dies dient zum Auferbauen und
zu wertvoller geistlicher Vielfalt innerhalb der Gemeinde. Der eine Prediger mag beispielsweise die Betonung auf Barmherzigkeit und Sanftmut legen, wohingegen der
andere eher die Lehre in Reinheit und Wahrheit verkündigt und wiederum ein anderer
die Anwendung von Weisheit betont.
Da geistliche Gaben der Gnade Gottes entspringen, kann die Gemeinde keinen Plan zu ihrer Verteilung aufstellen. Viele Christen können ihre eigene Gabe aufgrund ihrer Einzigartigkeit wahrscheinlich nicht genau einordnen, doch sie können sie
dem Heiligen Geist zur Verfügung stellen (vgl. Joh 14,26; Röm 14,17; 15,13; 1Kor
2,10.12-13; 2Tim 1,14) und zusehen, wie er sie im Dienst gebraucht.
Die beiden großen Kategorien geistlicher Gaben sind die Gabe des Redens und die
des Dienens. Wenn jemand redet, dient er durch sein Predigen und Lehren, durch
Weisheit, Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen. Wenn jemand dient, so dient
er durch Verwaltungsaufgaben, Gebet, Barmherzigkeit oder Hilfeleistungen. Und diejenigen, die reden, dürfen nicht menschliche Meinungen weitergeben, sondern nur
die Aussprüche Gottes, wie sie in der Schrift geoffenbart sind (vgl. Apg 7,38; Röm
3,2). Gleicherweise muss jede Gabe des Dienens in der Kraft, die Gott darreicht,
d.h. in Abhängigkeit vom Heiligen Geist, getan werden, nicht in menschlicher Kraft
(vgl. Phil 4,13).
 
Sulzbacher 09.02.2023 19:34
Die Absicht unserer Pflicht
damit in allem Gott verherrlicht wird durch Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. (4,11b)
Wie alles hat auch die Ausübung der christlichen Pflichten in einer feindlichen Welt
das Ziel, dass Gott in allem verherrlicht wird. Die letzten Sätze dieser Stelle bilden
einen Lobpreis Gottes – ein Ausdruck des Lobes und der Verherrlichung Gottes (vgl.
Röm 11,36; 16,27; Eph 3,20-21; 1Tim 1,17; Jud 25), den Christen in richtiger, an­gemessener Weise nur durch Jesus Christus hervorbringen können. In allem bezieht
sich auf alle Verantwortungsbereiche eines Christen.
Bibelausleger haben lange darüber diskutiert, ob sich ihm auf Gott oder auf Jesus
Christus bezieht. Am besten betrachten wir das Pronomen als eine gesegnete und
inspirierte Doppeldeutigkeit – sowohl Gott in Christus als auch Christus in Gott
gehört die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit (vgl. Ps 104,31;
113,4; 138,5; Hab 2,14; Mt 17,2; Joh 1,14; 10,30; 2Kor 4,6; Kol 1,15; Hebr 1,3; 2Petr
1,16-18).
Gläubige sollten den Wunsch haben, Gott in allem zu verherrlichen, was sie denken, sagen und tun. Der Apostel Paulus schrieb: »Ob ihr nun esst oder trinkt oder
sonst etwas tut – tut alles zur Ehre Gottes!« (1Kor 10,31). Sie werden der Aufforderung von Paulus leichter nachkommen, wenn sie durch die Gewissheit und die Nähe
des zweiten Kommens Christi motiviert sind, was zu persönlicher Heiligkeit, gegenseitiger Liebe und geistlichem Dienst in der Gemeinde führt.
Petrus beendete diesen Abschnitt mit dem wohlbekannten Amen, einem bekräftigenden Ausdruck, der »so sei es« bedeutet.
J.C. Ryles Beobachtungen hinsichtlich einer heiligen Lebensführung gelten noch
immer für alle Gläubigen in einer Welt, die dem Christentum feindlich gegenübersteht:
Ein heiliger Mann wird einer geistlichen Gesinnung folgen. Er wird sich bemühen, seine
Zuneigungen auf die Dinge, die oben sind, auszurichten, und irdische Dinge nicht festzuhalten. Er wird die Angelegenheiten des jetzigen Lebens nicht vernachlässigen, aber der
erste Platz in seinen Gedanken wird dem zukünftigen Leben eingeräumt. Er wird bestrebt
sein, wie jemand zu leben, dessen Schatz im Himmel ist und der durch diese Welt wie
ein Fremder und Pilger nach Hause geht
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