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Das Lamm Gottes und der rote Faden

Das Lamm Gottes und der rote Faden
Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes

In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!
Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird.
Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes. (Joh 1, 29–34)

Gott hat Johannes offenbart, dass der, auf den er den Geist wie eine Taube herabkommen sieht, der ist, der mit dem Heiligen Geist taufen wird. Weil Johannes in Jesus den Sohn Gottes erkennt, kann er Zeugnis geben für ihn und die Menschen auf den hinweisen, für den er selbst Wegbereiter ist:

Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.

Bei der RKK wird in jeder Heiligen Messe das “Agnus Dei” gebetet: “Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt…”; und der Priester spricht beim Erheben der Hostie vor der Kommunion die Worte: “Seht das Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt.”

Den Menschen damals war das Lamm vertraut als Opfertier. Es hatte eine wichtige Bedeutung im jüdischen Tempelkult. Am Vorabend des Paschafestes wurden die Lämmer im Tempel geschlachtet, die dann am Festtag gegessen wurden. Das geschah in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Das Buch Exodus berichtet davon, wie sich die Israeliten in der Nacht des Aufbruchs versammelten, um das Paschalamm nach der Vorschrift Gottes zu essen. Damals hatten die Israeliten ihre Türpfosten mit dem Blut des Lammes bestrichen. So wurden sie gerettet, während bei den Ägyptern in jener Nacht jede Erstgeburt hinweggerafft wurde.

Das Lamm ist ein Zeichen für Reinheit, Unschuld, Friedfertigkeit. Lammfromm nennt man jemanden, der keiner Fliege etwas zu Leide tun kann. Der Wolf wohnt beim Lamm, das ist eines der Bilder für das Friedensreich Gottes bei Jesaja.

Und doch gibt es das grausame Bild des geopferten Lammes, das vom Exodus her hineinreicht über den Tod Jesu Christi bis in jede Heilige Messe der RKK heute. Dieses Bild meint aber nicht, dass Gott von uns Menschen grausame Opfer verlangt. Gott selbst opfert sich für uns. Opfer ist so nicht Zeichen von Unterwerfung, wie viele meinen, sondern von Freiheit. Wie das Schlachten der Lämmer in engster Verbindung steht zum Exodus, der Befreiung Israels von der Sklaverei in Ägypten, so steht der Tod Jesu für die Erlösung aller Menschen, für die Befreiung aller Menschen von der Sünde.

Christus ist das Osterlamm, das wahre Paschalamm. Die Hingabe Jesu am Kreuz zu unserem Heil ist die Klammer, die das ganze Johannesevangelium umspannt. Jesus selbst weist im Johannesevangelium immer wieder hin auf die Stunde, für die er gekommen ist. Diese Stunde erfüllt sich bei seinem Kreuzestod.
Die enge Verbindung, die der Begriff “Lamm Gottes” zwischen dem Geschehen am Jordan und der Stunde auf Golgota herstellt, zeigt uns sehr schön der bekannte Isenheimer Altar. Dort steht Johannes der Täufer neben dem Kreuz und sagt auf Jesus deutend die Worte: “Seht das Lamm Gottes.”

Auch der Maler des Isenheimer Altares wusste, dass das so historisch nicht korrekt ist, da der Täufer ja nach dem Bericht aller Evangelien schon lange vor der Kreuzigung Jesu von Herodes hingerichtet wurde. Was er darstellen will, ist eine theologische Deutung, die uns den tieferen Sinn der Worte “Seht das Lamm Gottes” verstehen lehrt.
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Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.

Johannes muss mit diesen Worten eine Sehnsucht angesprochen haben, die die Menschen in sich getragen haben. Die Menschen haben sich danach gesehnt, dass einer kommt, der sie erlöst, der sie befreit von ihren Sünden. Da kein Mensch dies vermag, musste Gott selbst Mensch werden. Johannes erkennt den, der dies vermag, den Sohn Gottes und er zeigt auf ihn. Seht her, sagt er zu den Leuten, er ist es, den ihr ersehnt, er allein kann euch Rettung und Heil schenken. Wecken diese Worte auch in uns diese Sehnsucht nach Rettung und Heil?

Der rote Faden

Sowohl der Talmud als auch der Sohar erstatten Bericht darüber, wie der Hohepriester in den Tagen des Tempels einmal jährlich – an Jom Kippur, dem „Tag der Versöhnung“ – das Allerheiligste betritt und Opfer zur Vergebung der Sünden aller Israeliten darbringt. Beide Schriften erwähnen „das Wunder des roten Fadens“: Ein roter Faden wird auf wundersame Weise weiß als Zeichen dafür, dass Gott die Opfer angenommen hat. Aus dem Bericht des Sohar (Vajikrra, 3, zusammengefasst):

An diesem Tag werden alle Sünden vergeben … die Unreinheiten der Seelen und Körper … sie alle, an diesem Tag … Gott vergibt Israel un befreit es von allen Sünden. An diesem Tag bittet der Priester für sich, sein Haus, die Priester, für alle und das Heiligtum um Vergebung … Durch einen besonderen roten Faden wissen sie, ob der Priester Erfolg hatte. Man wusste es, wenn sich der Faden von Rot zu Weiß färbte, dann gab es Jubel unten wie oben. Verfärbte sich der Faden nicht, waren alle niedergeschlagen, denn sie wussten, ihre Gebete wurden nicht erhört.

Der weißgewordene rote Faden sollte Zeichen dafür sein, dass Gott die Opfer angenommen und dem jüdischen Volk seine Sünden verziehen hatte („Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee. Wären sie rot wie Purpur, sie wollen weiß werden wie Wolle“: Jes 1,18) Der Talmud selbst belegt jedoch, dass dieses große Wunder, die göttliche Bestätigung für die Annahme des hohepriesterlichen Opfers und die Vergebung der Sünden, vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels aufhörte einzutreten. Die Stelle des Talmuds lautet (Rosh Hashanah 31b):

Ursprünglich befestigten sie den roten Faden am Tor des äußeren (Tempel)Hofes. Wurde er weiß, freute sich das Volk, und wenn er nicht weiß wurde, war es bekümmert… Vierzig Jahre lang vor der Zerstörung des Tempels wurde der rote Faden nicht mehr weiß, sondern er blieb rot.

Der Tempel wurde etwa im Jahr 70 zerstört, demzufolge trat das Wunder um das Jahr 30 nicht mehr auf, zu genau der Zeit, als die Kreuzigung stattfand – die Kreuzigung, welche die Opfer des Alten Bundes durch Jesu Opfertod am Kreuz ersetzte. Dem Neuen Testament nach riss genau dann, als Jesus starb, der Vorgang des Tempels entzwei, der das Allerheiligste verbarg, und symbolisierte so das Ende des Alten Bundes und der Wirksamkeit seiner Opfergaben (Mt 27, 51; Mk 15.38; Lk 23,45). Der Talmud selbst bestätigt das unabsichtlich mit seinem Bericht, dass von da an  vierzig Jahre vor der Zerstörung des Temels im Jahr 70 – der rote Faden nie wieder weiß wurde.

Kommentare

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Engelslhaar 15.01.2023 14:50
danke für diesen ausführlichen Text.
Ich habe in den Homilien zur Vorabendmesse gestern und auch heute in der Messe Anschauliches zu dem Thema gehört
 
Angelika1953 15.01.2023 15:04
Dankeschön Miri21 für deinen Beitrag. 
Ich kenne die Geschichte mit dem roten Faden. Es ist aber immer wieder schön für mich diese Geschichte zu lesen oder zu hören. 
Wünsche dir einen gesegneten Sonntag 
 
(Nutzer gelöscht) 15.01.2023 15:36
Es wird auch gesagt, dass das Opfertier an Passah im Jahr als Christus gekreuzigt wurde, davonrannte und so lebend entkam. Ich kenne nur die Quelle dieser Begebenheit nicht.
 
(Nutzer gelöscht) 15.01.2023 19:00
Ein Danke auch von mir für dies Ausführungen!
Beim lesen des Abschnittes "Bericht des Sohar (Vajikrra, 3, zusammengefasst)" kam mir die Frage auf, ob daher die Praxis einer einmaligen Beichte im Jahr stammt.. 🤔 .
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