weiße TaubeChrist sucht Christ Logo ohne Taube

Manchmal ist es weit bis Weihnachten

Manchmal ist es weit bis Weihnachten
Publiziert: 09.09.2020 | ERF Medien | Autor Flurin Dewald, Schweiz

https://erf-medien.ch/glauben/christliche-feiertage/weihnachten/manchmal-ist-es-weit-bis-weihnachten-eine-weihnachtsgeschichte/









Manchmal ist es weit bis Weihnachten – eine Weihnachtsgeschichte


Lea war weg. Mit brechender Stimme und Tränen in den Augen verließ sie damals das Haus. Es war kein richtiger Streit, aber sie hatte eine Wut im Bauch, eine unbestimmbare Wut auf Mama und Papa, auf das Haus, auf diese Stadt, dieses Land, dieses Leben! Eine richtige Verabschiedung gab es nicht, die Tür knallte, und Lea war verschwunden.

Es war Weihnachten. Martin und seine Frau Sarah dachten an diesem Tag nur noch an ihre Tochter. Über sie zu sprechen war zu schmerzhaft für sie beide, so sehr vermissten sie Lea. Darüber, wo sie war, konnte man nur rätseln. In einem der beiden Ferienhäuser, im Engadin und in Spanien war sie nicht, das hatte er abklären lassen. Vielleicht Berlin, vielleicht London? Vielleicht aber auch Tibet?

Jetzt war sie am Telefon.

Die Berge im künstlichen Hintergrund bei Skype wollten so gar nicht passen, hätte Lea doch die Berge zuletzt am liebsten gesprengt in ihrem Zorn. Martin blickte kurz durch die Glasfront auf die echten Berge, dann sofort wieder auf das Display des iPads. Hier war sie, seine Tochter, aber sie sah nicht gut aus, verpixelt, wackelig und in ruckelnden Bildern. Immer wieder brach die Verbindung ab. Aber auch dünn und blass wirkte sie. Hatte Lea das Virus? Hatte sie sich verausgabt? Drogen genommen? Wo mochte sie sein, was mochte sie brauchen?

«Ich habe kein Geld mehr.» 
Martin und Sarah waren sprachlos. Wie konnte sie so schnell über 30 000 Franken ausgeben? 
Jetzt brach es aus Lea heraus: «Ich habe gar nichts mehr. Kann ich…»
Wieder blieb das Bild stehen, die Verbindung brach ab.

Martins Gedanken überschlugen sich und es kamen ihm die Tränen. War wirklich Geld das Problem? Er hatte sein Leben lang gearbeitet – sehr viel gearbeitet und gut verdient. Die Armut seiner Eltern sass ihm noch in den Knochen. Der eigenen Familie sollte es niemals an Geld mangeln. Lea mangelte es offensichtlich an etwas anderem. Warum verliess sie Wohlstand und Sicherheit, Familie und Freunde, verprasste das Ersparte in wenigen Wochen?

Die Verbindung war erneut hergestellt, Lea wieder da. Etwas gefasster als vorhin fragte Lea unvermittelt:
«Papa, glaubst du an das Gleichnis vom verlorenen Sohn? Glaubst du, dass es möglich ist?»

Das hatte er nicht erwartet, obwohl er vorhin selbst daran denken musste. Als Lea klein und noch vieles gut war, lag sie manchmal auf Martins Bauch und er las ihr die Abenteuergeschichten vor von Sindbad dem Seefahrer oder Pippi Langstrumpf. Und er las die Geschichten aus der Bibel. Mehr noch als Tausend und eine Nacht oder Astrid Lindgren liebte Lea die Gleichnisse im Neuen Testament, die Geschichten vom Schatz im Acker, vom Sämann, vom verlorenen Sohn. Und dann deuteten sie gemeinsam um die Wette. Jedes Mal hatten sie wieder eine andere Bedeutung gefunden, was das Sandkorn, was der Schatz, was der Acker darstellen könnte. Diese Geschichten kamen ihnen beiden vor wie Zauberhüte, aus denen man immer mehr herausziehen konnte, obwohl gar nichts da war.

«Papa, Mama!» Lea riss ihn aus den Gedanken. «Ich will ehrlich mit euch sein: Ich musste raus aus der Schweiz, aber vor allem weg von daheim. Die Anspannung, der Druck, der Stress zuhause, ich habe das alles nicht mehr ausgehalten.» Martin wusste, wovon sie sprach. Ihm kamen die zwielichtigen Geschäfte in den Sinn. Sie waren in den letzten Jahren immer profitabler geworden und nahmen ihn zunehmend in Anspruch. Seine ermattete Beziehung zu Sarah kam ihm vor Augen. Ihre Ehe war heute wortkarger und giftiger denn je. Und dann der Glaube: diese leeren Gebete und unerträglichen Gedanken.


«Ich war auf Ibiza, wollte feiern und die Enge zuhause vergessen, mein altes Leben, die Sorgen, den Druck loswerden», erzählte Lea jetzt in klarem Bild und Ton. «Zuerst war es grossartig, die Wärme, die Leute, das Meer. Dann wurde ich krank, sehr krank. Es war schrecklich. Aber im Spital ist etwas passiert mit mir. Seit langer Zeit habe ich gebetet - ich will nur noch nach Hause.»


Jetzt brach für Martin alles ein.


Draussen schneit es dicht. Die erste weisse Weihnacht seit Jahren. Martin fragt sich: 

«Was bedeutet zu Hause sein wirklich?» 

Auf dem Display wird es dunkel, der Gebirgshintergrund verschwindet. Nur der Schein einer Laterne beleuchtet Leas Gesicht, das sich rhythmisch bewegt zu ihren Schritten auf dem Kies. Martin und Sarah sehen einander an, mit plötzlich vertrautem Blick, in dem sich dieselbe Frage, dieselbe Hoffnung spiegelt
– bis es an der Haustür klingelt.



-------*---❄---*---*---❄---*---❄----*-----*-----

Kommentare

Schreib auch du einen Kommentar
 
Engelslhaar 26.12.2022 09:14
Danke für diese berührende Geschichte, die verlorene Tochter kehrt heim!
 
Herbstprince 26.12.2022 09:15
Vielen von uns ist es doch so ergangen. Wir hatten ein Elternhaus, ein vielleicht friedliches Zuhause, liebevoll Eltern, eine super Versorgung und trotzdem wurde es uns zu eng. Wir  mussten Neues ausprobieren, wollten auf eigenen Füßen stehen, die Welt erleben, selbst eine Familie gründen, eine eigenes Geschäft aufbauen, nahmen Risiken und Niederlagen in Kauf.
Aber da ist dann doch die Sehnsucht, solange die Eltern oder ein Elternteil leben, zurück ins alte Nest zu kommen, man kommt zu Besuch nachhause, ist immer als Kind willkommen, die Tür steht immer offen, man schätzt, was die Eltern für einen getan haben, immer mehr.

Glückselig ist, wer ebenso eine Sehnsucht hat, irgendwann zum Himmlischen Vater zu kommen, die Verbindung durch Gebet nie abreißen lässt und weiß, man ist dort willkommen. Wir verdanken es Jesus, dass die Tür dorthin geöffnet worden ist.       
 
Herbstprince 26.12.2022 09:19


Es gibt offensichtlich viele Wege, nach Hause zu kommen - jedenfalls sollte man jede Möglichkeit ausschöpfen. 
 
Autumn 26.12.2022 10:41
Die Geschichte vom verlorenen Kind ist auch die Geschichte
vom barmherzigen Vater.  (Lukas 15)

Das Evangelium im Evangelium



20 Und er machte sich auf und ging zu seinem Vater. Als er aber noch fern war, sah ihn sein Vater und hatte Erbarmen; und er lief, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. 

24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; und er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
 
(Nutzer gelöscht) 26.12.2022 13:28
wie ich das verstanden habe ist Lea vor den Lügen weggelaufen und auch vor Heuchelei, die inhaltlos und leer ist. Und das war gut und richtig. Sie ist von der Falschheit davongelaufen , hat dem den Rücken gekehrt, was sie von Gott trennte und ihren eigenen Weg zu Gott gefunden. Und damit hat sie auch die Kraft nach Hause zu gehen, um die Lügen aufzudecken. Das hat so ganz und gar nichts mit der Geschichte des verlorenen Sohnes gemeinsam. Sondern mit Gottes Güte und Gnade in einem verlogenem System, das zur Wiederherstellung führen kann, wenn es die Wahrheit zuläßt.
 
(Nutzer gelöscht) 26.12.2022 13:51
So ist es tatsächlich im Leben, wenn man tief in der Krise steckt, dann erinnert man sich wo die Menschen sind, die einen wirklich lieben, und die einen NIE zurückweisen würden, egal wieviel Mist man gebaut hat.
Schön, dass es auch noch auf unserer unperfekten Welt solche Orte und Menschen gibt, zu denen man heim kommen kann!😊

ich möchte als Mutter auch so ein Hafen sein, wo mein Kind weiß, dass es jederzeit-egal unter welchen Umständen immer willkommen ist!
 
Autumn 26.12.2022 14:57
zu 13:28

Lea wollte weg aus der Schweiz und von daheim,
weg von Anspannung,  Druck, Stress, Enge.

So empfinden wohl sehr viele Jugendliche
und auch Erwachsene empfinden so in ihrem Alltag mit all den Verpflichtungen, Geboten und Einschränkungen.

Von Lügen, Heuchelei und Falschheit hat sie nicht's gesagt.

Selbstverständnis ist der Vater in der Geschichte nicht mit Gott Vater vergleichbar,
das versteht sich von selbst.
In unserer Geschichte darf auch der Vater Martin etwas dazu lernen.

Es geht um das Thema "vermeintliches Glück in der Ferne finden wollen",
weg von zuhause, Frei-Sein, Sein eigenes Ding machen wollen.
(Die Bibel bezeichnet die Trennung von Gott Sünde)

Am Ende ihrer Erfahrungen in der Ferne will das Mädchen nur nach Hause.
 
Autumn 27.12.2022 07:54
Was mich an der Geschichte besonders berührt hat, ist die Frage des Mädchens:

«Papa, glaubst du an das Gleichnis vom verlorenen Sohn?
 Glaubst du, dass es möglich ist?»

Früher hat Martin ihr immer dieses Gleichnis vorgelesen.
Jetzt ist er selber gefragt, ob auch er ein barmherziger Vater sein kann,
ob er die reuige Rückkehrerin auch ohne Verurteilung in seine Arme schließen kann.

"Glaubst du, dass es möglich ist?"

Ich bin mir fast sicher zu wissen, wie er reagieren wird, als es an der Haustür klingelt.
Wird er den Glauben seiner Tochter erschüttern?
weiße TaubeJetzt kostenlos registrieren