Wir haben nun eine ganze Reihe von Schriftstellen betrachtet. Eines ist dabei wohl endgültig klar geworden: Die Lehre von den zwei Zeitaltern ist grundlegend im Neuen Testament verankert, wie das nachfolgende einfache Diagramm veranschaulicht:
Die angeführten Schriftstellen haben nicht etwa eine symbolische oder indirekte Bedeutung, sondern sie sind wörtlich zu verstehen und geben uns den Grundriss der gesamten biblischen Endzeitlehre, der so genannten Eschatologie. Diese Endzeitlehre durchzieht die gesamte Bibel, denn sie beginnt in 1Mo 3,15 und endet in Off 22. Gott ist mit den verlorenen Menschen alle Wege durch die Zeit des AT und des NT gegangen und hat bis auf den heutigen Tag ununterbrochen daran gearbeitet, die Verlorenen aus der jetzigen bösen Weltzeit heraus hinüberzuretten in das ewige Reich des Herrn Jesus Christus (Joh 5,17; Gal 1,4; Kol 1,13).
Unser heutiges Zeitalter begann bei der Erschaffung der Welt. Das zukünftige Zeitalter hat mit dem Dienst des Herrn Jesus Christus bereits grundsätzlich begonnen, es ist geistlich bereits eingeführt (inauguriert). Es wird in völliger Herrlichkeit geoffenbart werden am Tag der Wiederkunft des Herrn Jesus Christus. Der Herr wird das heutige Zeitalter beenden und die neue Schöpfung gründen. Die beiden Zeitalter überlappen sich in unserer Zeit. Dieses Zeitalter und das kommende Zeitalter umfassen somit zusammengenommen alle Zeit vom Beginn der heutigen Schöpfung an einschließlich der Ewigkeit der neuen Schöpfung. Das heutige Zeitalter ist endlich, das neue Zeitalter bedeutet endlose Zeit.
Die Aspekte des zukünftigen Zeitalters werden als ewig eingestuft. Somit muss auch das Zeitalter selbst ewig sein. Auch das AT spricht an vielen Stellen über einen gegenwärtigen Zustand von Sünde und Elend sowie einen künftigen Zustand von Erlösung und Segen. Es gab keine Epoche der Menschheitsgeschichte vor diesem Zeitalter. Es begann mit der Schöpfung. Es gibt keine Epoche zwischen diesem Zeitalter und dem kommenden Zeitalter. Das letzte folgt direkt auf das erste. Bei der Wiederkunft des Herrn zum Gericht wird an einem einzigen Tag alles umgewandelt werden und danach ewig fortbestehen. Es gibt keine Epoche mehr nach dem kommenden Zeitalter, welches ewig ist.
Dieses und das kommende Zeitalter sind von ihrem Wesen her verschiedene Zustände der menschlichen Existenz und verschiedene Epochen der Weltgeschichte. In diesem Zeitalter ist der Weltlauf durch das äußerliche Leben unter den uns allen bekannten natürlichen Bedingungen gekennzeichnet. Der natürliche Mensch hat genau wie der wiedergeborene Christ einen natürlichen Leib, welcher altert und sterblich ist. Alle Menschen haben natürliche Triebe, sie führen ein Geschlechtsleben, gründen Familien und zeugen Kinder. Die Gläubigen versuchen hierbei den von Gott gegebenen Geboten für das Zusammenleben der Geschlechter zu folgen, die unerretteten Menschen gehen ihre eigenen Wege. Auf der neuen Erde wird es keine natürlichen Leiber mehr geben, sondern auferstandene geistliche Leiber. Die Menschen werden mit diesen verherrlichten Leibern und ihren Seelen in geistlicher Gemeinschaft leben. Es wird kein Sexualleben mehr geben wie es heute bekannt ist, denn die Menschen werden sich im ewigen Zustand nicht weiter vermehren. Es wird keine Vermischung zwischen Gut und Böse mehr geben. Alles wird nur sündlose Herrlichkeit sein.
Dieses Zeitalter und das kommende Zeitalter werden durch das Gericht über die Gottlosen und die Auferstehung der Gerechten voneinander getrennt. Die beiden Ereignisse beenden das jetzige Zeitalter und läuten zu gleicher Zeit das kommende Zeitalter ein. Das Gericht und die Auferstehung finden beide beim Kommen des Herrn Jesus Christus statt. Das Kommen des Herrn ist der letzte Tag des jetzigen Zeitalters und zugleich der erste Tag des zukünftigen Zeitalters (Mt 25,31-46; Rö 2,3-16; 2Pe 3,3-13).
In dem heutigen Zeitalter finden sich auf dem Acker der Welt sowohl Weizen als auch Unkraut. Wir haben somit in der heutigen Zeit geistlich gesprochen eine Vermischung zwischen den Kräften des heutigen und des zukünftigen Zeitalters. Beides wächst zu gleicher Zeit bis zum letzten Tag dieses Zeitalters. Dann wird die endgültige äußerliche Trennung stattfinden, und das ewige Zeitalter wird beginnen. Die Gläubigen werden auf der neuen Erde in ewiger Gemeinschaft mit Gott und untereinander leben, die Verlorenen werden in ewiger Trennung von Gott und Verzweiflung im Feuersee sein. Es gibt äußerlich betrachtet keinen irdischen Zwischenzustand, in welchem unerlöste und natürliche Anteile mit erlösten und übernatürlichen Anteilen zusammen existieren. Dieses Problem ist für sämtliche Denksysteme hinsichtlich eines irdischen Millenniums unlösbar.
Kein schrittweiser Prozess kann den Übergang zwischen den beiden Zeitaltern herbeiführen. Es gibt keine einzige naturalistische oder materialistische Erklärung für die Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll. Nur das übernatürliche und plötzliche Eingreifen des allmächtigen Gottes kann jemals die Herrlichkeit des kommenden Zeitalters herbeiführen. Und genau das ist die christliche Hoffnung. Das jetzige Zeitalter befindet sich nach dem Wort des Herrn durch den Apostel Johannes in seinen letzten Tagen, ja sogar in seiner letzten Stunde (1Joh 2,18). Die selige Hoffnung rückt immer näher heran.
Das jetzige Zeitalter ist in seinem gesamten Charakter grundsätzlich böse und wird es immer sein. Ansonsten könnte nämlich ein Tag kommen, an welchem die Verfolgung der Christen aufhören würde und an welchem es nicht mehr falsch wäre, sich dem gegenwärtigen Zeitlauf anzupassen. Dann wäre auch der Satan nicht mehr der Gott dieser Weltzeit (2Kor 4,4), der Fürst dieser Welt und der Fürst der Gewalt der Luft. Dann hätten wir als Christen auch nicht mehr den geistlichen Kampf zu führen gegen „die Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Regionen“ (Eph 6,12).
An dieser Stelle ist zusätzlich ein Wort zu 2Pe 3,5-7 angebracht.
„Dabei übersehen sie aber absichtlich, dass es schon vorzeiten Himmel gab und eine Erde aus dem Wasser heraus [entstanden ist] und inmitten der Wasser bestanden hat durch das Wort Gottes; und dass durch diese [Wasser] die damalige Erde infolge einer Wasserflut zugrunde ging. Die jetzigen Himmel aber und die Erde werden durch dasselbe Wort aufgespart und für das Feuer bewahrt bis zum Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen.“
Hier werden drei Welten parallel gestellt. Zwei dieser Welten gehören dem heutigen Zeitalter an. Die jetzige Weltzeit hat also auf der sichtbaren Ebene zwei dieser drei Welten gesehen. Die damalige Welt war durch das Wort Gottes geschaffen (siehe den Schöpfungsbericht) und ging nach einer Zeit des geduldigen Wartens Gottes im Gericht der Flut unter. Danach wurde jedoch nicht eine ganz neue Welt erschaffen, sondern die jetzige Welt ging erneuert und umgestaltet aus der damaligen Welt hervor. Keine Neuschöpfung, sondern Erneuerung.
Die jetzige Welt ist wieder durch den Spott der Gottlosen und durch das geduldige Warten Gottes gekennzeichnet. Sie wird untergehen im Feuer, welches am Tag des Herrn kommen wird. Man vergleiche 2Pe 3,10 mit 2Pe 3,12:
2Pe 3,10: „Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmel mit Krachen vergehen, die Elemente aber vor Hitze sich auflösen und die Erde und die Werke darauf verbrennen.“
2Pe 3,12: „indem ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt, an welchem die Himmel sich in Glut auflösen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden!“
Es wird der Tag der Wiederkunft Christi in Macht und Herrlichkeit sein, wenn er geoffenbart werden wird in flammendem Feuer, um den Gottlosen zu vergelten (2Thess 1,8-9). Es wird kein einziger lebender Mensch übrig bleiben, welcher mit einem natürlichen Körper in ein darauffolgendes Zwischenreich eingehen könnte. Die neue Welt (das kommende Feuergericht wird genau parallel zum bereits geschehenen Wassergericht gesehen: keine Neuschöpfung, sondern Erneuerung und Umgestaltung) folgt unmittelbar auf das Feuergericht über die jetzige Welt. Der Text gibt keinen Hinweis auf einen irgendwie gearteten Zwischenzustand oder eine Zwischenzeit von 1000 Jahren. Diese neue und ewige Welt, also die letzte der drei Welten, wird ganz dem zukünftigen und ewigen Zeitalter angehören, denn sie wird auch selbst ewig sein.
In 2Pe 3,10 antwortet Petrus auf einen Vorwurf der heutigen Welt gegenüber den Christen. Die Welt sagt: „Wo bleibt denn euer Messias? Ihr habt nun schon Jahrhunderte lang auf ihn gewartet, und nichts ist geschehen! Alles läuft wie immer! Alles Blödsinn, Ihr seid nur Narren!“ Beachten Sie hierzu auch die Aussage des Herrn selbst in Luk 17, dass es vor seiner Ankunft sein wird wie in den Tagen Noahs, wo die Menschen gedankenlos und gottlos lebten. Petrus will die Gläubigen trösten in dieser Situation. Er sagt gewissermaßen: „Lasst sie nur spotten. Der Herr wird ihnen allen die Wirklichkeit seiner Macht zeigen, wenn er kommt. Erwartet nur seinen Tag und heiligt euch. Sein Tag wird kommen wie ein Dieb in der Nacht, und der Herr wird alles gut machen. Ein neuer Himmel und eine neue Erde!“
Das dispensationalistische Modell muss somit die folgenden Fragen beantworten:
Wie kann die Welt über einen Messias spotten, der zuvor 1000 Jahre lang während eines irdischen Millenniums auf seinem Thron der Herrlichkeit gesessen und die ganze Welt absolut beherrscht hat?
Wie können die jetzigen Himmel und die jetzige Erde für das Gericht durch Feuer aufbewahrt werden, wenn zuerst noch eine Periode von 1000 Jahren dazwischengesetzt ist, während welcher alles eben gerade nicht mehr wie jetzt sein soll, sondern ganz umgestaltet?
Wieso erwähnt Petrus die 1000 Jahre an dieser Stelle nicht, so wie auch Paulus, auf dessen Schriften Petrus in dieser Passage hinweist, sie an keiner einzigen Stelle erwähnt?
Wieso werden wir in unserer Zeit von Petrus dazu aufgefordert, genau diesen großen Tag des Feuers in Heiligung unseres Lebens zu erwarten und sogar sein Kommen zu beschleunigen, wenn wir überhaupt keine Chance haben, ihn zu erleben, weil wir 1000 Jahre davor schon in den Himmel gehen sollen?
Wie kann dieser Tag für die Welt und auch für uns kommen wie ein Dieb in der Nacht, wenn er zuvor durch eine 1000-jährige Herrschaft des Messiaskönigs Jesus Christus auf der ganzen Erde im großen Stil angekündigt und vorbereitet worden ist? Können die Menschen während dieser ganzen Zeit gedankenlos und gottlos gelebt haben?
Die gesamte schriftgemäße Auslegung von 2Pe 3 weist eindeutig von einem irdischen Millennium weg.
Schlussfolgerung für uns als heutige Christen
Die Kräfte des zukünftigen Zeitalters sind bereits im jetzigen Zeitalter angebrochen und wirksam. Die Wunder des Herrn und das Vorhandensein der Zeichengaben bei den Aposteln waren eine Proklamation der Tatsache, dass das zukünftige Zeitalter bereits angebrochen war. Das kommende Zeitalter, also die äußerlich sichtbare Herrschaft Christi, hat bereits auf eine gewisse Art und Weise begonnen. Beide Zeitalter überlappen einander. Das kommende Zeitalter wirft schon heute seine Schatten voraus, obwohl es noch nicht in vollständig geoffenbarter Herrlichkeit real geworden ist.
Unsere Errettung unterteilt sich ebenso in zwei Phasen, von denen die erste „schon jetzt“ verwirklicht ist, die zweite „noch nicht“. Der Christ lebt in der Spannung des „schon jetzt – noch nicht“, weil auch das Reich Gottes, welches das Heil bringt, sich in diesen zwei Phasen entfaltet. Die großen Aspekte der Errettung sind bei dem Gläubigen einerseits schon jetzt Wirklichkeit (Rö 5,1; Rö 8,14-16; Eph 1,7; Joh 3,36; Mt 11,29). Gleichzeitig sind sie aber noch nicht vollendet, sie müssen noch endgültig erfüllt und geoffenbart werden (Mt 12,37; Rö 8,23; Eph 4,30; Mt 25,46; 4,9-11). Daher ist das Ausharren im Glaubenswandel so wichtig. Die Errettung ist nicht nur etwas, was wir bereits grundsätzlich in der Tasche haben. Sie ist auch etwas, was wir noch in Vollkommenheit empfangen müssen. In diesem Zusammenhang ist die christliche Heilslehre von größter Bedeutung. Leider ist diese systematische Lehre in unserer Zeit schwer ins Hintertreffen geraten. Wir hoffen, in zukünftigen Veröffentlichungen auf unserer Website www.DieLetzteStunde.de diesem Mangel entgegenwirken zu können.
Das schriftgemäße Konzept von den sich überlappenden Zeitaltern erklärt die ethische Spannung im Leben des Christen während des jetzigen Zeitalters. Der Christ braucht in diesem Zeitalter kein „tieferes Leben“, keinen „zweiten Segen oder eine Geistestaufe“, kein „siegreicheres Leben“, um aus Konflikten, Sorgen und Versuchungen befreit zu werden. Das biblische Konzept der überlappenden Zeitalter ermahnt uns, dass es in diesem Zeitalter keinen Segen gibt, auf den nicht Versuchung folgt, keine Freude auf die nicht Sorge folgt, und keinen endgültigen Sieg über die Sünde, die immer noch in uns wohnt. Diese Wahrheit macht uns frei. Wir müssen uns vor der „christlichen Höhenkrankheit“ hüten. Jauchzet mit Zittern (Ps 2,11). Kämpfet den guten Kampf des Glaubens (1Tim 6,12).
Das Konzept erklärt auch gut die Zukunft der Gemeinde. Sowohl der finstere Pessimist als auch der unverbesserliche Optimist haben eine unausgewogene Sichtweise. Wer lehrt, dass diese Dispensation der Gemeinde ebenso wie alle anderen Dispensationen unweigerlich in Versagen und Abfall enden müsse, der liegt verkehrt! Ebenso falsch liegt aber auch derjenige, welcher lehrt, dass die Gemeinde vor dem Kommen des Herrn in ein Zeitalter eines wunderbaren weltweiten Sieges hineingehen und die ganze Erde erfolgreich evangelisieren würde. Der bibeltreue Christ ist Optimist und Realist zugleich. Er weiß, dass der Glaubensweg ein Kampf mit äußerlichen Siegen und Niederlagen in dieser bösen Welt sowohl für den einzelnen Christen als auch für die ganze Gemeinde ist, dass aber der Herr am Ende den völligen Sieg geben und alles in Vollkommenheit ordnen wird.
Verwendete Textquellen
Samuel E. Waldron: Endzeit? Eigentlich ganz einfach. Deutsche Ausgabe Betanien Verlag 2013. ISBN: 978-3-935558-43-3.
Dr. Martyn Lloyd Jones: Gott und seine Gemeinde. 3L-Verlag, 2003.
Hier eine einfache Alternative zum Dispensationalismus,prüfe es!!!
28.01.2023 13:11
Hier eine einfache Alternative zum Dispensationalismus,prüfe es!!!
28.01.2023 13:11
Hier eine einfache Alternative zum Dispensationalismus,prüfe es!!!
Wir leben als Menschen dieser Welt in Raum und Zeit. In den meisten Kulturen der östlichen Welt orientierten sich die Abläufe des Alltags während der vergangenen Jahrtausende an den naturgegebenen Voraussetzungen. So rechnete man in den alten Hochkulturen vor allem nach den Jahreszeiten und nach den festgelegten Umläufen der Himmelskörper. Es bestand in verschiedensten Kulturen das deutliche Bewusstsein der Existenz eines Schöpfers. In den letzten 100 Jahren hat sich jedoch weltweit immer mehr eine andere Zeitrechnung durchgesetzt, nämlich die westliche. In den westlichen Kulturen entstand seit Beginn der Industrialisierung immer mehr Zeitdruck, und viele Menschen haben heutzutage vor lauter Terminen und Verpflichtungen das zunehmende Gefühl, dass ihnen die Zeit davonläuft.
Der Alltag der globalisierten Kultur ist angefüllt mit digitalen Uhren und Kalendern. Die Computer funktionieren auf der Basis von massenhaften Informationsübertragungen, welche in unvorstellbar kurzen Zeitabständen ablaufen. Die Zeit wird zergliedert in kleinste digitale Einheiten. Im Sport rechnet man oftmals nach Hundertstelsekunden, um den Sieger in bestimmten Wettbewerben überhaupt noch ermitteln zu können. Um den Überblick nicht zu verlieren, haben die meisten Menschen das Bedürfnis, auch ihr eigenes Leben in vorausgeplante Zeitabschnitte zu unterteilen. Dieses Denken entspricht der Natur des Menschen: Alles muss geplant und somit sicher sein, alles hat einen Anfang und ein Ende.
Hieraus resultiert die ernste und oftmals sogar rücksichtslose Bemühung ungezählter Menschen, möglichst viele positive Ereignisse und Erfahrungen in die eigene Lebenszeit hineinzupacken, und sei es auch auf Kosten ihrer Mitmenschen. Die letztlich tödliche Konsequenz besteht darin, dass überall nur noch zahlenmäßig, funktional und leistungsorientiert gedacht wird. Die Zeit ist in diesem System nur noch eine Maßeinheit, sie besitzt anscheinend keine Qualität mehr, welche über das rein Rechnerische hinausgeht. Das Leben wird dadurch entwürdigt, und viele Menschen spüren das sehr deutlich. Sie sind in eine Falle hineingeraten und kommen nicht mehr aus ihr heraus.
Der Ausweg liegt in der richtigen geistlichen Orientierung. Der Mensch hat ja nicht nur einen vergänglichen Leib, sondern auch eine unvergängliche Seele, mit welcher er von Gott erschaffen wurde. Gläubige Christen wissen daher, dass es nicht nur die heutige Zeit gibt, sondern dass alle Menschen der Welt auf eine entweder herrliche Ewigkeit in der Gemeinschaft Gottes oder auf eine schreckliche Ewigkeit ohne Gott zusteuern. Viele Christen haben diese herrliche Ewigkeit als einen zeitlosen Zustand von seliger Anbetung angesehen. Wir erwarten jedoch als Christen nicht ein zeitloses Ende, sondern eine endlose Zeit. Das griechische Wort „aion“, welches man in der Bibel findet, hat sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Bedeutung. Die wohl beste Übersetzung ins Deutsche lautet daher: „Weltzeit“. Es wird in der ewigen Weltzeit der neuen Erde zwar keinen zeitlichen Aufschub mehr geben, keine erwartungsvolle Verzögerung mehr, aber sehr wohl ein aktives und ewiges Leben.
Wege und Irrwege des menschlichen Denkens
Große Meinungsverschiedenheiten herrschen unter den heutigen Christen bezüglich der zeitlichen Gliederung der Heilsgeschichte, also der Wege Gottes mit den Menschen in der heutigen Welt. Alle Christen erkennen zwar den ewigen Ratschluss Gottes an, jedoch sind sie sich uneinig über die Art und Weise seiner Ausführung. Es sind verschiedenste Systeme zur Gliederung der Heilsgeschichte entworfen worden. Seit etwa 1830 hat sich in der Christenheit des Westens das System des sogenannten Dispensationalismus durchgesetzt.
Gemäß der zuvor erwähnten natürlichen Neigung des Menschen, alles möglichst genau einzuteilen, haben manche Christen in der Bibel nach besonders markanten Gestalten gesucht und sie auch bald gefunden: Adam und Eva, Noah, Abraham, Mose, den Herrn Jesus Christus, Paulus, Petrus und andere. Es ist wahr, dass diese historischen Gestalten, vor allem natürlich unser Herr selbst, den Menschen die Grundlagen der Gedanken und des Handelns Gottes gezeigt haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie alle zu gleicher Zeit auch durch ihre Existenz die Grundlage für eine Zeiteinteilung nach den Gedanken Gottes geliefert haben. Das hat einzig und allein der Herr Jesus Christus selbst getan. Er kam in der Fülle der Zeiten, und sein Werk hat alles verändert. Nach seiner Himmelfahrt sieht die ganze Welt in der Tat völlig anders aus als davor. Wir rechnen bis heute vor Christus und nach Christus.
Die Denker des Dispensationalismus haben auch andere Personen in einer zumindest ähnlich prägenden Position wie den Herrn selbst gesehen. Ihre Lehre unterteilt unser gegenwärtiges Zeitalter in sieben verschiedene Haushaltungen Gottes:
Die Zeit der Unschuld von der Erschaffung Adams und Evas bis zum Sündenfall
Die Zeit des Gewissens vom Sündenfall bis zur Sintflut
Die Zeit der menschlichen Verantwortung von der Sintflut bis zum Patriarchen Abraham
Die Zeit der Verheißung von Abraham bis Mose
Die Zeit des Gesetzes von Mose bis zu dem Herrn Jesus Christus
Die Zeit der Gnade vom ersten Kommen Christi bis zu seinem zweiten Kommen in Macht und Herrlichkeit (aufgeteilt in die beiden Unterabschnitte des Gemeindezeitalters von Pfingsten bis zur geheimen Vorentrückung der Gemeinde und der siebenjährigen großen Drangsal zwischen der geheimen Vorentrückung der Gemeinde Christi und dem sichtbaren zweiten Kommen des Herrn)
Die Zeit des tausendjährigen Reiches des Messias auf dieser Erde
Auf diese sieben Haushaltungen oder Dispensationen folgt dann als achtes die Ewigkeit der neuen Schöpfung.
Eine der Hauptschwierigkeiten bei dieser Betrachtungsweise liegt darin, dass der Bibeltext keine klaren Anhaltspunkte für eine solche siebenteilige Aufgliederung bietet. Es ist vielmehr so, dass die Gnade Gottes bereits auf der ersten Seite der Bibel beginnt, und dass sie im weiteren Verlauf immer deutlicher geoffenbart wird. Adam und Eva dürfen nach dem Sündenfall aus reiner Gnade weiterleben, weil Gott ein Tier für sie schlachtet. Noah findet in 1Mo 6 Gnade in den Augen Gottes. Abraham lernt den gnädigen Gott ebenso kennen wie Mose und alle Propheten. Die Gnade durchzieht das Gesetz des alten Bundes. Der gesamte Opferdienst unter dem Gesetz war eine gnädige Einrichtung Gottes zur Bedeckung der Sünden eines ständig versagenden Volkes. Gnade und Wahrheit sind geoffenbart in dem Herrn Jesus selbst. Der allerletzte Vers der Bibel in Off 22 redet noch immer von der Gnade. Die Gnade ist der Grundton der gesamten Schrift. Sie ist nicht begrenzt auf eine von sieben Dispensationen.
Der Dispensationalismus unterscheidet weiterhin zwischen verschiedenen Gruppen geretteter Menschen aus diesen verschiedenen Haushaltungen. Er vertritt die Lehre, dass es eine strenge und ewige Trennung zwischen den Heiligen des Alten Testamentes, den Heiligen des Neuen Testamentes und den Geretteten aus dem irdischen Volk Israel geben müsse. Dazu kommen dann noch weitere Gruppen, nämlich die Geretteten aus der großen Drangsal, einerseits aus Israel, andererseits aus den Nationen. Diese Unterscheidung wird in verschiedenen Formen des Prämillennialismus gelehrt. Schließlich gibt es auch noch die Geretteten aus dem Millennium nach der sichtbaren Wiederkunft des Herrn Jesus Christus, einerseits aus Israel, andererseits aus den Nationen. Bei vielen Christen entsteht eine große Verwirrung, wenn sie diese Dinge lesen oder darüber belehrt werden. Es erscheint kaum möglich, die verschiedenen „Haushaltungen des Heils“ zu differenzieren, und wenn man einmal eine Predigt darüber gehört oder ein Buch darüber gelesen hat, dann neigt man leicht dazu, es bald wieder zu vergessen. Nur wenige Christen wären auf Anhieb dazu in der Lage, das System aus dem Stegreif zu erklären, wenn sie danach gefragt würden. Daher existieren komplizierte Schaubilder, mit deren Hilfe die Zusammenhänge illustriert werden sollen.
Andere Christen bekennen eine einfachere Hoffnung. Sie sagen dass Christus am Kreuz für alle ihre Sünden sein Blut vergossen hat und gestorben ist, dass er begraben wurde und dass er am dritten Tag auferstanden ist. Danach ist er in den Himmel gegangen und hat den Heiligen Geist auf die Erde geschickt, um mit Hilfe der Zeugen auf der Erde durch die Botschaft des Evangeliums die Gläubigen aus dem irdischen Volk Israel und aus allen Nationen der Erde zu sammeln. Am Ende dieser Zeit wird er wiederkommen und alle zuvor gestorbenen Gläubigen, und zwar sowohl die Gläubigen des Neuen Testamentes als auch diejenigen des Alten Testamentes, aus ihren Gräbern auferstehen lassen. Zusammen mit den dann noch auf der Erde lebenden Gläubigen, welche verwandelt werden, wird er an diesem letzten Tag seine ganze Gemeinde in den Himmel holen. Dann wird er die jetzige Erde im Feuer verbrennen und eine neue Schöpfung gründen, in welcher er auf ewig mit allen seinen Erlösten von Adam an leben wird.
Diese Botschaft benötigt keine komplizierten Schaubilder. Sie zerteilt nicht die Gemeinschaft der Erlösten in eine Mehrklassengesellschaft mit ewigen Sonderrechten für bestimmte Untergruppen, sondern sie zeigt dem Christen die Hoffnung auf, dass er in der ewigen und gleichrangigen Gemeinschaft mit allen Gläubigen von Adam bis hin zu dem letzten Bekehrten der Weltgeschichte leben wird. Welches der beiden Systeme entspricht nun dem Wort Gottes? Um die biblischen Zusammenhänge ausführlich und allgemein verständlich zu erläutern, müssen wir zunächst auf Gottes Plan mit Israel eingehen, wie er in der Schrift zu finden ist.
Gottes Plan mit Israel
Die Lehre des Dispensationalismus kann wie bereits gesagt nur auf der Grundlage der Behauptung gültig bleiben, dass Israel und die Gemeinde zwei streng voneinander getrennte Heilskörper sind, welche nichts miteinander zu tun haben und für ewig voneinander getrennt sein werden. Darby vertrat entschieden diese Lehre. Was ist hierzu zu sagen? Dieser Frage wollen wir uns auf unterschiedlichen Wegen nähern. Die nachfolgenden Gedanken wurden von vielen großen Vertretern der „alten Lehre“ der Christenheit gelehrt.
Zunächst muss festgehalten werden, dass Gott bereits Abraham geistliche Nachkommen aus allen Völkern verheißen hat, und dass diese Verheißung im Neuen Testament sowohl vom Herrn selbst als auch von den Aposteln ausführlich aufgegriffen wird. Abraham selbst war nicht nur der Vater Israels, sondern auch der Vater vieler anderer Völker. 1Mo 12,3 redet nicht nur über das irdische Israel, sondern über alle natürlichen und später auch geistlichen Nachkommen Abrahams aus vielen Nationen, welche den gleichen Glauben haben würden wie er selbst. Hier erkennt man bereits angedeutet das Heil für die Nationen, über das irdische Israel hinausreichend. Abraham war ein Götzendiener, und er wurde aus reiner Gnade von Gott selbst aus der heidnischen Götzenwelt nach der Flut auserwählt, um einen Neuanfang zu machen, nachdem der Götzendienst wieder überall um sich gegriffen hatte. Das Volk Israel wurde von Gott zunächst als das Volk auserwählt, welchem er im Alten Testament seine Ratschlüsse und Aussprüche mitteilen würde. Siehe hierzu Rö 3,2 und Am 3,2. In einem weiteren Schritt würde das Heil dann nach den ewigen Ratschlüssen Gottes durch den aus dem irdischen Israel geborenen Messias Jesus Christus zu allen Nationen der Erde kommen, wie es bereits in Jes 49,5-6 im AT deutlich gesagt wird.
Abraham erhielt das Zeichen der Beschneidung im Fleisch für die Juden am achten Tag des Lebens in 1Mo 17,12. Jeder Jude, der sich nicht beschneiden lassen wollte oder seine Söhne nicht beschneiden ließ, sollte aus dem Volk ausgerottet werden, weil er den Bund gebrochen hatte (1Mo 17,14). Dies hat eine geistliche Bedeutung: Der achte Tag als der Tag der Beschneidung deutet bereits seit Abraham auf den neuen Bund hin, denn er ist der erste Tag der neuen Woche, der Auferstehungstag des Herrn Jesus Christus. Nach Kol 2,11 ist die Gemeinde des neuen Bundes mit Christus in seinem Tod geistlich beschnitten mit seiner Beschneidung. So wie das leibliche Zeichen des alten Bundes die Beschneidung des Fleisches für das irdische Bundesvolk Israel war, so ist das geistliche Zeichen des neuen Bundes die geistliche Beschneidung des Herzens der Gläubigen im heutigen geistlichen und ewigen Bundesvolk, der Gemeinde Jesu Christi. Sie geschieht nicht am Fleisch mit der Hand, sondern am Geist bei der Wiedergeburt aus Glauben: Joh 1,11-12; Rö 8,9; Kol 2,11; Phil 3,3. Das äußerliche Zeichen des neuen und ewigen Bundes ist das Mahl des Herrn.
Der Herr bezeichnete im AT Israel als seinen Weinstock (Ps 80,8; Jes 5; Jer 2,21). Außerdem erhielt Israel am Berg Sinai bei der Gesetzgebung einen gewaltigen Auftrag:
2Mo 19,5-6: „Und nun, wenn Ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt Ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.“
Das Volk Israel versagte jedoch gänzlich darin, dem Auftrag Gottes gerecht zu werden. Dann kam der Sohn Gottes auf diese Erde, und er sagte entscheidende Dinge: In Joh 15,1 heißt es aus dem Mund des Herrn Jesus Christus: „Ich bin der wahre Weinstock…“. Das Identitätszentrum der Gläubigen des neuen Bundes würde also nicht weiterhin das irdische Volk Israel und die Zugehörigkeit zu diesem Volk sein (Jes 5), sondern die Person des Herrn selbst. Warum das?
Der Herr erklärt es im Gleichnis von den bösen Weingärtnern, welches er direkt auf die ungläubigen Juden und auf die Pharisäer anwendet:
Mt 21,43: „Darum sage ich euch (den ungläubigen Juden und den Pharisäern): Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt.“
Das neue und andere Volk, also das Volk Gottes im neuen und ewigen Bund ist nicht mehr das irdische Israel, sondern die Gemeinde Jesu Christi, bestehend aus gläubigen Juden und Nichtjuden. Dies gilt für ewig, denn der Herr verflucht den Feigenbaum, der in dieser Situation ein klares Bild für die damalige irdische Nation Israel ist und sagt:
Mt 21,18-22: „…Nun soll von Dir keine Frucht mehr kommen in Ewigkeit.“
Israel als Nation wurde 100 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn unter Bar Kochba, einem falschen Messias, aus dem Land vertrieben.
Bemerkenswert ist, dass Israel – und zwar die messianischen und die nicht-messianischen Juden – heute wieder unter der Zulassung Gottes eine äußere Wiederherstellung als Nation im Land der Väter erlebt. Die neuzeitliche Nation Israel wurde im Jahr 1948 nach der großen Diaspora unter der Zulassung Gottes wieder in das alte Land der Väter eingesetzt und sie wird möglicherweise noch politische und militärische Siege erringen. Sie wird aber als weltliche Nation keine geistliche Frucht mehr für Gott bringen. Frucht für Gott wird nur noch der gläubige Überrest der Nation als Teil der Gemeinde Christi aus allen Nationen bringen. Der Feigenbaum trägt keine Oliven (Jak 3,12). Gott gibt momentan noch viel Segen für die Nation Israel, aber eine 1000-jährige Herrschaft über die Erde wird er Israel nicht mehr schenken.
Man erwartet in gewissen Kreisen heute noch immer das 1000-jährige Weltreich Israels, von welchem bereits die alten Pharisäer nach dem Verlust des davidischen Königreiches Israels während der darauf folgenden babylonischen Gefangenschaft geredet hatten. Diese Lehren wurden nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus Christus, des Messias Israels und der ganzen Welt, von den Pharisäern und Rabbinern im Talmud und im Zohar schriftlich festgehalten. Die Pharisäer im damaligen Israel wollten nicht akzeptieren, dass der Herr ein geistliches und ewiges Reich aufgerichtet hatte, welches nicht von dieser Welt war (Joh 18,36). Sie hatten den Messias an die Römer ausgeliefert, weil er ihre Erwartungen auf die politische Weltherrschaft Israels enttäuscht hatte und ihnen das Reich weggenommen hatte.
Die heutigen orthodoxen Talmudrabbiner wollen diese Tatsachen noch immer nicht akzeptieren. In der heutigen Zeit hat Israel gewissermaßen sein menschliches Schicksal in die eigenen Hände genommen. Gott liebt die Nation Israel wie alle Nationen, und er wird sie für eine Zeit gewähren lassen. Er wird noch viele Menschen aus Israel und aus allen anderen Nationen der Erde durch das Evangelium erretten. Am Ende wird jedoch der Herr Jesus Christus selbst wiederkommen, um am letzten Tag sein ewiges Reich auf der neuen Erde und unter dem neuen Himmel aufzurichten.
Über die Gemeinde Christi sagt das Neue Testament einige bemerkenswerte Dinge.
Off 1,6: „…und uns zu Königen und Priestern gemacht hat für seinen Gott und Vater…“
1Pe 2,9: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, …“
Tit 2,14: „…um uns von aller Gesetzlosigkeit zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum besonderen Eigentum zu reinigen, das eifrig ist, gute Werke zu tun.“
Hier finden sich alle Elemente aus 2Mo 19,5-6 wieder. Was das natürliche Israel im Fleisch nicht erfüllen konnte, das wurde durch den Herrn selbst erfüllt, und es wird aus Gnade Gottes mittels des Glaubens den Gliedern der Gemeinde im neuen Bund zugerechnet als Gerechtigkeit. In Christus, also geistlich gesehen im Heiligen Geist, ist die Gemeinde der Gläubigen aus allen Nationen der Erde als Volk des neuen Bundes zu dem Volk des Segens geworden, welches Israel als Volk nach dem Fleisch nicht mehr sein konnte. Und hier beginnen nun die Schwierigkeiten der Auslegung.
Einige sagen, dass die Gemeinde Christi Israel in den Segenswegen Gottes vollständig ersetzt habe, und dass Israel gar keinen Segen mehr im neuen Bund zu erwarten habe. Sie erkennen nicht, dass die Gemeinde sich zusammensetzt aus Gläubigen aus den Nationen und aus den Juden. Viele Nichtjuden werden Kinder Gottes, und viele Juden werden es auch. Andere wiederum sagen, dass Israel jetzt beiseite gesetzt ist, und dass es erst in der fernen Zukunft wieder einen gewaltigen Segen zu erwarten habe, der jetzt noch nicht sichtbar sei. Sie erkennen nicht, dass der Segen Gottes in genauso gewaltiger Art und Weise bereits hier und heute auf alle Juden übergeht, die den Messias Jesus Christus annehmen, genau wie auf die Nationen. Die Gemeinde Jesu Christi wird am Ende dieser Zeit nicht nur ihre Vollzahl aus allen Nationen beinhalten, sondern auch ihre Vollzahl aus dem irdischen Volk Israel.
Der Schlüssel zum richtigen Verständnis liegt einerseits in den wichtigen Passagen des Galaterbriefes, welcher die geistliche Abstammung aller Gläubigen aus Israel und aus den Nationen von Abraham klar darlegt. Die wichtigsten Passagen sind hierbei Gal 3 und 4, sowie Gal 6,16. Andererseits in den drei Kapiteln Rö 9-11: Hier antwortet Paulus gewissermaßen auf einen möglichen Einwand, welcher sich aus Rö 1-8 ergibt. Dort wurde das Evangelium ausführlich beschrieben, und es wurde genau erklärt. Am Ende von Kapitel 8 ist alles wunderbar geordnet, es endet mit einer herrlichen geistlichen Gewissheit. Alles ist gut!
Dann kommt aber der Einwand: „Moment mal, Paulus: Sieh Dir die Verheißungen an, die den Juden gegeben wurden. Es scheint gar nicht so, als würden sie sich erfüllen. Wie viele Juden sind in der Gemeinde? Sie scheint hauptsächlich aus Nichtjuden zu bestehen, und die Juden verfolgen die Gemeinde an allen Orten genauso hart wie die Römer, ja sie arbeiten sogar mit den Römern zusammen. Wenn das, was du in Kapitel 1-8 deines Briefes gesagt hast, richtig ist und wenn Gottes Verheißungen absolut gewiss sind, was sagst du uns denn dann über die Stellung der Juden?“ Um diese Frage zu klären, verwendet Paulus nicht nur einige wenige Verse, sondern er schreibt eine ausführliche Erörterung in drei vollständigen Kapiteln, bevor er sich dem nächsten Thema seines Briefes zuwendet. Diese gesamte Erörterung muss in ihrem korrekten Kontext betrachtet werden, und zwar auch im Zusammenhang mit anderen Stellen des Neuen Testamentes (von welchen wir ja schon einige genannt haben).
Paulus eröffnet seine Argumentation in Rö 9,6-8:
„…Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel … sondern die Kinder der Verheißung werden als Same gerechnet.“
Siehe auch Rö 2,28-29. In Gal 6,16 spricht der Apostel zu allen Gläubigen in Galatien, und er unterscheidet dabei die Gläubigen aus den Nationen vom Israel Gottes. Es sind dort zwei Gruppen. Was bedeutet das? Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament gab es unter dem gesamten irdischen Volk Israel zwei Gruppen: Das ungläubige Israel nach dem Fleisch und das gläubige Israel Gottes. Die erste Gruppe war zwar am Fleisch beschnitten, jedoch nicht am Herzen. Die zweite Gruppe war am Fleisch und am Herzen beschnitten. Sie war das eigentliche Israel nach den Gedanken Gottes innerhalb des gesamten Volkes Israel nach dem Fleisch. Sie wird auch als der Überrest nach Wahl der Gnade bezeichnet (Rö 11,5).
Hier findet sich die Gleichsetzung mit dem gläubigen Überrest zur Zeit Elias. Auch Jakobus weist in seinem Brief darauf hin. Im alten Bund erwartete das gläubige Israel die Ankunft des Messias nach dem Wort der Propheten. Wir sehen das deutlich im Dienst des Johannes in den Evangelien und in den ersten Kapiteln des Lukasevangeliums. Der treue Überrest Israels erwartete den Messias. Diese Leute waren die gläubigen Israeliten des Alten Testamentes. Das Israel nach dem Fleisch kooperierte im Alten Testament mit den Feinden des Volkes, beim Kommen des Messias mit den Römern. Daneben gab es auch noch eine geringe Zahl von Gläubigen aus den Nationen (siehe zum Beispiel Hiob). Alle Gläubigen waren aus Gottes Sicht gerechtfertigt aufgrund ihrer ausharrenden Erwartung des Erlösers.
Dann kam der Messias, der Herr Jesus Christus. Er vollbrachte das Werk der Erlösung, und zwar für Israel und für alle Nationen. Auch das sagten die alten Schriften voraus (1Mo 12,3; Ps 2; Jes 9; Jes 49 und andere Stellen). In Apg 2 erklärte Petrus vor dem gesamten Volk Israel, dass nur dieser Jesus, den man gekreuzigt hatte, der Retter sei. Von diesem Tag an konnte kein Israelit mehr gerechtfertigt werden durch die Darbringung der Opfer unter dem Gesetz aus dem alten Bund in Verbindung mit der hoffnungsvollen Erwartung des kommenden Messias. So war es mit dem Überrest des Alten Testamentes gewesen. Jeder Jude konnte nur noch dadurch errettet werden, dass er persönlich an das blutige Opfer des Lammes Gottes auf Golgatha glaubte, seine Sünden bekannte und im Heiligen Geist neugeboren wurde. Durch diesen Glauben ging der betreffende Jude über vom Israel nach dem Fleisch zum Israel Gottes, also zum gläubigen Überrest Israels des Neuen Testamentes.
Dieses Angebot Gottes, das allen Juden an allen Orten gemacht wurde, nahmen nur relativ wenige Juden an, sieht man einmal von den ersten Jahren in Jerusalem ab. Der Überrest nach Wahl der Gnade, also das Israel Gottes innerhalb des gesamten Volkes Israel, war immer relativ klein, bisweilen sogar sehr klein gegenüber der ungläubigen Mehrheit des Israels nach dem Fleisch. Heute ist es noch immer so: viel Israel nach dem Fleisch, wenig Israel Gottes (heutzutage auch gerne bezeichnet als die messianischen Juden). Auch im heutigen Land Israel gibt es noch immer Christenverfolgung.
Für die anderen Nationen war es so, dass das Evangelium zu ihnen kam, und dass sich mit der Zeit eine viel größere Anzahl von ihnen zu Christus bekehrte, als es unter den Juden der Fall war. Das ist bis heute noch immer so. In der Gemeinde des Herrn Jesus Christus, also in dem Volk, das geistlich beschnitten ist mit der Beschneidung des Christus (Kol 2,11) und somit das Israel nach dem Geist darstellt (das ist das neue Volk des Segens im neuen Bund, die geistliche Beschneidung nach Rö 2,28-29 und Phil 3,3) gibt es noch immer viel mehr Gläubige aus den übrigen Nationen als aus Israel.
Diese Dinge erklärt der Apostel im Gleichnis vom Ölbaum in Rö 11,17-24. Der Herr Jesus Christus ist die Wurzel nach Off 22,16. Die Patriarchen bildeten den Stamm, sie sind die "Stammväter". Aus ihnen gingen die Zweige hervor. Der Ölbaum selbst ist der Ort des geistlichen Segens für alle Gläubigen aus Israel und aus den Nationen, aus dem das Öl (ein Bild des Segens durch den Heiligen Geist) herausfließt. Das Volk Israel nach dem Fleisch wurde als Ganzes zunächst ausgebrochen; aber jeder Israelit, der gläubig den Messias annimmt, wird wieder eingepfropft. Die Gläubigen aus den Nationen sind neu eingepfropft, denn sie gehörten im alten Bund gar nicht zum Baum. Auch sie werden von der Wurzel Jesus Christus und dem Stammvater Abraham (Segen aus Glauben in Jesus Christus für Abraham selbst, für seine gläubigen Nachkommen im irdischen Israel, und ebenso für die Gläubigen aus allen Nationen) getragen. Die Gesamtheit der Zweige des Baumes besteht also zum einen aus den Gläubigen aus den Nationen, zum anderen aus dem gläubig gewordenen Überrest aus Israel. Diese zusammen bilden das geistliche Israel, das Volk mit der Beschneidung nach dem Geist (Mt 21,43; Phil 3,3; Kol 2,11), das ist die Gemeinde des neuen Bundes. Draußen sind die Ungläubigen aus Israel, also das Israel nach dem Fleisch, sowie die Ungläubigen aus den Nationen.
Am Ende all seiner Erklärungen gibt Paulus dann eine Zusammenfassung. Es heißt dort:
Rö 11,26-27 „…und so (nicht: „nach diesem, danach“, sondern: „so, auf diese Art und Weise&ldquo wird ganz Israel gerettet werden wie geschrieben steht: Aus Zion wird der Erlöser kommen und die Gottlosigkeiten von Israel abwenden, und das ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.“
Dieser Vers sagt nichts über eine zeitliche Abfolge von Ereignissen aus, sondern er redet über die Art und Weise, auf welche Israel gerettet werden wird: Nämlich „so“, das ist schlicht und einfach, indem sie an den Messias glauben, genau wie die Nationen! Vers 27 weist deutlich auf den Wortlaut des Textes des neuen Bundes in Jer 31,31-34 hin, dessen Erfüllung für die neutestamentliche Gemeinde wir in Hebr 8,8-13 wörtlich finden. Die Anwendung dieser Heilstatsachen des neuen Bundes für die Gemeinde geht im Hebräerbrief eindeutig nicht auf die Zukunft, sondern auf die Gegenwart des Gemeindezeitalters. Was ist nun unter „ganz Israel“ im Zusammenhang von Rö 11,26 zu verstehen? Die Antwort auf diese Frage ist etwas schwierig. Es gibt im Wesentlichen zwei mögliche Auslegungen:
Die klassische reformatorische Auslegung sagt aus, dass Gott eine bestimmte Zahl unter den Nationen hat, welche er retten wird. Danach wird eine Zeit kurz vor dem Kommen des Herrn anbrechen, wenn Israel eine massenhafte Bekehrung zum Herrn erleben wird. „Ganz Israel“ ist nach dieser Auslegung im korporativen Sinn zu verstehen und bedeutet: „die überwiegende Mehrheit der Nation“. Diese kurze Zeit der massenhaften Erweckung in Israel wird der Wiederkunft des Herrn unmittelbar vorangehen. Die Sammlung der irdischen Nation Israel in unseren Tagen scheint ein klares Vorzeichen für diese letzte große Bekehrung in Israel zu sein.
Die zweite Auslegung besagt folgendes: Gott hatte zu allen Zeiten seinen gläubigen Überrest in Israel, und zwar im alten wie im neuen Bund. In der Zeit der Patriarchen bestand der Überrest aus Abraham und seinen direkten Nachkommen, welche ohne Gesetz mit Gott wandelten, ihm glaubten und gehorchten, und von ihm gesegnet und errettet wurden. Im alten Bund vom Sinai war der Überrest dadurch gekennzeichnet, dass er seine Sünden gläubig bekannte und den Opferdienst im persönlichen Vertrauen auf die Gnade des Bundesgottes Israels und in der hoffnungsvollen Erwartung des kommenden Messias versah. Im neuen und ewigen Bund ist der Überrest des irdischen Israels dadurch gekennzeichnet, dass er an den Messias Jesus Christus und an sein endgültiges Opfer von Golgatha glaubt. Ebenso wie es beim Kommen des Herrn Jesus am letzten Tag eine Vollzahl aus den Nationen in der Gemeinde geben wird, so wird es an diesem Tag auch eine Vollzahl aus dem irdischen Volk Israel in der Gemeinde Christi geben, nämlich die Summe aller gläubigen Israeliten seit Bestehen des neuen Bundes.
Die Gesamtheit aller „Überrestisraeliten“ des alten und des neuen Bundes ist schließlich „ganz Israel“ in Rö 11,26. Es ist die endgültige Summe aller Israeliten, welche zu allen Zeiten seit Bestehen des Volkes Israel das gläubige Israel dargestellt haben. Der gläubige Überrest des alten Bundes wurde errettet, weil er vorausschauend auf das Kommen und das Werk des Erlösers gewartet hatte. Der gläubige Überrest des neuen Bundes wird genau wie die Nationen durch den Glauben an das nunmehr in der Vergangenheit liegende und vollbrachte Werk des Erlösers gerettet.
Die letztgenannte Auslegung ist möglicherweise die bessere, denn sie lässt es nicht zu, aufgrund eines sichtbaren äußeren Erfolges in der Israelmission das baldige Kommen des Herrn Jesus abzuleiten. Wir können nur sagen, dass die Vollzahl der Nationen und die Vollzahl Israels am Tag der Ankunft des Herrn eingegangen sein wird. Wir können aber nicht anhand äußerer Phänomene wie etwa konkreter Bekehrungszahlen, diesen Tag erkennen. Der Herr sagt, dass niemand den Tag und die Stunde seines Kommens wissen kann. Die letztgenannte Deutung harmoniert am besten mit diesem Wort.
Die biblische Einteilung der Heilsgeschichte
In unserem Text „Die Botschaft des Evangeliums und die Heilsgeschichte“ gehen wir näher auf die Beantwortung der Frage ein, welches der beiden Systeme zur Gliederung der Heilsgeschichte nach den Aussagen der Schrift das zutreffende ist. Es soll hier, auch mit Blick auf unsere soeben gegebenen sehr ausführlichen Erläuterungen bezüglich Israels, nur kurz zusammengefasst werden.
Die wirkliche Bundesstruktur in der Bibel und ihre wahre Einteilung ist folgende:
Zunächst finden wir die Zeit der sündlosen Existenz Adams und seiner Frau Eva bis zur Verführung und zum Sündenfall, dem Verstoß dieser zwei Menschen und somit der gesamten damaligen Menschheit gegen das prüfende Gebot Gottes im Garten Eden.
Dann folgte unmittelbar der Bundeschluss Gottes mit Adam und Eva, welcher Gericht und Gnade enthielt. Das sogenannte Protevangelium in 1Mo 3,15 enthielt bereits die klare Verheißung des kommenden Erlösers für die ganze gefallene Menschheit in den Personen von Adam und Eva. Der Glaube von Adam und Eva nahm dieses Angebot der Gnade Gottes an. Dieser Moment war der Beginn des rettenden Heilshandelns Gottes in der weiteren Geschichte der Menschheit, welches erst im ewigen Zustand in Off 22 vollendet sein wird.
Diese gesamte Zeitspanne des Heilshandelns Gottes mit der gefallenen Menschheit ist zu unterteilen in die alte Heilszeit vom Sündenfall bis zum ersten Kommen des Erlösers Jesus Christus und in die neue Heilszeit bis zur Wiederkunft des Herrn Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit zum Gericht. Danach beginnt dann die Ewigkeit der Erlösten auf der neuen Erde und unter dem neuen Himmel. In dieser Betrachtungsweise der Schrift sind die Wege Gottes nicht kompliziert und verschlungen. Sie benötigen keine komplizierten Schaubilder, um verstanden zu werden. Die Wege Gottes sind gerade, und sie sind ausgerichtet auf ein Ziel, nämlich auf die endgültige Verherrlichung Gottes des Vaters und des Sohnes, des Herrn Jesus Christus, in der neuen und ewigen Welt, sowie auf die ewige Gemeinschaft Gottes mit seinen Erlösten. Ab 1Mo 3,15 ist die gesamte Bibel bis zu ihrem Ende die weitere Geschichte der schrittweisen Offenbarung und Vollendung dieser gewaltigen und ewigen Erlösung.
Die soeben erläuterten Tatsachen machen klar, dass die Aufteilung der Heilsgeschichte in sieben Zeitalter, gefolgt von der Ewigkeit, keine Grundlage in der Bibel findet. Die Schrift betont vielmehr ein anderes Schema, nämlich das Schema der zwei Zeitalter. In der Bibel finden wir zahlreiche Verse, welche deutlich über das jetzige endliche Zeitalter sowie über das zukünftige ewige Zeitalter reden. Diese Grundstruktur wird auch vom Herrn selbst in seinen Reden als quasi selbstverständlich vorausgesetzt. Die Einteilung der zwei Weltzeiten harmoniert vollkommen mit der Heilsgeschichte. Wir möchten nachfolgend eine ganze Reihe von Schriftstellen aus dem Neuen Testament benennen, welche über die beiden Zeitalter reden. Zu jedem Vers soll ein kurzer Gedankengang formuliert werden. Am Ende unseres Textes soll eine Zusammenfassung stehen, gefolgt von einigen Schlussfolgerungen...https://www.dieletztestunde.de/index.php/bibelauslegung/49-bibelauslegung/156-die-biblische-lehre-der-zwei-zeitalter...Gruss,Ralf😘
Der Alltag der globalisierten Kultur ist angefüllt mit digitalen Uhren und Kalendern. Die Computer funktionieren auf der Basis von massenhaften Informationsübertragungen, welche in unvorstellbar kurzen Zeitabständen ablaufen. Die Zeit wird zergliedert in kleinste digitale Einheiten. Im Sport rechnet man oftmals nach Hundertstelsekunden, um den Sieger in bestimmten Wettbewerben überhaupt noch ermitteln zu können. Um den Überblick nicht zu verlieren, haben die meisten Menschen das Bedürfnis, auch ihr eigenes Leben in vorausgeplante Zeitabschnitte zu unterteilen. Dieses Denken entspricht der Natur des Menschen: Alles muss geplant und somit sicher sein, alles hat einen Anfang und ein Ende.
Hieraus resultiert die ernste und oftmals sogar rücksichtslose Bemühung ungezählter Menschen, möglichst viele positive Ereignisse und Erfahrungen in die eigene Lebenszeit hineinzupacken, und sei es auch auf Kosten ihrer Mitmenschen. Die letztlich tödliche Konsequenz besteht darin, dass überall nur noch zahlenmäßig, funktional und leistungsorientiert gedacht wird. Die Zeit ist in diesem System nur noch eine Maßeinheit, sie besitzt anscheinend keine Qualität mehr, welche über das rein Rechnerische hinausgeht. Das Leben wird dadurch entwürdigt, und viele Menschen spüren das sehr deutlich. Sie sind in eine Falle hineingeraten und kommen nicht mehr aus ihr heraus.
Der Ausweg liegt in der richtigen geistlichen Orientierung. Der Mensch hat ja nicht nur einen vergänglichen Leib, sondern auch eine unvergängliche Seele, mit welcher er von Gott erschaffen wurde. Gläubige Christen wissen daher, dass es nicht nur die heutige Zeit gibt, sondern dass alle Menschen der Welt auf eine entweder herrliche Ewigkeit in der Gemeinschaft Gottes oder auf eine schreckliche Ewigkeit ohne Gott zusteuern. Viele Christen haben diese herrliche Ewigkeit als einen zeitlosen Zustand von seliger Anbetung angesehen. Wir erwarten jedoch als Christen nicht ein zeitloses Ende, sondern eine endlose Zeit. Das griechische Wort „aion“, welches man in der Bibel findet, hat sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Bedeutung. Die wohl beste Übersetzung ins Deutsche lautet daher: „Weltzeit“. Es wird in der ewigen Weltzeit der neuen Erde zwar keinen zeitlichen Aufschub mehr geben, keine erwartungsvolle Verzögerung mehr, aber sehr wohl ein aktives und ewiges Leben.
Wege und Irrwege des menschlichen Denkens
Große Meinungsverschiedenheiten herrschen unter den heutigen Christen bezüglich der zeitlichen Gliederung der Heilsgeschichte, also der Wege Gottes mit den Menschen in der heutigen Welt. Alle Christen erkennen zwar den ewigen Ratschluss Gottes an, jedoch sind sie sich uneinig über die Art und Weise seiner Ausführung. Es sind verschiedenste Systeme zur Gliederung der Heilsgeschichte entworfen worden. Seit etwa 1830 hat sich in der Christenheit des Westens das System des sogenannten Dispensationalismus durchgesetzt.
Gemäß der zuvor erwähnten natürlichen Neigung des Menschen, alles möglichst genau einzuteilen, haben manche Christen in der Bibel nach besonders markanten Gestalten gesucht und sie auch bald gefunden: Adam und Eva, Noah, Abraham, Mose, den Herrn Jesus Christus, Paulus, Petrus und andere. Es ist wahr, dass diese historischen Gestalten, vor allem natürlich unser Herr selbst, den Menschen die Grundlagen der Gedanken und des Handelns Gottes gezeigt haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie alle zu gleicher Zeit auch durch ihre Existenz die Grundlage für eine Zeiteinteilung nach den Gedanken Gottes geliefert haben. Das hat einzig und allein der Herr Jesus Christus selbst getan. Er kam in der Fülle der Zeiten, und sein Werk hat alles verändert. Nach seiner Himmelfahrt sieht die ganze Welt in der Tat völlig anders aus als davor. Wir rechnen bis heute vor Christus und nach Christus.
Die Denker des Dispensationalismus haben auch andere Personen in einer zumindest ähnlich prägenden Position wie den Herrn selbst gesehen. Ihre Lehre unterteilt unser gegenwärtiges Zeitalter in sieben verschiedene Haushaltungen Gottes:
Die Zeit der Unschuld von der Erschaffung Adams und Evas bis zum Sündenfall
Die Zeit des Gewissens vom Sündenfall bis zur Sintflut
Die Zeit der menschlichen Verantwortung von der Sintflut bis zum Patriarchen Abraham
Die Zeit der Verheißung von Abraham bis Mose
Die Zeit des Gesetzes von Mose bis zu dem Herrn Jesus Christus
Die Zeit der Gnade vom ersten Kommen Christi bis zu seinem zweiten Kommen in Macht und Herrlichkeit (aufgeteilt in die beiden Unterabschnitte des Gemeindezeitalters von Pfingsten bis zur geheimen Vorentrückung der Gemeinde und der siebenjährigen großen Drangsal zwischen der geheimen Vorentrückung der Gemeinde Christi und dem sichtbaren zweiten Kommen des Herrn)
Die Zeit des tausendjährigen Reiches des Messias auf dieser Erde
Auf diese sieben Haushaltungen oder Dispensationen folgt dann als achtes die Ewigkeit der neuen Schöpfung.
Eine der Hauptschwierigkeiten bei dieser Betrachtungsweise liegt darin, dass der Bibeltext keine klaren Anhaltspunkte für eine solche siebenteilige Aufgliederung bietet. Es ist vielmehr so, dass die Gnade Gottes bereits auf der ersten Seite der Bibel beginnt, und dass sie im weiteren Verlauf immer deutlicher geoffenbart wird. Adam und Eva dürfen nach dem Sündenfall aus reiner Gnade weiterleben, weil Gott ein Tier für sie schlachtet. Noah findet in 1Mo 6 Gnade in den Augen Gottes. Abraham lernt den gnädigen Gott ebenso kennen wie Mose und alle Propheten. Die Gnade durchzieht das Gesetz des alten Bundes. Der gesamte Opferdienst unter dem Gesetz war eine gnädige Einrichtung Gottes zur Bedeckung der Sünden eines ständig versagenden Volkes. Gnade und Wahrheit sind geoffenbart in dem Herrn Jesus selbst. Der allerletzte Vers der Bibel in Off 22 redet noch immer von der Gnade. Die Gnade ist der Grundton der gesamten Schrift. Sie ist nicht begrenzt auf eine von sieben Dispensationen.
Der Dispensationalismus unterscheidet weiterhin zwischen verschiedenen Gruppen geretteter Menschen aus diesen verschiedenen Haushaltungen. Er vertritt die Lehre, dass es eine strenge und ewige Trennung zwischen den Heiligen des Alten Testamentes, den Heiligen des Neuen Testamentes und den Geretteten aus dem irdischen Volk Israel geben müsse. Dazu kommen dann noch weitere Gruppen, nämlich die Geretteten aus der großen Drangsal, einerseits aus Israel, andererseits aus den Nationen. Diese Unterscheidung wird in verschiedenen Formen des Prämillennialismus gelehrt. Schließlich gibt es auch noch die Geretteten aus dem Millennium nach der sichtbaren Wiederkunft des Herrn Jesus Christus, einerseits aus Israel, andererseits aus den Nationen. Bei vielen Christen entsteht eine große Verwirrung, wenn sie diese Dinge lesen oder darüber belehrt werden. Es erscheint kaum möglich, die verschiedenen „Haushaltungen des Heils“ zu differenzieren, und wenn man einmal eine Predigt darüber gehört oder ein Buch darüber gelesen hat, dann neigt man leicht dazu, es bald wieder zu vergessen. Nur wenige Christen wären auf Anhieb dazu in der Lage, das System aus dem Stegreif zu erklären, wenn sie danach gefragt würden. Daher existieren komplizierte Schaubilder, mit deren Hilfe die Zusammenhänge illustriert werden sollen.
Andere Christen bekennen eine einfachere Hoffnung. Sie sagen dass Christus am Kreuz für alle ihre Sünden sein Blut vergossen hat und gestorben ist, dass er begraben wurde und dass er am dritten Tag auferstanden ist. Danach ist er in den Himmel gegangen und hat den Heiligen Geist auf die Erde geschickt, um mit Hilfe der Zeugen auf der Erde durch die Botschaft des Evangeliums die Gläubigen aus dem irdischen Volk Israel und aus allen Nationen der Erde zu sammeln. Am Ende dieser Zeit wird er wiederkommen und alle zuvor gestorbenen Gläubigen, und zwar sowohl die Gläubigen des Neuen Testamentes als auch diejenigen des Alten Testamentes, aus ihren Gräbern auferstehen lassen. Zusammen mit den dann noch auf der Erde lebenden Gläubigen, welche verwandelt werden, wird er an diesem letzten Tag seine ganze Gemeinde in den Himmel holen. Dann wird er die jetzige Erde im Feuer verbrennen und eine neue Schöpfung gründen, in welcher er auf ewig mit allen seinen Erlösten von Adam an leben wird.
Diese Botschaft benötigt keine komplizierten Schaubilder. Sie zerteilt nicht die Gemeinschaft der Erlösten in eine Mehrklassengesellschaft mit ewigen Sonderrechten für bestimmte Untergruppen, sondern sie zeigt dem Christen die Hoffnung auf, dass er in der ewigen und gleichrangigen Gemeinschaft mit allen Gläubigen von Adam bis hin zu dem letzten Bekehrten der Weltgeschichte leben wird. Welches der beiden Systeme entspricht nun dem Wort Gottes? Um die biblischen Zusammenhänge ausführlich und allgemein verständlich zu erläutern, müssen wir zunächst auf Gottes Plan mit Israel eingehen, wie er in der Schrift zu finden ist.
Gottes Plan mit Israel
Die Lehre des Dispensationalismus kann wie bereits gesagt nur auf der Grundlage der Behauptung gültig bleiben, dass Israel und die Gemeinde zwei streng voneinander getrennte Heilskörper sind, welche nichts miteinander zu tun haben und für ewig voneinander getrennt sein werden. Darby vertrat entschieden diese Lehre. Was ist hierzu zu sagen? Dieser Frage wollen wir uns auf unterschiedlichen Wegen nähern. Die nachfolgenden Gedanken wurden von vielen großen Vertretern der „alten Lehre“ der Christenheit gelehrt.
Zunächst muss festgehalten werden, dass Gott bereits Abraham geistliche Nachkommen aus allen Völkern verheißen hat, und dass diese Verheißung im Neuen Testament sowohl vom Herrn selbst als auch von den Aposteln ausführlich aufgegriffen wird. Abraham selbst war nicht nur der Vater Israels, sondern auch der Vater vieler anderer Völker. 1Mo 12,3 redet nicht nur über das irdische Israel, sondern über alle natürlichen und später auch geistlichen Nachkommen Abrahams aus vielen Nationen, welche den gleichen Glauben haben würden wie er selbst. Hier erkennt man bereits angedeutet das Heil für die Nationen, über das irdische Israel hinausreichend. Abraham war ein Götzendiener, und er wurde aus reiner Gnade von Gott selbst aus der heidnischen Götzenwelt nach der Flut auserwählt, um einen Neuanfang zu machen, nachdem der Götzendienst wieder überall um sich gegriffen hatte. Das Volk Israel wurde von Gott zunächst als das Volk auserwählt, welchem er im Alten Testament seine Ratschlüsse und Aussprüche mitteilen würde. Siehe hierzu Rö 3,2 und Am 3,2. In einem weiteren Schritt würde das Heil dann nach den ewigen Ratschlüssen Gottes durch den aus dem irdischen Israel geborenen Messias Jesus Christus zu allen Nationen der Erde kommen, wie es bereits in Jes 49,5-6 im AT deutlich gesagt wird.
Abraham erhielt das Zeichen der Beschneidung im Fleisch für die Juden am achten Tag des Lebens in 1Mo 17,12. Jeder Jude, der sich nicht beschneiden lassen wollte oder seine Söhne nicht beschneiden ließ, sollte aus dem Volk ausgerottet werden, weil er den Bund gebrochen hatte (1Mo 17,14). Dies hat eine geistliche Bedeutung: Der achte Tag als der Tag der Beschneidung deutet bereits seit Abraham auf den neuen Bund hin, denn er ist der erste Tag der neuen Woche, der Auferstehungstag des Herrn Jesus Christus. Nach Kol 2,11 ist die Gemeinde des neuen Bundes mit Christus in seinem Tod geistlich beschnitten mit seiner Beschneidung. So wie das leibliche Zeichen des alten Bundes die Beschneidung des Fleisches für das irdische Bundesvolk Israel war, so ist das geistliche Zeichen des neuen Bundes die geistliche Beschneidung des Herzens der Gläubigen im heutigen geistlichen und ewigen Bundesvolk, der Gemeinde Jesu Christi. Sie geschieht nicht am Fleisch mit der Hand, sondern am Geist bei der Wiedergeburt aus Glauben: Joh 1,11-12; Rö 8,9; Kol 2,11; Phil 3,3. Das äußerliche Zeichen des neuen und ewigen Bundes ist das Mahl des Herrn.
Der Herr bezeichnete im AT Israel als seinen Weinstock (Ps 80,8; Jes 5; Jer 2,21). Außerdem erhielt Israel am Berg Sinai bei der Gesetzgebung einen gewaltigen Auftrag:
2Mo 19,5-6: „Und nun, wenn Ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt Ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.“
Das Volk Israel versagte jedoch gänzlich darin, dem Auftrag Gottes gerecht zu werden. Dann kam der Sohn Gottes auf diese Erde, und er sagte entscheidende Dinge: In Joh 15,1 heißt es aus dem Mund des Herrn Jesus Christus: „Ich bin der wahre Weinstock…“. Das Identitätszentrum der Gläubigen des neuen Bundes würde also nicht weiterhin das irdische Volk Israel und die Zugehörigkeit zu diesem Volk sein (Jes 5), sondern die Person des Herrn selbst. Warum das?
Der Herr erklärt es im Gleichnis von den bösen Weingärtnern, welches er direkt auf die ungläubigen Juden und auf die Pharisäer anwendet:
Mt 21,43: „Darum sage ich euch (den ungläubigen Juden und den Pharisäern): Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte bringt.“
Das neue und andere Volk, also das Volk Gottes im neuen und ewigen Bund ist nicht mehr das irdische Israel, sondern die Gemeinde Jesu Christi, bestehend aus gläubigen Juden und Nichtjuden. Dies gilt für ewig, denn der Herr verflucht den Feigenbaum, der in dieser Situation ein klares Bild für die damalige irdische Nation Israel ist und sagt:
Mt 21,18-22: „…Nun soll von Dir keine Frucht mehr kommen in Ewigkeit.“
Israel als Nation wurde 100 Jahre nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn unter Bar Kochba, einem falschen Messias, aus dem Land vertrieben.
Bemerkenswert ist, dass Israel – und zwar die messianischen und die nicht-messianischen Juden – heute wieder unter der Zulassung Gottes eine äußere Wiederherstellung als Nation im Land der Väter erlebt. Die neuzeitliche Nation Israel wurde im Jahr 1948 nach der großen Diaspora unter der Zulassung Gottes wieder in das alte Land der Väter eingesetzt und sie wird möglicherweise noch politische und militärische Siege erringen. Sie wird aber als weltliche Nation keine geistliche Frucht mehr für Gott bringen. Frucht für Gott wird nur noch der gläubige Überrest der Nation als Teil der Gemeinde Christi aus allen Nationen bringen. Der Feigenbaum trägt keine Oliven (Jak 3,12). Gott gibt momentan noch viel Segen für die Nation Israel, aber eine 1000-jährige Herrschaft über die Erde wird er Israel nicht mehr schenken.
Man erwartet in gewissen Kreisen heute noch immer das 1000-jährige Weltreich Israels, von welchem bereits die alten Pharisäer nach dem Verlust des davidischen Königreiches Israels während der darauf folgenden babylonischen Gefangenschaft geredet hatten. Diese Lehren wurden nach dem Tod und der Auferstehung des Herrn Jesus Christus, des Messias Israels und der ganzen Welt, von den Pharisäern und Rabbinern im Talmud und im Zohar schriftlich festgehalten. Die Pharisäer im damaligen Israel wollten nicht akzeptieren, dass der Herr ein geistliches und ewiges Reich aufgerichtet hatte, welches nicht von dieser Welt war (Joh 18,36). Sie hatten den Messias an die Römer ausgeliefert, weil er ihre Erwartungen auf die politische Weltherrschaft Israels enttäuscht hatte und ihnen das Reich weggenommen hatte.
Die heutigen orthodoxen Talmudrabbiner wollen diese Tatsachen noch immer nicht akzeptieren. In der heutigen Zeit hat Israel gewissermaßen sein menschliches Schicksal in die eigenen Hände genommen. Gott liebt die Nation Israel wie alle Nationen, und er wird sie für eine Zeit gewähren lassen. Er wird noch viele Menschen aus Israel und aus allen anderen Nationen der Erde durch das Evangelium erretten. Am Ende wird jedoch der Herr Jesus Christus selbst wiederkommen, um am letzten Tag sein ewiges Reich auf der neuen Erde und unter dem neuen Himmel aufzurichten.
Über die Gemeinde Christi sagt das Neue Testament einige bemerkenswerte Dinge.
Off 1,6: „…und uns zu Königen und Priestern gemacht hat für seinen Gott und Vater…“
1Pe 2,9: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, …“
Tit 2,14: „…um uns von aller Gesetzlosigkeit zu erlösen und für sich selbst ein Volk zum besonderen Eigentum zu reinigen, das eifrig ist, gute Werke zu tun.“
Hier finden sich alle Elemente aus 2Mo 19,5-6 wieder. Was das natürliche Israel im Fleisch nicht erfüllen konnte, das wurde durch den Herrn selbst erfüllt, und es wird aus Gnade Gottes mittels des Glaubens den Gliedern der Gemeinde im neuen Bund zugerechnet als Gerechtigkeit. In Christus, also geistlich gesehen im Heiligen Geist, ist die Gemeinde der Gläubigen aus allen Nationen der Erde als Volk des neuen Bundes zu dem Volk des Segens geworden, welches Israel als Volk nach dem Fleisch nicht mehr sein konnte. Und hier beginnen nun die Schwierigkeiten der Auslegung.
Einige sagen, dass die Gemeinde Christi Israel in den Segenswegen Gottes vollständig ersetzt habe, und dass Israel gar keinen Segen mehr im neuen Bund zu erwarten habe. Sie erkennen nicht, dass die Gemeinde sich zusammensetzt aus Gläubigen aus den Nationen und aus den Juden. Viele Nichtjuden werden Kinder Gottes, und viele Juden werden es auch. Andere wiederum sagen, dass Israel jetzt beiseite gesetzt ist, und dass es erst in der fernen Zukunft wieder einen gewaltigen Segen zu erwarten habe, der jetzt noch nicht sichtbar sei. Sie erkennen nicht, dass der Segen Gottes in genauso gewaltiger Art und Weise bereits hier und heute auf alle Juden übergeht, die den Messias Jesus Christus annehmen, genau wie auf die Nationen. Die Gemeinde Jesu Christi wird am Ende dieser Zeit nicht nur ihre Vollzahl aus allen Nationen beinhalten, sondern auch ihre Vollzahl aus dem irdischen Volk Israel.
Der Schlüssel zum richtigen Verständnis liegt einerseits in den wichtigen Passagen des Galaterbriefes, welcher die geistliche Abstammung aller Gläubigen aus Israel und aus den Nationen von Abraham klar darlegt. Die wichtigsten Passagen sind hierbei Gal 3 und 4, sowie Gal 6,16. Andererseits in den drei Kapiteln Rö 9-11: Hier antwortet Paulus gewissermaßen auf einen möglichen Einwand, welcher sich aus Rö 1-8 ergibt. Dort wurde das Evangelium ausführlich beschrieben, und es wurde genau erklärt. Am Ende von Kapitel 8 ist alles wunderbar geordnet, es endet mit einer herrlichen geistlichen Gewissheit. Alles ist gut!
Dann kommt aber der Einwand: „Moment mal, Paulus: Sieh Dir die Verheißungen an, die den Juden gegeben wurden. Es scheint gar nicht so, als würden sie sich erfüllen. Wie viele Juden sind in der Gemeinde? Sie scheint hauptsächlich aus Nichtjuden zu bestehen, und die Juden verfolgen die Gemeinde an allen Orten genauso hart wie die Römer, ja sie arbeiten sogar mit den Römern zusammen. Wenn das, was du in Kapitel 1-8 deines Briefes gesagt hast, richtig ist und wenn Gottes Verheißungen absolut gewiss sind, was sagst du uns denn dann über die Stellung der Juden?“ Um diese Frage zu klären, verwendet Paulus nicht nur einige wenige Verse, sondern er schreibt eine ausführliche Erörterung in drei vollständigen Kapiteln, bevor er sich dem nächsten Thema seines Briefes zuwendet. Diese gesamte Erörterung muss in ihrem korrekten Kontext betrachtet werden, und zwar auch im Zusammenhang mit anderen Stellen des Neuen Testamentes (von welchen wir ja schon einige genannt haben).
Paulus eröffnet seine Argumentation in Rö 9,6-8:
„…Denn nicht alle, die von Israel abstammen, sind Israel … sondern die Kinder der Verheißung werden als Same gerechnet.“
Siehe auch Rö 2,28-29. In Gal 6,16 spricht der Apostel zu allen Gläubigen in Galatien, und er unterscheidet dabei die Gläubigen aus den Nationen vom Israel Gottes. Es sind dort zwei Gruppen. Was bedeutet das? Sowohl im Alten als auch im Neuen Testament gab es unter dem gesamten irdischen Volk Israel zwei Gruppen: Das ungläubige Israel nach dem Fleisch und das gläubige Israel Gottes. Die erste Gruppe war zwar am Fleisch beschnitten, jedoch nicht am Herzen. Die zweite Gruppe war am Fleisch und am Herzen beschnitten. Sie war das eigentliche Israel nach den Gedanken Gottes innerhalb des gesamten Volkes Israel nach dem Fleisch. Sie wird auch als der Überrest nach Wahl der Gnade bezeichnet (Rö 11,5).
Hier findet sich die Gleichsetzung mit dem gläubigen Überrest zur Zeit Elias. Auch Jakobus weist in seinem Brief darauf hin. Im alten Bund erwartete das gläubige Israel die Ankunft des Messias nach dem Wort der Propheten. Wir sehen das deutlich im Dienst des Johannes in den Evangelien und in den ersten Kapiteln des Lukasevangeliums. Der treue Überrest Israels erwartete den Messias. Diese Leute waren die gläubigen Israeliten des Alten Testamentes. Das Israel nach dem Fleisch kooperierte im Alten Testament mit den Feinden des Volkes, beim Kommen des Messias mit den Römern. Daneben gab es auch noch eine geringe Zahl von Gläubigen aus den Nationen (siehe zum Beispiel Hiob). Alle Gläubigen waren aus Gottes Sicht gerechtfertigt aufgrund ihrer ausharrenden Erwartung des Erlösers.
Dann kam der Messias, der Herr Jesus Christus. Er vollbrachte das Werk der Erlösung, und zwar für Israel und für alle Nationen. Auch das sagten die alten Schriften voraus (1Mo 12,3; Ps 2; Jes 9; Jes 49 und andere Stellen). In Apg 2 erklärte Petrus vor dem gesamten Volk Israel, dass nur dieser Jesus, den man gekreuzigt hatte, der Retter sei. Von diesem Tag an konnte kein Israelit mehr gerechtfertigt werden durch die Darbringung der Opfer unter dem Gesetz aus dem alten Bund in Verbindung mit der hoffnungsvollen Erwartung des kommenden Messias. So war es mit dem Überrest des Alten Testamentes gewesen. Jeder Jude konnte nur noch dadurch errettet werden, dass er persönlich an das blutige Opfer des Lammes Gottes auf Golgatha glaubte, seine Sünden bekannte und im Heiligen Geist neugeboren wurde. Durch diesen Glauben ging der betreffende Jude über vom Israel nach dem Fleisch zum Israel Gottes, also zum gläubigen Überrest Israels des Neuen Testamentes.
Dieses Angebot Gottes, das allen Juden an allen Orten gemacht wurde, nahmen nur relativ wenige Juden an, sieht man einmal von den ersten Jahren in Jerusalem ab. Der Überrest nach Wahl der Gnade, also das Israel Gottes innerhalb des gesamten Volkes Israel, war immer relativ klein, bisweilen sogar sehr klein gegenüber der ungläubigen Mehrheit des Israels nach dem Fleisch. Heute ist es noch immer so: viel Israel nach dem Fleisch, wenig Israel Gottes (heutzutage auch gerne bezeichnet als die messianischen Juden). Auch im heutigen Land Israel gibt es noch immer Christenverfolgung.
Für die anderen Nationen war es so, dass das Evangelium zu ihnen kam, und dass sich mit der Zeit eine viel größere Anzahl von ihnen zu Christus bekehrte, als es unter den Juden der Fall war. Das ist bis heute noch immer so. In der Gemeinde des Herrn Jesus Christus, also in dem Volk, das geistlich beschnitten ist mit der Beschneidung des Christus (Kol 2,11) und somit das Israel nach dem Geist darstellt (das ist das neue Volk des Segens im neuen Bund, die geistliche Beschneidung nach Rö 2,28-29 und Phil 3,3) gibt es noch immer viel mehr Gläubige aus den übrigen Nationen als aus Israel.
Diese Dinge erklärt der Apostel im Gleichnis vom Ölbaum in Rö 11,17-24. Der Herr Jesus Christus ist die Wurzel nach Off 22,16. Die Patriarchen bildeten den Stamm, sie sind die "Stammväter". Aus ihnen gingen die Zweige hervor. Der Ölbaum selbst ist der Ort des geistlichen Segens für alle Gläubigen aus Israel und aus den Nationen, aus dem das Öl (ein Bild des Segens durch den Heiligen Geist) herausfließt. Das Volk Israel nach dem Fleisch wurde als Ganzes zunächst ausgebrochen; aber jeder Israelit, der gläubig den Messias annimmt, wird wieder eingepfropft. Die Gläubigen aus den Nationen sind neu eingepfropft, denn sie gehörten im alten Bund gar nicht zum Baum. Auch sie werden von der Wurzel Jesus Christus und dem Stammvater Abraham (Segen aus Glauben in Jesus Christus für Abraham selbst, für seine gläubigen Nachkommen im irdischen Israel, und ebenso für die Gläubigen aus allen Nationen) getragen. Die Gesamtheit der Zweige des Baumes besteht also zum einen aus den Gläubigen aus den Nationen, zum anderen aus dem gläubig gewordenen Überrest aus Israel. Diese zusammen bilden das geistliche Israel, das Volk mit der Beschneidung nach dem Geist (Mt 21,43; Phil 3,3; Kol 2,11), das ist die Gemeinde des neuen Bundes. Draußen sind die Ungläubigen aus Israel, also das Israel nach dem Fleisch, sowie die Ungläubigen aus den Nationen.
Am Ende all seiner Erklärungen gibt Paulus dann eine Zusammenfassung. Es heißt dort:
Rö 11,26-27 „…und so (nicht: „nach diesem, danach“, sondern: „so, auf diese Art und Weise&ldquo wird ganz Israel gerettet werden wie geschrieben steht: Aus Zion wird der Erlöser kommen und die Gottlosigkeiten von Israel abwenden, und das ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde.“
Dieser Vers sagt nichts über eine zeitliche Abfolge von Ereignissen aus, sondern er redet über die Art und Weise, auf welche Israel gerettet werden wird: Nämlich „so“, das ist schlicht und einfach, indem sie an den Messias glauben, genau wie die Nationen! Vers 27 weist deutlich auf den Wortlaut des Textes des neuen Bundes in Jer 31,31-34 hin, dessen Erfüllung für die neutestamentliche Gemeinde wir in Hebr 8,8-13 wörtlich finden. Die Anwendung dieser Heilstatsachen des neuen Bundes für die Gemeinde geht im Hebräerbrief eindeutig nicht auf die Zukunft, sondern auf die Gegenwart des Gemeindezeitalters. Was ist nun unter „ganz Israel“ im Zusammenhang von Rö 11,26 zu verstehen? Die Antwort auf diese Frage ist etwas schwierig. Es gibt im Wesentlichen zwei mögliche Auslegungen:
Die klassische reformatorische Auslegung sagt aus, dass Gott eine bestimmte Zahl unter den Nationen hat, welche er retten wird. Danach wird eine Zeit kurz vor dem Kommen des Herrn anbrechen, wenn Israel eine massenhafte Bekehrung zum Herrn erleben wird. „Ganz Israel“ ist nach dieser Auslegung im korporativen Sinn zu verstehen und bedeutet: „die überwiegende Mehrheit der Nation“. Diese kurze Zeit der massenhaften Erweckung in Israel wird der Wiederkunft des Herrn unmittelbar vorangehen. Die Sammlung der irdischen Nation Israel in unseren Tagen scheint ein klares Vorzeichen für diese letzte große Bekehrung in Israel zu sein.
Die zweite Auslegung besagt folgendes: Gott hatte zu allen Zeiten seinen gläubigen Überrest in Israel, und zwar im alten wie im neuen Bund. In der Zeit der Patriarchen bestand der Überrest aus Abraham und seinen direkten Nachkommen, welche ohne Gesetz mit Gott wandelten, ihm glaubten und gehorchten, und von ihm gesegnet und errettet wurden. Im alten Bund vom Sinai war der Überrest dadurch gekennzeichnet, dass er seine Sünden gläubig bekannte und den Opferdienst im persönlichen Vertrauen auf die Gnade des Bundesgottes Israels und in der hoffnungsvollen Erwartung des kommenden Messias versah. Im neuen und ewigen Bund ist der Überrest des irdischen Israels dadurch gekennzeichnet, dass er an den Messias Jesus Christus und an sein endgültiges Opfer von Golgatha glaubt. Ebenso wie es beim Kommen des Herrn Jesus am letzten Tag eine Vollzahl aus den Nationen in der Gemeinde geben wird, so wird es an diesem Tag auch eine Vollzahl aus dem irdischen Volk Israel in der Gemeinde Christi geben, nämlich die Summe aller gläubigen Israeliten seit Bestehen des neuen Bundes.
Die Gesamtheit aller „Überrestisraeliten“ des alten und des neuen Bundes ist schließlich „ganz Israel“ in Rö 11,26. Es ist die endgültige Summe aller Israeliten, welche zu allen Zeiten seit Bestehen des Volkes Israel das gläubige Israel dargestellt haben. Der gläubige Überrest des alten Bundes wurde errettet, weil er vorausschauend auf das Kommen und das Werk des Erlösers gewartet hatte. Der gläubige Überrest des neuen Bundes wird genau wie die Nationen durch den Glauben an das nunmehr in der Vergangenheit liegende und vollbrachte Werk des Erlösers gerettet.
Die letztgenannte Auslegung ist möglicherweise die bessere, denn sie lässt es nicht zu, aufgrund eines sichtbaren äußeren Erfolges in der Israelmission das baldige Kommen des Herrn Jesus abzuleiten. Wir können nur sagen, dass die Vollzahl der Nationen und die Vollzahl Israels am Tag der Ankunft des Herrn eingegangen sein wird. Wir können aber nicht anhand äußerer Phänomene wie etwa konkreter Bekehrungszahlen, diesen Tag erkennen. Der Herr sagt, dass niemand den Tag und die Stunde seines Kommens wissen kann. Die letztgenannte Deutung harmoniert am besten mit diesem Wort.
Die biblische Einteilung der Heilsgeschichte
In unserem Text „Die Botschaft des Evangeliums und die Heilsgeschichte“ gehen wir näher auf die Beantwortung der Frage ein, welches der beiden Systeme zur Gliederung der Heilsgeschichte nach den Aussagen der Schrift das zutreffende ist. Es soll hier, auch mit Blick auf unsere soeben gegebenen sehr ausführlichen Erläuterungen bezüglich Israels, nur kurz zusammengefasst werden.
Die wirkliche Bundesstruktur in der Bibel und ihre wahre Einteilung ist folgende:
Zunächst finden wir die Zeit der sündlosen Existenz Adams und seiner Frau Eva bis zur Verführung und zum Sündenfall, dem Verstoß dieser zwei Menschen und somit der gesamten damaligen Menschheit gegen das prüfende Gebot Gottes im Garten Eden.
Dann folgte unmittelbar der Bundeschluss Gottes mit Adam und Eva, welcher Gericht und Gnade enthielt. Das sogenannte Protevangelium in 1Mo 3,15 enthielt bereits die klare Verheißung des kommenden Erlösers für die ganze gefallene Menschheit in den Personen von Adam und Eva. Der Glaube von Adam und Eva nahm dieses Angebot der Gnade Gottes an. Dieser Moment war der Beginn des rettenden Heilshandelns Gottes in der weiteren Geschichte der Menschheit, welches erst im ewigen Zustand in Off 22 vollendet sein wird.
Diese gesamte Zeitspanne des Heilshandelns Gottes mit der gefallenen Menschheit ist zu unterteilen in die alte Heilszeit vom Sündenfall bis zum ersten Kommen des Erlösers Jesus Christus und in die neue Heilszeit bis zur Wiederkunft des Herrn Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit zum Gericht. Danach beginnt dann die Ewigkeit der Erlösten auf der neuen Erde und unter dem neuen Himmel. In dieser Betrachtungsweise der Schrift sind die Wege Gottes nicht kompliziert und verschlungen. Sie benötigen keine komplizierten Schaubilder, um verstanden zu werden. Die Wege Gottes sind gerade, und sie sind ausgerichtet auf ein Ziel, nämlich auf die endgültige Verherrlichung Gottes des Vaters und des Sohnes, des Herrn Jesus Christus, in der neuen und ewigen Welt, sowie auf die ewige Gemeinschaft Gottes mit seinen Erlösten. Ab 1Mo 3,15 ist die gesamte Bibel bis zu ihrem Ende die weitere Geschichte der schrittweisen Offenbarung und Vollendung dieser gewaltigen und ewigen Erlösung.
Die soeben erläuterten Tatsachen machen klar, dass die Aufteilung der Heilsgeschichte in sieben Zeitalter, gefolgt von der Ewigkeit, keine Grundlage in der Bibel findet. Die Schrift betont vielmehr ein anderes Schema, nämlich das Schema der zwei Zeitalter. In der Bibel finden wir zahlreiche Verse, welche deutlich über das jetzige endliche Zeitalter sowie über das zukünftige ewige Zeitalter reden. Diese Grundstruktur wird auch vom Herrn selbst in seinen Reden als quasi selbstverständlich vorausgesetzt. Die Einteilung der zwei Weltzeiten harmoniert vollkommen mit der Heilsgeschichte. Wir möchten nachfolgend eine ganze Reihe von Schriftstellen aus dem Neuen Testament benennen, welche über die beiden Zeitalter reden. Zu jedem Vers soll ein kurzer Gedankengang formuliert werden. Am Ende unseres Textes soll eine Zusammenfassung stehen, gefolgt von einigen Schlussfolgerungen...https://www.dieletztestunde.de/index.php/bibelauslegung/49-bibelauslegung/156-die-biblische-lehre-der-zwei-zeitalter...Gruss,Ralf😘
Kommentare
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(Nutzer gelöscht) 28.01.2023 14:25
Also meine Empfehlung wäre den Link reinzustellen oder mehrere Links einzustellen und nicht so viel Text hier einzufügen.
Sulzbacher 28.01.2023 15:03
ich möchte aber dass jeder der im Internet etwas zu den entsprechenden Themen meiner Blogs auch ohne bei CsC zu sein diese meine Blogs dort findet und lesen kann,Gruss,Ralf
Sulzbacher 28.01.2023 17:09
machs doch mal wie ich,...nutze die "laut vorlese Funktionen"...und höre🤔 Dir die Texte an,...ich lese wie schon oft gesagt nur noch laut...
Sulzbacher 28.01.2023 17:10
Das Lesen biblischer Texte
Lesen im Altertum
Lesen in der Synagoge
Lesen in der Gemeinde
Lesen, um zu verstehen
Verständlich lesen
Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, Kurfürstendamm 153. Sonntag 2. März 1997, 18.30 Uhr. Das Alte Testament ... von Anfang bis Ende in Fortsetzungen gelesen von Elisabeth Orth und Michael König. 8. Fortsetzung "Der Herr sprach zu Mose: Sage zu den Israeliten: Wenn einer ohne Vorsatz gegen eins der Gebote des Herrn sündigt und etwas Verbotenes tut ...".
Die Künstlerin begründete das staunenswerte Unterfangen: "Wir wollen das gesamte Alte Testament lesen. Weil der Text einfach eine Menge hergibt, weil es sich lohnt, darauf zu hören - und mehr an Begründung braucht es gar nicht."[1]
Bibel lesen - Bibel vorlesen. Zwei Unterfangen, die es in sich haben. Zunächst lesen, dann aber auch vorlesen. Lesen bedeutet, "geschriebene oder gedruckte Zeichen und Zeichengruppen einzeln und in ihrem Zusammenhang erfassen und in Sprache umsetzen".[2] Bibel vorlesen bedeutet, den Text der Bibel verstehen und in hörbare Sprache umsetzen. Beim Bibellesen geschieht aber noch viel mehr, denn wer Bibel liest, wird durch Gott selbst belehrt, denn er liest Gottes Wort und wer die Bibel vorliest, gibt diese göttliche Unterweisung an andere Menschen weiter. Josua 8,34f: "Dann las Josua das ganze Gesetz vor, auch die Segenszusagen und Fluchandrohungen, alles, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht. Er ließ kein Wort von dem weg, was Mose gesagt hatte. Die ganze Gemeinde Israel hörte zu, auch die Frauen und Kinder und die Fremden, die bei ihnen lebten."
1. Lesen im Altertum
Wer im Altertum lesen konnte, tat dies grundsätzlich laut. Das hebräische Verb für lesen [ QaRa´ ] bedeutet nämlich "rufen", eigentlich "laut rufen". Selbst wenn man keine Zuhörer hatte, las man noch hörbar und bewegte die Lippen. Das hebräische Verb dafür bedeutet "murmelnd lesen" oder "halblaut lesen" [ HaGaH ]. Jos 1,8: "Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben."
Was die EÜ mit Nachsinnen wiedergibt, ist das Wort "HaGaH", murmelnd lesen. Wir können gut verstehen, dass Philippus damals den Äthiopier lesen hörte , wie es Apg 8,30 berichtet. "Philippus aber lief hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen und sprach: Verstehst du auch, was du liest?"
Im Altertum verstand man das leise Lesen ohne Lippenbewegungen offenbar noch nicht. Augustin erzählt[3] dass Ambrosius[4] diese neue, merkwürdige Gewohnheit hatte. Er berichtet: "... wenn er las, liefen seine Augen über die Blätter und sein Herz durchsuchte die Bedeutung, aber seine Stimme und seine Zunge ruhten. Oft, wenn wir dabei waren - denn es war niemand verboten hineinzukommen, und es war auch nicht Gewohnheit, jemand dabei zu helfen - sahen wir ihn so schweigend lesen und niemals anders ..." Augustin vermutet, dass Ambrosius vielleicht so schneller lesen konnte, "... obschon auch die Absicht, seine Stimme zu schonen, die gern heiser wurde, vielleicht noch mehr die Ursache des stillen Lesens war. Aber mit welcher Absicht er dies auch tat, geschah es zweifellos in einer guten."[5]
2. Lesen in der Synagoge
2.1 Thoralesung
Ein wesentlicher Teil des jüdischen Gottesdienstes[6] bestand in der Vorlesung der Thora, des alttestamentlichen Gesetzes, das wir in den fünf Büchern Mose finden. Man hatte die Thora in Abschnitte eingeteilt, so dass man spätestens im Lauf von drei Jahren den ganzen Text gelesen hatte.[7]
Das Vorlesen der Thora im Gottesdienst stand prinzipiell jedermann zu. Meist lasen mehrere Männer den Abschnitt nacheinander. Es war die Sache des Synagogenvorstehers, diese Personen am Vortag zu bestimmen. Im Gottesdienst rief dann der Synagogendiener sie öffentlich auf. Der Aufgerufene trat nach vorn, öffnete die Thorarolle, blickte hinein und sprach zuerst einen Lobspruch darüber, worauf die Gemeinde mit Amen antwortete. Dann begann er mit dem Vorlesen seines Abschnitts, um nach einigen Versen dem nächsten Vorleser Platz zu machen. Das Vorlesen selbst musste ein wirkliches Lesen sein, d.h. die Stelle durfte nicht aus dem Gedächtnis gesagt werden. Außerdem musste der Leser dabei stehen und sich bemühen, seinen Abschnitt mit wohllautender Stimme vorzutragen.
Jakobus bestätigt, dass dieses Praxis überall gepflegt wurde. Apg 15,21: "Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt , die ihn predigen, da er an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen wird."
Zur Zeit Jesu musste der in Hebräisch verlesene Text in die aramäische Landessprache übersetzt werden, weil nicht mehr alle Hebräisch konnten. Jeder Mann, der des Hebräischen mächtig war, durfte den verlesenen Text übersetzen. Die Übersetzung folgte frei nach jedem verlesenen Vers, d.h. der Übersetzer durfte nicht aus schriftlichen Aufzeichnungen vorlesen.
2.2 Prophetenlesung
Auf die Lesung der Thora folgte die Lesung eines Abschnitts aus den Propheten, der wahrscheinlich frei ausgesucht wurde und inhaltlich zu der Thorastelle passte. Das erfolgte nach der gleichen Prozedur: Nachdem der Leser die Rolle aus der Hand des Synagogendieners empfangen hatte, sprach er einen Lobspruch, las dann den Text und gab dem Diener die Rolle zurück.
2.3 Predigt
Nach der Textlesung wurden gewöhnlich einige Worte der Ermahnung an die Versammelten gerichtet. Das konnte der Vorleser tun oder auch ein anderer. Im Gegensatz zur Schriftlesung setzte er sich dabei vor die Versammlung. Ein schönes Beispiel dafür findet sich in Lukas 4,16ff:
Jesus kam auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er, wie er es gewohnt war, in die Synagoge. Er stand auf, um aus der Schrift vorzulesen, und man reichte ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er rollte sie auf und las die Stelle, an der es heißt: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt mit dem Auftrag, den Armen gute Botschaft zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen." Jesus rollte die Buchrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn gespannt an. Er begann zu reden. "Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt", sagte er zu ihnen, "Ihr seid Zeugen."
In Apostelgeschichte 13,14ff berichtet Lukas noch ein anderes Beispiel aus Antiochia in Pisidien:
Am Sabbat gingen sie dort in die Synagoge und setzten sich unter die Zuhörer. Nach der Lesung aus dem Gesetz und den Schriften der Propheten ließen die Synagogenvorsteher den Gästen sagen: "Brüder, wenn ihr ein ermutigendes Wort zu sagen habt, dann sprecht!" Da stand Paulus auf, bat mit einer Handbewegung um Ruhe und begann: "Ihr Männer aus dem Volk Israle und ihr anderen, die ihr den Glauben Israels teilt ..."
Dass Paulus hier zum Reden aufsteht hängt damit zusammen, dass er nicht lehrte, sondern ein Wort der Ermahnung an das Volk richtete. Nach rabbinischer Praxis erging die Lehre immer nur an eingeweihte Jünger im engen Kreis. Und nach den Regeln der großen Thora-Schulen geschah das Lehren immer im Sitzen. Gleichnisreden oder Schriftlesungen wurden stehend vorgetragen. Andere Anweisungen konnten im Gehen weitergegeben werden. Aber die offizielle Unterweisung geschah im Sitzen. Wir sprechen selbst heute noch vom Lehrstuhl eines Professors.
3. Lesen in der Gemeinde
Auch im christlichen Gottesdienst nahm das Vorlesen der alttestamentlichen Schriften einen großen Raum ein, denn Paulus konnte in den zum großen Teil heidenchristlichen Gemeinden eine Kenntnis der Schrift voraussetzen, die nur durch häufig wiederholtes Vorlesen erreichbar war. (Nur wenige Christen konnten sich eine Abschrift des Alten Testaments leisten und persönlich lesen. Eine von Hand auf Pergament geschriebene Thorarolle kostet heute noch je nach Ausführung zwischen 40.000 und 140.000 DM.) Deshalb ermahnte Paulus den Timotheus (1Tim 4,13):
"Bis ich komme, achte auf das Vorlesen, auf das Ermahnen, auf das Lehren!"
Timotheus sollte das Alte Testament vorlesen. Dazu gebrauchte er die griechische Übersetzung, die sogenannte Septuaginta, denn Griechisch verstand man fast überall im Römischen Reich. Das Neue Testament existierte zu dieser Zeit erst in wenigen Teilen, die außerdem nur einzelnen Gemeinden bekannt waren. Allerdings wurden diese Schriften sofort regelmäßig im Gottesdienst vorgelesen. Der Theologe Schlatter sagt:
"Die neutestamentlichen Schriften haben nicht erst später auch eine gottesdienstliche Verwendung gefunden, sondern wachsen von Anfang an aus dem Kultus hervor. Die Evangelien wurden dazu verfasst, um hintereinander als Ganzes der versammelten Gemeinde vorgelesen zu werden, wodurch auch ihrem Umfang das Maß gesetzt war."[8]
Allerdings las man in den Gemeinden auch andere Schriften, die man für sehr wichtig hielt, die aber dann nicht in die Sammlung des Neuen Testaments aufgenommen wurden. So berichtet zum Beispiel Dionysius, der Bischof von Korinth in einem Brief an Klemens, den Bischof der Gemeinde von Rom (diesen Klemens bezeichnete Paulus übrigens als seinen Mitkämpfer - Phil 4,3): "Wir feiern heute den heiligen Tag des Herrn und haben an demselben euren Brief verlesen, welchen wir gleich dem früheren durch Klemens uns zugesandten Schreiben stets zur Belehrung verlesen werden." Der Klemensbrief wurde auch in einigen anderen Gemeinden öffentlich vorgelesen, wie Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte erwähnt.
Den Christen in Kolossä schrieb der Apostel Paulus (Kol 4,16): Wenn dieser Brief (damit meinte er den Kolosserbrief) bei euch vorgelesen worden ist, dann schickt ihn nach Laodizea, damit er auch dort verlesen wird. Und lest auch den Brief, den ich nach Laodizea geschrieben habe. - Das meinte natürlich vorlesen. Das Vorlesen biblischer Texte hat nun mal eine besondere Verheißung.
Um 150 n.Chr. beschrieb Justin der Märtyrer in einer Bittschrift an den Kaiser den Ablauf eines sonntäglichen Gottesdienstes:
"An dem sogenannten Tag der Sonne findet eine allgemeine Versammlung aller in der Städten und auf dem Lande wohnenden (Christen) statt, und es werden die Erinnerungen der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, soviel als die Zeit es gestattet. Hat dann der Vorleser aufgehört, so hält der Vorsteher (der Gemeinde) eine Ansprache, worin er zu Nachahmung dieser edlen (Wahrheiten und Vorbilder) ermahnt und anfeuert."[10]
Offenbarung 1,3: "Wie glücklich ist der, der die Worte der Weissagung liest und die, die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht!"
Hier ist nicht gemeint, dass da einer für sich allein liest, sondern dass der Text anderen laut vorgelesen wurde. Aber natürlich gilt die Seligpreisung auch dem, der den Text für sich liest.
4. Lesen um zu verstehen
Der HERR JESUS fragte seine pharisäischen Gegner und die Schriftgelehrten oft, ob sie eine bestimmte Stelle denn nicht gelesen hätten. Er hatte es offenbar getan und wusste genau Bescheid. Beispiele:
[Mt 12,3] Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und die bei ihm waren hungerte?
[Mt 12,5] Oder habt ihr nicht in dem Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester in dem Tempel den Sabbat entheiligen und (doch) schuldlos sind?
[Mt 19,4] Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an (als) Mann und Frau schuf?
[Mt 21,16] Ja, habt ihr nie gelesen: "Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet"?
[Mt 21,42] Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr nie in den Schriften gelesen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen"?
[Mk 12,26] Was aber die Toten betrifft, dass sie auferweckt werden: Habt ihr nicht im Buch Moses gelesen, wie Gott beim Dornbusch zu ihm redete und sprach: "Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs"?
Lesen bedeutet also auch verstehen. Werner de Boor schreibt in seinem Vorwort zur Erklärung der Briefe des Paulus an die Philipper und an die Kolosser:
Der große Lehrer der Kirche, Prof. D. Adolf Schlatter, hat es seinen Studenten immer wieder gesagt: "Meine Herren, Sie können nicht lesen!" Natürlich konnten die Studenten "lesen", sogar ganz leidlich ihr griechisches Neues Testament. Schlatter aber verstand unter "Lesen" jene offene und selbstlose Hinwendung zu einem Text mit der ich treu und genau aufnehme, was der Text wirklich sagt, und alle die eigenen, gewohnten und lieben Gedankengänge zurückstelle, die sich sofort in mein Erfassen des Textes eindrängen oder einschleichen wollen. Welch ernste Mühe, welch tapfrer Kampf gehört zu solchem echten "Lesen"! Wie selbstverständlich sehen ganze Kirchen und Gemeinschaften biblische Abschnitte sofort und ausschließlich im Licht ihrer gewohnten Dogmatik und merken überhaupt nicht mehr, dass die Schrift selbst hier etwas ganz anderes meint und sagt ... Man kann in manchen lieben, gläubigen Kreisen die Bibel aufschlagen, wo man will: Was da tatsächlich geschrieben steht, interessiert gar nicht und wird gar nicht aufgenommen, sondern man redet rasch wieder von den immer gleichen Wahrheiten, die in diesen Kreisen besondere Geltung haben. Dadurch bleiben wir arm und oft genug auch schief gewachsen und lassen uns die ganze Tiefe des Reichtums entgehen, den Gott in seinem Wort für uns bereitet hat.
5. Verständlich Lesen
Verständlich lesen kann nur der, der den Text verstanden hat. Wer den Sinn eines Satzes nicht vorher erfasst, kann ihn nicht richtig vorlesen. Er wird den Text entstellen, wird Pausen an den unmöglichsten Stellen machen, er wird die Wörter falsch betonen und unter Umständen sogar bei einzelnen Begriffen stolpern. Darum: Man versetzte sich in den Text hinein als ob man ihn selbst erleben würde, man fühle mit den handelnden Personen, man ahne die Absicht des Verfassers. Verständlich lesen heißt also nicht nur deutlich lesen, aber es heißt es auch, wie Spurgeon bemerkt:
"Herrliche Wahrheiten können langweilig erscheinen, wenn man sie eintönig vorträgt. Ein sehr geachteter Prediger, der aber nur vor sich hin zu murmeln pflegte, wurde treffend mit einer Hummel im Krug verglichen ... Wenn die Stimme quiekt wie eine rostige Schere, oder wenn die Worte ineinander fließen, als hätte der Redner Brei im Mund, so sind das Untugenden, die man sich unter allen Umständen abgewöhnen muss ... Die Evangelien haben nicht umsonst von unserem HERRN geschrieben: Er tat seinen Mund auf und lehrte sie. Öffnet die Tore weit, damit die edle Wahrheit heraustreten kann. Vermeidet es, die Nase zum Sprechwerkzeuge zu machen, denn die größten Autoritäten stimmen darin überein, dass sie zum Riechen da ist ... Sprecht immer hörbar. Manche Männer sprechen laut genug, aber nicht deutlich, ihre Worte stolpern und purzeln übereinander. Deutliche Aussprache ist wichtiger als ein starker Blasebalg. Gebt dem Wort Gelegenheit, ordentlich herauszukommen; brecht ihm nicht in der Heftigkeit das Genick, lasst es nicht in der Eile die Füße brechen. Es ist empörend, einen großen Menschen, dessen Lunge für die lautesten Töne ausreicht, murmeln und flüstern zu hören; andererseits mag ein Mann noch so lebhaft darauf los schreien, man versteht ihn nicht, wenn er die Worte ineinander fließen lässt. Zu langsames Reden ist schrecklich und kann lebhafte Zuhörer ganz nervös machen. Wer kann denn einen Redner anhören, der zwei Kilometer in der Stunde kriecht? Heute ein Wort und morgen eins ist ein Gebratenwerden auf langsamem Feuer, das nur für Märtyrer ein Genuss ist. Aber sehr schnelles Reden, ein Rennen, Rasen und Toben ist ebenso unverzeihlich. Es kann niemals Eindruck machen, außer vielleicht auf Schwachsinnige., denn anstatt eines geordneten Heers von Worten kommt ein Pöbelhaufe auf uns zu, und der Sinn wird vollständig in einem Meer von Tönen ersäuft ..."[9] .
Also: Mut zum lauten Bibellesen. Manche Bibeltexte habe ich das erste Mal halbwegs verstanden, nachdem ich sie laut gelesen hatte.
Fußnoten
[1] Idea Spektrum 1997/4
[2] Berthelsmann Discovery 2000
[3] Kirchenvater Augustinus 354-430 n.Chr. in seinen "Bekenntnissen".
[4] 340-397 n.Chr.
[5] Zitiert bei Külling in "Bibel und Gemeinde" 1963/4 S. 261
[6] Strack-Billerbeck IV.1 S. 153ff
[7] Die babylonischen Juden lasen den Text in einem Jahr durch. Diese Einteilung des Pentateuch in 54 Paraschen findet sich heute noch in den hebräischen Bibeln.
[8] Schlatter S.80
[9] Spurgeon S. 49ff
[10] Zitiert bei Zahn, Skizzen S. 215
Lesen im Altertum
Lesen in der Synagoge
Lesen in der Gemeinde
Lesen, um zu verstehen
Verständlich lesen
Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, Kurfürstendamm 153. Sonntag 2. März 1997, 18.30 Uhr. Das Alte Testament ... von Anfang bis Ende in Fortsetzungen gelesen von Elisabeth Orth und Michael König. 8. Fortsetzung "Der Herr sprach zu Mose: Sage zu den Israeliten: Wenn einer ohne Vorsatz gegen eins der Gebote des Herrn sündigt und etwas Verbotenes tut ...".
Die Künstlerin begründete das staunenswerte Unterfangen: "Wir wollen das gesamte Alte Testament lesen. Weil der Text einfach eine Menge hergibt, weil es sich lohnt, darauf zu hören - und mehr an Begründung braucht es gar nicht."[1]
Bibel lesen - Bibel vorlesen. Zwei Unterfangen, die es in sich haben. Zunächst lesen, dann aber auch vorlesen. Lesen bedeutet, "geschriebene oder gedruckte Zeichen und Zeichengruppen einzeln und in ihrem Zusammenhang erfassen und in Sprache umsetzen".[2] Bibel vorlesen bedeutet, den Text der Bibel verstehen und in hörbare Sprache umsetzen. Beim Bibellesen geschieht aber noch viel mehr, denn wer Bibel liest, wird durch Gott selbst belehrt, denn er liest Gottes Wort und wer die Bibel vorliest, gibt diese göttliche Unterweisung an andere Menschen weiter. Josua 8,34f: "Dann las Josua das ganze Gesetz vor, auch die Segenszusagen und Fluchandrohungen, alles, was im Buch des Gesetzes geschrieben steht. Er ließ kein Wort von dem weg, was Mose gesagt hatte. Die ganze Gemeinde Israel hörte zu, auch die Frauen und Kinder und die Fremden, die bei ihnen lebten."
1. Lesen im Altertum
Wer im Altertum lesen konnte, tat dies grundsätzlich laut. Das hebräische Verb für lesen [ QaRa´ ] bedeutet nämlich "rufen", eigentlich "laut rufen". Selbst wenn man keine Zuhörer hatte, las man noch hörbar und bewegte die Lippen. Das hebräische Verb dafür bedeutet "murmelnd lesen" oder "halblaut lesen" [ HaGaH ]. Jos 1,8: "Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, nach alledem zu handeln, was darin geschrieben ist; denn dann wirst du auf deinen Wegen zum Ziel gelangen, und dann wirst du Erfolg haben."
Was die EÜ mit Nachsinnen wiedergibt, ist das Wort "HaGaH", murmelnd lesen. Wir können gut verstehen, dass Philippus damals den Äthiopier lesen hörte , wie es Apg 8,30 berichtet. "Philippus aber lief hinzu und hörte ihn den Propheten Jesaja lesen und sprach: Verstehst du auch, was du liest?"
Im Altertum verstand man das leise Lesen ohne Lippenbewegungen offenbar noch nicht. Augustin erzählt[3] dass Ambrosius[4] diese neue, merkwürdige Gewohnheit hatte. Er berichtet: "... wenn er las, liefen seine Augen über die Blätter und sein Herz durchsuchte die Bedeutung, aber seine Stimme und seine Zunge ruhten. Oft, wenn wir dabei waren - denn es war niemand verboten hineinzukommen, und es war auch nicht Gewohnheit, jemand dabei zu helfen - sahen wir ihn so schweigend lesen und niemals anders ..." Augustin vermutet, dass Ambrosius vielleicht so schneller lesen konnte, "... obschon auch die Absicht, seine Stimme zu schonen, die gern heiser wurde, vielleicht noch mehr die Ursache des stillen Lesens war. Aber mit welcher Absicht er dies auch tat, geschah es zweifellos in einer guten."[5]
2. Lesen in der Synagoge
2.1 Thoralesung
Ein wesentlicher Teil des jüdischen Gottesdienstes[6] bestand in der Vorlesung der Thora, des alttestamentlichen Gesetzes, das wir in den fünf Büchern Mose finden. Man hatte die Thora in Abschnitte eingeteilt, so dass man spätestens im Lauf von drei Jahren den ganzen Text gelesen hatte.[7]
Das Vorlesen der Thora im Gottesdienst stand prinzipiell jedermann zu. Meist lasen mehrere Männer den Abschnitt nacheinander. Es war die Sache des Synagogenvorstehers, diese Personen am Vortag zu bestimmen. Im Gottesdienst rief dann der Synagogendiener sie öffentlich auf. Der Aufgerufene trat nach vorn, öffnete die Thorarolle, blickte hinein und sprach zuerst einen Lobspruch darüber, worauf die Gemeinde mit Amen antwortete. Dann begann er mit dem Vorlesen seines Abschnitts, um nach einigen Versen dem nächsten Vorleser Platz zu machen. Das Vorlesen selbst musste ein wirkliches Lesen sein, d.h. die Stelle durfte nicht aus dem Gedächtnis gesagt werden. Außerdem musste der Leser dabei stehen und sich bemühen, seinen Abschnitt mit wohllautender Stimme vorzutragen.
Jakobus bestätigt, dass dieses Praxis überall gepflegt wurde. Apg 15,21: "Denn Mose hat von alten Zeiten her in jeder Stadt , die ihn predigen, da er an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen wird."
Zur Zeit Jesu musste der in Hebräisch verlesene Text in die aramäische Landessprache übersetzt werden, weil nicht mehr alle Hebräisch konnten. Jeder Mann, der des Hebräischen mächtig war, durfte den verlesenen Text übersetzen. Die Übersetzung folgte frei nach jedem verlesenen Vers, d.h. der Übersetzer durfte nicht aus schriftlichen Aufzeichnungen vorlesen.
2.2 Prophetenlesung
Auf die Lesung der Thora folgte die Lesung eines Abschnitts aus den Propheten, der wahrscheinlich frei ausgesucht wurde und inhaltlich zu der Thorastelle passte. Das erfolgte nach der gleichen Prozedur: Nachdem der Leser die Rolle aus der Hand des Synagogendieners empfangen hatte, sprach er einen Lobspruch, las dann den Text und gab dem Diener die Rolle zurück.
2.3 Predigt
Nach der Textlesung wurden gewöhnlich einige Worte der Ermahnung an die Versammelten gerichtet. Das konnte der Vorleser tun oder auch ein anderer. Im Gegensatz zur Schriftlesung setzte er sich dabei vor die Versammlung. Ein schönes Beispiel dafür findet sich in Lukas 4,16ff:
Jesus kam auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er, wie er es gewohnt war, in die Synagoge. Er stand auf, um aus der Schrift vorzulesen, und man reichte ihm die Buchrolle des Propheten Jesaja. Er rollte sie auf und las die Stelle, an der es heißt: "Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt mit dem Auftrag, den Armen gute Botschaft zu bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen." Jesus rollte die Buchrolle zusammen, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich. Alle in der Synagoge sahen ihn gespannt an. Er begann zu reden. "Heute hat sich dieses Schriftwort erfüllt", sagte er zu ihnen, "Ihr seid Zeugen."
In Apostelgeschichte 13,14ff berichtet Lukas noch ein anderes Beispiel aus Antiochia in Pisidien:
Am Sabbat gingen sie dort in die Synagoge und setzten sich unter die Zuhörer. Nach der Lesung aus dem Gesetz und den Schriften der Propheten ließen die Synagogenvorsteher den Gästen sagen: "Brüder, wenn ihr ein ermutigendes Wort zu sagen habt, dann sprecht!" Da stand Paulus auf, bat mit einer Handbewegung um Ruhe und begann: "Ihr Männer aus dem Volk Israle und ihr anderen, die ihr den Glauben Israels teilt ..."
Dass Paulus hier zum Reden aufsteht hängt damit zusammen, dass er nicht lehrte, sondern ein Wort der Ermahnung an das Volk richtete. Nach rabbinischer Praxis erging die Lehre immer nur an eingeweihte Jünger im engen Kreis. Und nach den Regeln der großen Thora-Schulen geschah das Lehren immer im Sitzen. Gleichnisreden oder Schriftlesungen wurden stehend vorgetragen. Andere Anweisungen konnten im Gehen weitergegeben werden. Aber die offizielle Unterweisung geschah im Sitzen. Wir sprechen selbst heute noch vom Lehrstuhl eines Professors.
3. Lesen in der Gemeinde
Auch im christlichen Gottesdienst nahm das Vorlesen der alttestamentlichen Schriften einen großen Raum ein, denn Paulus konnte in den zum großen Teil heidenchristlichen Gemeinden eine Kenntnis der Schrift voraussetzen, die nur durch häufig wiederholtes Vorlesen erreichbar war. (Nur wenige Christen konnten sich eine Abschrift des Alten Testaments leisten und persönlich lesen. Eine von Hand auf Pergament geschriebene Thorarolle kostet heute noch je nach Ausführung zwischen 40.000 und 140.000 DM.) Deshalb ermahnte Paulus den Timotheus (1Tim 4,13):
"Bis ich komme, achte auf das Vorlesen, auf das Ermahnen, auf das Lehren!"
Timotheus sollte das Alte Testament vorlesen. Dazu gebrauchte er die griechische Übersetzung, die sogenannte Septuaginta, denn Griechisch verstand man fast überall im Römischen Reich. Das Neue Testament existierte zu dieser Zeit erst in wenigen Teilen, die außerdem nur einzelnen Gemeinden bekannt waren. Allerdings wurden diese Schriften sofort regelmäßig im Gottesdienst vorgelesen. Der Theologe Schlatter sagt:
"Die neutestamentlichen Schriften haben nicht erst später auch eine gottesdienstliche Verwendung gefunden, sondern wachsen von Anfang an aus dem Kultus hervor. Die Evangelien wurden dazu verfasst, um hintereinander als Ganzes der versammelten Gemeinde vorgelesen zu werden, wodurch auch ihrem Umfang das Maß gesetzt war."[8]
Allerdings las man in den Gemeinden auch andere Schriften, die man für sehr wichtig hielt, die aber dann nicht in die Sammlung des Neuen Testaments aufgenommen wurden. So berichtet zum Beispiel Dionysius, der Bischof von Korinth in einem Brief an Klemens, den Bischof der Gemeinde von Rom (diesen Klemens bezeichnete Paulus übrigens als seinen Mitkämpfer - Phil 4,3): "Wir feiern heute den heiligen Tag des Herrn und haben an demselben euren Brief verlesen, welchen wir gleich dem früheren durch Klemens uns zugesandten Schreiben stets zur Belehrung verlesen werden." Der Klemensbrief wurde auch in einigen anderen Gemeinden öffentlich vorgelesen, wie Eusebius von Cäsarea in seiner Kirchengeschichte erwähnt.
Den Christen in Kolossä schrieb der Apostel Paulus (Kol 4,16): Wenn dieser Brief (damit meinte er den Kolosserbrief) bei euch vorgelesen worden ist, dann schickt ihn nach Laodizea, damit er auch dort verlesen wird. Und lest auch den Brief, den ich nach Laodizea geschrieben habe. - Das meinte natürlich vorlesen. Das Vorlesen biblischer Texte hat nun mal eine besondere Verheißung.
Um 150 n.Chr. beschrieb Justin der Märtyrer in einer Bittschrift an den Kaiser den Ablauf eines sonntäglichen Gottesdienstes:
"An dem sogenannten Tag der Sonne findet eine allgemeine Versammlung aller in der Städten und auf dem Lande wohnenden (Christen) statt, und es werden die Erinnerungen der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, soviel als die Zeit es gestattet. Hat dann der Vorleser aufgehört, so hält der Vorsteher (der Gemeinde) eine Ansprache, worin er zu Nachahmung dieser edlen (Wahrheiten und Vorbilder) ermahnt und anfeuert."[10]
Offenbarung 1,3: "Wie glücklich ist der, der die Worte der Weissagung liest und die, die sie hören und bewahren, was darin geschrieben steht!"
Hier ist nicht gemeint, dass da einer für sich allein liest, sondern dass der Text anderen laut vorgelesen wurde. Aber natürlich gilt die Seligpreisung auch dem, der den Text für sich liest.
4. Lesen um zu verstehen
Der HERR JESUS fragte seine pharisäischen Gegner und die Schriftgelehrten oft, ob sie eine bestimmte Stelle denn nicht gelesen hätten. Er hatte es offenbar getan und wusste genau Bescheid. Beispiele:
[Mt 12,3] Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und die bei ihm waren hungerte?
[Mt 12,5] Oder habt ihr nicht in dem Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester in dem Tempel den Sabbat entheiligen und (doch) schuldlos sind?
[Mt 19,4] Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an (als) Mann und Frau schuf?
[Mt 21,16] Ja, habt ihr nie gelesen: "Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet"?
[Mt 21,42] Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr nie in den Schriften gelesen: "Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden; von dem Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen"?
[Mk 12,26] Was aber die Toten betrifft, dass sie auferweckt werden: Habt ihr nicht im Buch Moses gelesen, wie Gott beim Dornbusch zu ihm redete und sprach: "Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs"?
Lesen bedeutet also auch verstehen. Werner de Boor schreibt in seinem Vorwort zur Erklärung der Briefe des Paulus an die Philipper und an die Kolosser:
Der große Lehrer der Kirche, Prof. D. Adolf Schlatter, hat es seinen Studenten immer wieder gesagt: "Meine Herren, Sie können nicht lesen!" Natürlich konnten die Studenten "lesen", sogar ganz leidlich ihr griechisches Neues Testament. Schlatter aber verstand unter "Lesen" jene offene und selbstlose Hinwendung zu einem Text mit der ich treu und genau aufnehme, was der Text wirklich sagt, und alle die eigenen, gewohnten und lieben Gedankengänge zurückstelle, die sich sofort in mein Erfassen des Textes eindrängen oder einschleichen wollen. Welch ernste Mühe, welch tapfrer Kampf gehört zu solchem echten "Lesen"! Wie selbstverständlich sehen ganze Kirchen und Gemeinschaften biblische Abschnitte sofort und ausschließlich im Licht ihrer gewohnten Dogmatik und merken überhaupt nicht mehr, dass die Schrift selbst hier etwas ganz anderes meint und sagt ... Man kann in manchen lieben, gläubigen Kreisen die Bibel aufschlagen, wo man will: Was da tatsächlich geschrieben steht, interessiert gar nicht und wird gar nicht aufgenommen, sondern man redet rasch wieder von den immer gleichen Wahrheiten, die in diesen Kreisen besondere Geltung haben. Dadurch bleiben wir arm und oft genug auch schief gewachsen und lassen uns die ganze Tiefe des Reichtums entgehen, den Gott in seinem Wort für uns bereitet hat.
5. Verständlich Lesen
Verständlich lesen kann nur der, der den Text verstanden hat. Wer den Sinn eines Satzes nicht vorher erfasst, kann ihn nicht richtig vorlesen. Er wird den Text entstellen, wird Pausen an den unmöglichsten Stellen machen, er wird die Wörter falsch betonen und unter Umständen sogar bei einzelnen Begriffen stolpern. Darum: Man versetzte sich in den Text hinein als ob man ihn selbst erleben würde, man fühle mit den handelnden Personen, man ahne die Absicht des Verfassers. Verständlich lesen heißt also nicht nur deutlich lesen, aber es heißt es auch, wie Spurgeon bemerkt:
"Herrliche Wahrheiten können langweilig erscheinen, wenn man sie eintönig vorträgt. Ein sehr geachteter Prediger, der aber nur vor sich hin zu murmeln pflegte, wurde treffend mit einer Hummel im Krug verglichen ... Wenn die Stimme quiekt wie eine rostige Schere, oder wenn die Worte ineinander fließen, als hätte der Redner Brei im Mund, so sind das Untugenden, die man sich unter allen Umständen abgewöhnen muss ... Die Evangelien haben nicht umsonst von unserem HERRN geschrieben: Er tat seinen Mund auf und lehrte sie. Öffnet die Tore weit, damit die edle Wahrheit heraustreten kann. Vermeidet es, die Nase zum Sprechwerkzeuge zu machen, denn die größten Autoritäten stimmen darin überein, dass sie zum Riechen da ist ... Sprecht immer hörbar. Manche Männer sprechen laut genug, aber nicht deutlich, ihre Worte stolpern und purzeln übereinander. Deutliche Aussprache ist wichtiger als ein starker Blasebalg. Gebt dem Wort Gelegenheit, ordentlich herauszukommen; brecht ihm nicht in der Heftigkeit das Genick, lasst es nicht in der Eile die Füße brechen. Es ist empörend, einen großen Menschen, dessen Lunge für die lautesten Töne ausreicht, murmeln und flüstern zu hören; andererseits mag ein Mann noch so lebhaft darauf los schreien, man versteht ihn nicht, wenn er die Worte ineinander fließen lässt. Zu langsames Reden ist schrecklich und kann lebhafte Zuhörer ganz nervös machen. Wer kann denn einen Redner anhören, der zwei Kilometer in der Stunde kriecht? Heute ein Wort und morgen eins ist ein Gebratenwerden auf langsamem Feuer, das nur für Märtyrer ein Genuss ist. Aber sehr schnelles Reden, ein Rennen, Rasen und Toben ist ebenso unverzeihlich. Es kann niemals Eindruck machen, außer vielleicht auf Schwachsinnige., denn anstatt eines geordneten Heers von Worten kommt ein Pöbelhaufe auf uns zu, und der Sinn wird vollständig in einem Meer von Tönen ersäuft ..."[9] .
Also: Mut zum lauten Bibellesen. Manche Bibeltexte habe ich das erste Mal halbwegs verstanden, nachdem ich sie laut gelesen hatte.
Fußnoten
[1] Idea Spektrum 1997/4
[2] Berthelsmann Discovery 2000
[3] Kirchenvater Augustinus 354-430 n.Chr. in seinen "Bekenntnissen".
[4] 340-397 n.Chr.
[5] Zitiert bei Külling in "Bibel und Gemeinde" 1963/4 S. 261
[6] Strack-Billerbeck IV.1 S. 153ff
[7] Die babylonischen Juden lasen den Text in einem Jahr durch. Diese Einteilung des Pentateuch in 54 Paraschen findet sich heute noch in den hebräischen Bibeln.
[8] Schlatter S.80
[9] Spurgeon S. 49ff
[10] Zitiert bei Zahn, Skizzen S. 215
Sulzbacher 28.01.2023 17:10
Mut zum lauten Bibellesen. Manche Bibeltexte habe ich das erste Mal halbwegs verstanden, nachdem ich sie laut gelesen hatte.🤔
Sulzbacher 28.01.2023 17:15
Selig ist der Vorleser🤔 und (selig sind) die Hörer 🤔(nicht Leser🤔)der Worte der Weissagung und die das bewahren[4], was in ihr geschrieben steht🤔
Sulzbacher 28.01.2023 17:19
Im Altertum verstand man das leise Lesen ohne Lippenbewegungen offenbar noch nicht. Augustin erzählt[3] dass Ambrosius[4] diese neue, merkwürdige🤔 Gewohnheit hatte.
Sulzbacher 28.01.2023 17:21
bin mehr denn je davon überzeugt dass der Teufel das laute lesen abgeschaft hat,...sohhh kann Er Uns beim leisen lesen alles einreden was Er will🤔
Sulzbacher 28.01.2023 17:27
GOTT redet und formt dadurch das Denken,...SATAN denkt und formt dadurch das Reden🤔
Sulzbacher 28.01.2023 17:37
jeder kann den Buchstaben der tötet mit dem Verstand verstehen,...die ganze Bibel auswendig lernen und kennen,...und doch GOTT nie mit dem Herzen(durch den Geist der das Wort lebendig macht) reden hören🤔
Sulzbacher 28.01.2023 17:47
Satans HERZ ist seit dessen Fall von GOTT getrennt,...Er kann seitdem GOTT nicht mehr hören,...und mit seinem VERSTAND auch nicht mehr verstehen🤔...bei dem Menschen ist es genauso,...ändert sich erst bei echter BEKEHRUNG,...dann kann der neue Mensch mit seinem neuen HERZEN GOTT wieder hören,...und anfangen mit seinem VERSTAND zu verstehen🤔
Mt 12,32: „Und wer ein Wort redet gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wer aber gegen den Heiligen Geist redet, dem wird nicht vergeben werden, weder in dieser Weltzeit noch in der zukünftigen.“
Es geht hier um die Vergebung der Sünden. Der Herr sagt, dass die Sünden der Menschen mit Ausnahme der Sünde gegen den Heiligen Geist in dieser Weltzeit vergeben werden können. Er weist zugleich auf eine zukünftige Weltzeit hin, in welcher die Sünde gegen den Heiligen Geist nicht vergeben werden wird. Der Zorn Gottes bleibt nach Joh 3,36 auf den Menschen, welche sich weigern zu glauben. Im Totenreich gibt es nach 1Pe 3,19-20 Menschen, die sich weigerten zu glauben, als Noah ihnen in ihrer damaligen Lebenszeit auf der Erde das Wort der Rettung verkündigte. Sie können sich in der Ewigkeit nicht mehr bekehren. Man kann nur in dieser heutigen Weltzeit gerettet werden, und auch das nur während des körperlichen Lebens auf dieser Erde. Nach dem Tod ist es zu spät. Es soll nochmals klar und deutlich betont werden: Der Herr selbst redet hier über Dinge aus dieser Weltzeit und über solche aus der zukünftigen Weltzeit. Eindeutig erkennen wir somit das Schema der zwei Zeitalter.
Mk 10,29-30: „Jesus aber antwortete und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Frau oder Kinder oder Äcker verlassen hat um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfältig empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker unter Verfolgungen, und in der zukünftigen Weltzeit ewiges Leben.“
Hier haben wir den Kontext der Nachfolge der Christen in unserer Zeit. Sie ist bisweilen mit hohen Kosten verbunden, was sowohl materiellen Verlust als auch den Verlust des irdischen Lebens durch die Hand der Verfolger bedeuten kann. In dieser Weltzeit haben wir also in Vers 29 den Dienst mit Verlusten auf der sichtbaren Ebene sowie die Erstattung von Verlusten durch den Herrn. Dann folgt in Vers 30 der Blick auf die zukünftige Weltzeit. Auch hier findet sich somit eindeutig die Erwähnung der zwei Zeitalter. In der zukünftigen Weltzeit werden die Christen, die in der jetzigen Weltzeit für das Evangelium gelitten haben, ewiges Leben empfangen. Das kann nur bedeuten, dass auch die zukünftige Weltzeit selbst ewig sein wird. Somit lautet die für unser Thema entscheidende Botschaft: Heute eine endliche Weltzeit mit Leid und Verfolgung, danach eine ewige Weltzeit in Herrlichkeit.
Lk 16,8: „Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter, dass er klug gehandelt habe. Denn die Kinder dieser Weltzeit sind ihrem Geschlecht gegenüber klüger als die Kinder des Lichts.“
Der Herr redet über die Kinder dieser Weltzeit. Es sind die Menschen, deren ganze Existenz nur im Hier und Jetzt verankert ist. Sie denken nicht darüber nach, dass nach der Zeit die Ewigkeit folgen wird. Sie versuchen alles Mögliche in ihrem jetzigen Leben zu erreichen und sind darin sehr kompetent. Sie sind oftmals in rein praktischer Hinsicht klüger als die Kinder des Lichts. Die Kinder des Lichts sind nach 1Thess 5,5 und 1Joh 1,7 die Gläubigen. Sie besitzen bereits das ewige Leben der neuen und ewigen Weltzeit, auch wenn sie in der heutigen Weltzeit zu kurz zu kommen scheinen. Nahezu das gesamte Buch der Offenbarung beschäftigt sich mit dem Gegensatz zwischen dem oft schweren Weg der Christen durch diese Welt und den Realitäten der unsichtbaren und ewigen Welt. An obiger Schriftstelle wird durch die Erwähnung dieser Weltzeit und durch den Gegensatz zwischen den zwei Personengruppen die Existenz einer anderen Weltzeit vorausgesetzt. An der kommenden Weltzeit werden die Kinder dieser Weltzeit keinen Anteil mehr besitzen.
Lk 18,30: „… der es nicht vielfältig wieder empfinge in dieser Zeit und in der zukünftigen Weltzeit das ewige Leben!“
Der Vers sagt das Gleiche aus wie Mk 10,29-30 und muss somit nicht weiter kommentiert werden.
Lk 20, 34-36: „Und Jesus antwortete ihnen und sprach: Die Kinder dieser Weltzeit heiraten und lassen sich heiraten; diejenigen aber, die gewürdigt werden, jene Weltzeit zu erlangen und die Auferstehung aus den Toten, die werden weder heiraten noch sich heiraten lassen, denn sie können nicht mehr sterben; denn sie sind den Engeln gleich und Söhne Gottes, da sie Söhne der Auferstehung sind.“
Hier findet sich eine Aussage des Herrn über verschiedene Lebensumstände der Menschen in dieser Weltzeit und in der zukünftigen Weltzeit. Diese heutige Weltzeit ist durch das Leben der zwei Geschlechter der Menschheit im natürlichen Leib gekennzeichnet. Das betrifft alle Menschen, die Gläubigen genauso wie die nicht Gläubigen. Man heiratet und lässt sich heiraten, man bekommt Kinder und pflanzt die Menschheit fort. Leider wird der jetzige Leib in Rö 7,23-25 auch als der Leib des Fleisches, der Sünde und des Todes bezeichnet. Der Mensch kann in diesem Leib der Lust nachgeben und sündigen, indem er in seinem Verhalten die Gebote Gottes missachtet. Er wird dann eines Tages sterben und als Verlorener in den ewigen Tod übergehen müssen. Auch der Christ, welcher in dieser Weltzeit nach den Geboten Gottes leben möchte, wird einmal leiblich sterben, wenn der Herr nicht zuvor wiederkommt. Er wird jedoch bei der Ankunft des Herrn auferstehen und als Sohn der Auferstehung in die zukünftige Weltzeit eintreten, in welcher er nicht mehr sterben kann. Dort wird es dann auch keine geschlechtliche Gemeinschaft und keine biologische Fortpflanzung mehr geben, sondern eine geistliche Gemeinschaft aller Gläubigen ohne die Lüste und Triebe der heutigen körperlichen Existenz. „Die Welt vergeht und ihre Lust, wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit“ (1Joh 2,17).
Rö 12,2: „Und passt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.“
Hier werden die Christen dazu aufgefordert, sich nicht diesem Weltlauf oder dieser Weltzeit (das Wort aion im griechischen Text) anzupassen. Sie werden aufgefordert, bereits in dieser zeitlich begrenzten Weltzeit die Charaktermerkmale des ewigen Lebens der kommenden ewigen Weltzeit aufzuweisen. „Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus hoffen, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt.“ (1Kor 15,19-20). Die Christen sollen heute schon im Grundsatz so leben und mit anderen Menschen so umgehen, wie sie es in der Ewigkeit der neuen Weltzeit einmal in Vollkommenheit tun werden. So wie das Licht und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters im Leben des Herrn Jesus Christus in diese Weltzeit hineingeleuchtet und hineingewirkt haben, so soll auch das Leben der Christen diese Zukunft andeuten. Das christliche Leben ist ein Leben der Hoffnung auf die Ewigkeit der Auferstehung, und diese Hoffnung soll sichtbar werden. Es soll ein Unterschied zwischen den moralischen Grundsätzen der Christen und denen der Weltmenschen erkennbar werden.
1Kor 1,20: „Wo ist der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo der Wortgewaltige dieser Weltzeit? Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit gemacht?“
Der Vers redet über die Weisheit der Schriftgelehrten und gewaltigen Redner dieser Weltzeit. Die Weisheit dieser Weltzeit wird als Torheit bezeichnet, denn sie ist in dieser Zeit verankert und reicht nicht darüber hinaus. Der Bezug zur kommenden Weltzeit wird in der Zusammenschau mit dem nachfolgenden Vers klar.
1Kor 2,6-9: „Wir reden allerdings Weisheit unter den Gereiften; aber nicht die Weisheit dieser Weltzeit, auch nicht der Herrscher dieser Weltzeit, die vergehen, sondern wir reden Gottes Weisheit im Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat, die keiner der Herrscher dieser Weltzeit erkannt hat — denn wenn sie sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt —, sondern, wie geschrieben steht: »Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und keinem Menschen ins Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben«.“
Hier erfahren wir, dass die jetzige Weltzeit vergeht, und zwar zusammen mit ihren Herrschern. Diese Menschen, die jetzt groß und mächtig dastehen, werden beim Kommen der zukünftigen Weltzeit ihre Bedeutung völlig verlieren. Die Weisheit Gottes, wenn sie sie hören, ist für sie ein unlösbares Geheimnis, sie können sie nicht ergründen, ja sie interessieren sich nicht einmal dafür, weil es ihnen ja heute so gut geht. Sie denken überhaupt nicht daran, dass das alles einmal enden könnte. Den Christen werden jedoch Dinge verheißen, die so herrlich sein werden, dass kein Auge sie gesehen, kein Ohr sie gehört hat und sie in keines Menschen Herz gekommen sind. Die Gläubigen gehen einer unvorstellbaren Herrlichkeit entgegen. Sie erwarten die Herrlichkeit des ewigen Lebens in der Gemeinschaft Gottes. Dieses ewige Leben werden sie in der neuen und ewigen Weltzeit besitzen, wie wir bereits in Mk 10,29-30 und Lk 18,30 gesehen haben.
1Kor 3,18: „Niemand betrüge sich selbst! Wenn jemand unter euch sich für weise hält in dieser Weltzeit, so werde er töricht, damit er weise werde!“
Hier haben wir im Wesentlichen eine Wiederholung dessen, was bei der Besprechung der beiden vorangegangenen Verse gesagt wurde.
2Kor 4,4: „… bei den Ungläubigen, denen der Gott dieser Weltzeit die Sinne verblendet hat, sodass ihnen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit des Christus nicht aufleuchtet, welcher Gottes Ebenbild ist.“
Der Vers redet über die Verfinsterung und Verblendung des Sinnes der Weltmenschen dieser Zeit. Sie hören das Evangelium der Rettung und nehmen es nicht an, weil der Gott dieser Weltzeit ihren Sinn verblendet hat. Der Gott dieser Weltzeit ist der Satan. Der Herr selbst nennt ihn in Joh 12,31 den Fürsten dieser Welt. Wir haben hier einen klaren Hinweis darauf, dass wir in einem grundsätzlich verlorenen, gefallenen und bösen Weltzustand leben, welcher die Folge des Sündenfalls ist. In 1Mo 3,14 wird der Satan verflucht, in 1Mo 3,17 die Erde. Der Teufel ist also der verfluchte Gott eines verfluchten Zeitalters, der verfluchte Fürst dieser verfluchten Welt. An dieser Welt gibt es nichts zu verbessern, sie ist verloren. Gott verfolgt vielmehr auf allen seinen Wegen des Heils durch die gesamte Geschichte hindurch das Ziel, die Verlorenen aus dem Machtbereich der Finsternis dieser verfluchten Welt zu retten und sie in das ewige Reich des Sohnes seiner Liebe zu versetzen (Kol 1,13). Der Herr Jesus Christus ist gekommen um zu suchen und zu retten, was verloren ist (Lk 19,10). Der Satan wird am Ende dieses Zeitalters zusammen mit der verfluchten Erde und allen Menschen untergehen, welche Gott den Vater und seinen Sohn Jesus Christus abgelehnt haben. Dieser Untergang wird sich nicht in einem evolutionären oder natürlichen Prozess abspielen, sondern durch ein übernatürliches Eingreifen Gottes direkt aus dem Himmel heraus an einem einzigen Tag beim Schall der letzten Posaune, wenn der Herr selbst wiederkommt zum Gericht. Die Toten werden auferstehen, die Gläubigen gerettet, der Satan mit seinen Dämonen und die verlorenen Menschen werden in den Feuersee geworfen (Joh 5,28-29; Joh 6,39-40+44; Joh 11,24; Apg 17,31; Apg 24,15; 1Thess 4,15-18; 2Pe 3,10-13; Off 11,15-18; Off 20,11-15).
Gal 1,4: „… der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, damit er uns herausrette aus dem gegenwärtigen bösen Weltlauf, nach dem Willen unseres Gottes und Vaters, …“
Dieser Vers ist der Taufvers des Schreibers der vorliegenden kurzen Abhandlung. Er redet deutlich davon, dass Gott nicht das Ziel verfolgt, die heutige Welt irgendwie zu verbessern, sondern dass der Herr Jesus Christus gekommen ist, um seine Erlösten aus der verfluchten Welt heraus zu retten. Siehe auch hier wieder Lk 19,10 und Kol 1,13. Die gegenwärtige böse Weltzeit (wiederum ein deutlicher Anklang an ihre völlige Verlorenheit und Bosheit) ist zu vergleichen mit der Titanic, welche als unsinkbar galt, und welche auf ihrer ersten Fahrt von einem Eisberg aufgeschlitzt wurde und im Nordmeer unterging. Um nicht mit unterzugehen, mussten die Menschen einen Platz in einem Rettungsboot finden. Wer an Bord des Schiffes blieb, der war rettungslos verloren. So ist es mit der heutigen Welt: Sie sieht großartig aus und ist dennoch dem Tod geweiht. Wer sich an diese Welt klammert, wird mit ihr untergehen. Die Christen halten im Glauben Ausschau nach der zukünftigen ewigen Weltzeit des neuen und ewigen Himmels und der neuen und ewigen Erde. Sie klammern sich nicht an diese Welt. Sie nehmen es in Kauf, ihr zeitliches Leben zu verlieren um gerade dadurch das ewige Leben zu gewinnen.
Eph 1,21: „… hoch über jedes Fürstentum und jede Gewalt, Macht und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in dieser Weltzeit, sondern auch in der zukünftigen;“
Hier sehen wir die Herrschaft des Herrn Jesus Christus sowohl über unsere Zeit als auch über das kommende ewige Zeitalter. Der Herr sagte in Mt 28,18: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden.“ Das gilt in der heutigen Zeit, auch wenn es äußerlich bisweilen nicht danach aussehen mag. Der Herr Jesus öffnet in Off 5-7 die sieben Siegel des Buches der Pläne Gottes, und er lenkt alles: Die äußeren Ereignisse, das Weltsystem, das Leben der Gläubigen, das Leben der Feinde Gottes, das Schicksal der Engel, der Dämonen und des Satans selbst. Auch in der zukünftigen ewigen Weltzeit wird er unumschränkt und sichtbar herrschen.
Eph 2,2: „… in denen ihr einst gelebt habt nach dem Lauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt;“
Im Kontext geht es hier um das frühere Leben der Christen vor ihrer Errettung. Sie lebten wie die Kinder dieser Welt (kosmos, so auch in den Schriften des Johannes, wenn er über die heutige Welt redet) gemäß dem Fürsten der Gewalt der Luft, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt. Die unerretteten Weltmenschen leben noch immer gemäß diesem Geist, welcher in Vers 3 des Kapitels gekennzeichnet ist durch die Lüste des Fleisches, die sündigen Gedanken des Eigenwillens und den Zorn. Dieser Geist selbst ist natürlich der Gegenspieler Gottes und seines Geistes, also der Satan. Hier haben wir einen weiteren Titel des Satans: Der Fürst, der in der Luft herrscht. Nicht nur die Erde, sondern auch der Luftraum scheint in diesem bösen Zeitalter nach seiner Pfeife zu tanzen. Es ist aber nur äußerlich so. Der eigentliche Herrscher ist der Herr Jesus Christus, der König der Könige und der Herr der Herren. Lesen Sie dazu bitte Psalm 2, wo die Machtverhältnisse im Kosmos eindrucksvoll erklärt werden.
1Tim 6,17-19: „Den Reichen in der jetzigen Weltzeit gebiete, nicht hochmütig zu sein, auch nicht ihre Hoffnung auf die Unbeständigkeit des Reichtums zu setzen, sondern auf den lebendigen Gott, der uns alles reichlich zum Genuss darreicht. Sie sollen Gutes tun, reich werden an guten Werken, freigebig sein, bereit, mit anderen zu teilen, damit sie das ewige Leben ergreifen und so für sich selbst eine gute Grundlage für die Zukunft sammeln.“
Hier sehen wir, dass es einen irdischen Reichtum gibt, welcher dem jetzigen Zeitlauf zugeordnet ist und einen geistlichen Reichtum, welcher der Zukunft und dem wahren ewigen Leben in dieser Zukunft angehört. Die Reichen dieser Zeit verlassen sich auf vergängliche Dinge. Sie sammeln Schätze in diesen Tagen, welche sie restlos verlieren werden. Ihre Sünden und bösen Werke werden ihnen nachfolgen ins Gericht Gottes. Die wirklich Reichen, nämlich die Gläubigen, sammeln in ihrem geistlichen Leben unvergängliche Reichtümer, welche sie in die ewige Weltzeit mitnehmen werden. Ihre Werke werden ihnen nachfolgen, und es wird Lohn geben. Sie besitzen schon jetzt ein unvergängliches Erbe, welches in den Himmeln für sie aufbewahrt ist und welches der Herr an seinem Tag mit sich zur neuen Erde bringen wird (Jak 5,1-6; 1Pe 1,4-12; Off 14,13; Off 20,12; Off 22,6-12). Schon die Propheten des AT haben über diese Dinge geweissagt und sich gefragt, was die letztendliche Bedeutung ihrer Worte war.
Tit 2,12: „… sie nimmt uns in Zucht, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen und gerecht und gottesfürchtig leben in der jetzigen Weltzeit, …“
Hier haben wir eine Zusammenschau der Gnade Gottes im Hinblick auf beide Zeitalter. Die Gnade ist bereits erschienen in dem Herrn Jesus Christus. In Christus ist das Heil für alle Menschen, die es im Bekenntnis ihrer eigenen Sünde gläubig annehmen und dem Herrn nachfolgen. Diese heilbringende Gnade begleitet den Christen durch sein ganzes Leben hindurch und nimmt ihn in Zucht, damit er Gott gemäß besonnen und gerecht lebt. Dadurch erwirbt er sich Reichtum für die Zukunft, er schafft sich eine gute Grundlage für das Ergreifen des ewigen Lebens, nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der neuen ewigen Weltzeit. Das wirkliche Leben in seiner ganzen Fülle wird erst dort geoffenbart werden. Der Christ lebt also gewissermaßen schon jetzt in geistlicher Hinsicht im Reich Gottes, obwohl er sich nach seiner leiblichen Existenz noch in der heutigen verfluchten Welt befindet. Das Reich Gottes hat in dem Herrn Christus seinen sichtbaren Eingang in unsere Weltzeit gefunden. Die Wunder des Herrn und seiner Apostel waren gewissermaßen ein Aufleuchten der ewigen Herrlichkeiten der Zukunft, noch in der Gegenwart unserer verfluchten Erde. Bei den Christen ist es daher so, dass sie gewissermaßen als Wanderer zwischen den Weltzeitaltern angesehen werden können. 1Joh 3,1-3 sagt etwas sehr Ähnliches. Wir sind als Christen schon jetzt Kinder Gottes, obwohl wir noch nicht vollständig und sichtbar verherrlicht sind. Das wird erst geschehen am Tag der sichtbaren Wiederkunft Christi, welche die glückselige Hoffnung in Tit 2,13 ist. Wer diese Hoffnung hat, der reinigt sich. Das bedeutet, dass auch im heutigen Leben der Christen die Dinge des Reiches Gottes sichtbar werden sollen (Rö 14,17). Der Christ lebt Tag für Tag im Spannungsfeld zwischen dem, was er schon jetzt grundsätzlich geworden ist und der Offenbarung der völligen Herrlichkeit, welche noch nicht stattgefunden hat.
Hebr 6,5: „… und das gute Wort Gottes geschmeckt haben, dazu die Kräfte der zukünftigen Weltzeit, …“
Es ist hier die Rede von dem Wort Gottes und den Kräften des zukünftigen Zeitalters. Es ist nicht die Rede von mehreren zukünftigen Zeitaltern, sondern nur von einem einzigen. In der Zusammenschau mit unseren vorherigen Versen wird somit erneut klar, dass dieses zukünftige Zeitalter nicht mehr enden wird, sondern dass es ewig ist. Das ewige Zeitalter der Zukunft wird die völlige Offenbarung der zu ihm gehörenden Kräfte bringen. Gott wird in vollkommener Herrlichkeit thronen und er wird alles in allem sein. Alle Ebenen der neuen Schöpfung werden nur noch ewige Herrlichkeit sein. Keine Einsamkeit mehr, keine Schwachheit, keine Krankheit, kein Tod, keine Sünde, keine Trennung, keine Trauer, kein Schmerz, keine Tränen, kein Abschied, keine Kriege, keine Naturkatastrophen mehr.
In der Person und im Werk des Herrn sind diese Kräfte vor 2000 Jahren mit Macht und Herrlichkeit in unser gegenwärtiges Zeitalter eingebrochen. Blinde wurde sehend, Lahme konnten gehen, Kranke wurden geheilt, Tote wurden auferweckt, Dämonen wurden ausgetrieben und Armen wurde die gute Botschaft, das Evangelium der Errettung, verkündigt. Die Zeichen und Wunder des Herrn waren eine Proklamation der Kräfte des ewigen Reiches Gottes, welches bereits in unserer Zeit begonnen hatte. Das Gleiche galt für den Dienst der Apostel.
Auch heute ist der Herr selbst durch seinen Geist noch immer mitten unter uns und in uns (Rö 14,17; 2Kor 3,17-18; Kol 1,27). Wir sind heute trotz unserer eigenen äußeren Schwachheit die Botschafter des Reiches Gottes auf dieser Erde, und zwar in der Kraft des Herrn. Das ewige Reich Gottes hat mit dem Dienst des Herrn bereits in unserem jetzigen Zeitalter begonnen. Es wird bei der Wiederkunft des Herrn in Herrlichkeit und Vollkommenheit sichtbar geoffenbart werden. Der Tag dieser Wiederkunft wird der letzte Tag des heutigen Zeitalters und zugleich der erste Tag des zukünftigen und ewigen Zeitalters sein. Alles wird an diesem Tag erneuert werden. Gott wird in seiner Allmacht auf übernatürliche Weise in das heutige Zeitalter eingreifen und es für immer und ewig beenden.