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Wer hat dir zum Bewußtsein gebracht...

Wer hat dir zum Bewußtsein gebracht...
...sprach der Herr zum
Menschen, „daß du nackt bist? Hast du etwa von dem Baum, von
dem ich dir geboten, nicht zu essen, dennoch gegessen?" Das ist die
große Gottesfrage an den ersten Menschen. Sie ist es auch heute
noch. Sie wendet sich an das Gewissen der Völker und Staaten, der
Kirchen und Kulturen auch der Gegenwart. Wir haben im vorigen
Kapitel gesehen, welch eine innerliche Entscheidung für den Men=
sehen mit dem Baum der Erkenntnis verbunden war. Er war mit
seiner Frucht eine der höchsten Gaben, die die Schöpfung in ihrer
Natur für den Menschen hatte. Gott hatte jedoch mit dieser Gabe
ein bestimmtes Wort des Lebens verbunden. Da kam die Schlange
mit ihrem Evangelium und verband mit der Frucht des Baumes eine
der Pseudoverheißungen. Nach Gottes Verbot sollte der Mensch nicht
im Genießen, sondern im Meiden der Frucht sein Leben und seine
tiefste Erkenntnis über „gut" und „böse" finden. Nach dem Evan=
gelium der Schlange sollte jedoch gerade im Genuß der Frucht die
Erfüllung der Sehnsucht des Menschen liegen. Da mußte nun offen*
bar werden, ob der Mensch sich für das mit dem Baum verbundene
Wort der Offenbarung entscheiden werde oder aber für die Frucht
des Baumes und die damit verbundene Verheißung.
Der Mensch entschied sich für die Stimme der Schlange. Und hat
nicht die Welt, die Menschheit, haben nicht auch wir uns in unserem
christlichen Zeitalter immer wieder entschieden, unsere höchste Er=
kenntnis über „gut" und „böse" nicht in der Offenbarung Gottes,
sondern in der Gabe der Schöpfung zu finden? Ist uns denn nicht auf
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unseren Kanzeln und Kathedern die Naturwissenschaft vielfach ein
viel höheres Evangelium als die von den Propheten der Menschheit
empfangene und erlebte Gottesoffenbarung? Lassen wir nicht in
unserem gesellschaftlichen, staatlichen und politischen Leben anstatt
das Licht Gottes das selbstische Begehren, das irregeleitete National*
bewußtsein darüber entscheiden, was „gut" und „böse", recht und
unrecht, Wahrheit und Lüge ist?
Sooft der Mensch aß von diesem Baume, fand er immer den Tod
anstatt das Leben. Seine Erkenntnis in der Beurteilung der Werte
des Lebens wurde so verfinstert, daß er in seiner Sprache vielfach
die Finsternis Licht hieß, die Lüge Wahrheit nannte, im Untergang
das Leben suchte und vom Tode die Zukunft erhoffte.
Gottes Stimme fand jedoch nicht nur die Schuldigen, sondern
auch ihre Schuld. Sie enthüllte mit ihrer Wahrheit den Menschen
nicht nur als Sünder, sondern deckte auch die Wurzel auf, die ihn
zum Sünder werden ließ. Denn die Offenbarung ist immer total und
sucht stets ein ganzes Werk zu tun. Sie sucht den Sünder nicht, um
ihn nur um seiner Sünde willen anzuklagen, sondern um ihn von
ihr zu erlösen. In ihrem Gericht über die Sünde liegt daher immer
Gnade für den Sünder. Wie oft ließ Gott in seiner Barmherzigkeit
im Leben des einzelnen, der Volker und der Geschichte das rettungs=
los im Gericht zusammenbrechen, was sich dauernd als eine Ursache
des Untergangs und als ein Hindernis für das Heil der Menschheit
erwies! Und ob der Mensch tausendmal gehofft hatte, gerade darin
das Leben und die Zukunft zu finden, so nahm Gott es ihm dennoch
durch Gericht, weil er besser weiß, was dem Menschen zu seinem
wahren Heil und Frieden dient.
Gerade in diesem vielfach so hart scheinenden Vorgehen Gottes
im Leben des einzelnen und der Geschichte lag daher immer weit
mehr Gnade als Gericht für die Schuldigen. So war auch einst
Golgatha zwar das größte Gericht über die Sünde, aber zugleich
auch die größte Gnade für den Sünder.
Mit dem Fall des Menschen und seiner Schuld wurde auch die
ganze Versuchung bis zu ihrer Wurzel offenbar. Adams Antwort
auf Gottes schwere Gewissensfrage: „Hast du nicht etwa gegessen?"
lautete: „Die Männin, die du mir ja zur Seite gegeben, gab mir von
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dem Baume, und ich aß." Und als Gott sich dann an das Weib
wandte und an sie die nicht weniger schwere Frage richtete: „Was
hast du getan?", da antwortete sie: „Die Schlange hat mich betrogen,
und da aß ich." Verführte werden eines Tages unbedingt zu An=
klägern ihrer Verführer. Assoziationen auf Grund satanischer Inspi=
rationen endeten noch immer vor dem Angesichte Gottes und vor
dem Forum der Geschichte mit der Anklage der Verführten gegen
ihre Verführer: „Die Schlange betrog mich, und da aß ich." Wenn
Gottes Stimme sich erst auf den Boden des gefallenen Menschen
begibt, dann entgeht ihrem Licht keine Finsternis. Sie zerstört alle
Illusionen, sie enthüllt jede Unwahrhaftigkeit. Jede Versuchung und
jede Verführung müssen als das offenbar werden, was sie in ihrem
innersten Wesen sind.
Da sprach Gott zunächst zur Schlange: „Da du dies getan, trifft
dich der Fluch mehr als alles Vieh und alles Tier des Feldes. Auf
deinem Bauche sollst du kriechen und Staub fressen, solange du
lebst. Und Feindschaft setze ich zwischen dir und dem Weibe und
zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Dieser wird dich auf
das Haupt treten, und du wirst ihn auf die Ferse treffen." So lautete
Gottes Gerichtsurteil über die erste Verführerin, die sich für das
Evangelium der Versuchung hatte inspirieren lassen. Wir haben
schon vorher die Vermutung ausgesprochen, daß auch die Schlange
als Gottes Geschöpf und Vertreterin der animalischen Welt nicht
die letzte Quelle der satanischen Inspiration sei. Auch sie erwies
sich nur als Empfängerin und Trägerin eines verführerischen Evan=
geliums, das aus tieferem Quell seine Inspirationen empfangen
hatte. Sonst wäre das Tier der Satan der Menschheit. Das will jedoch
die Bibel nicht sagen. Was in der geschöpflichen Welt lag, in der
der Mensch der Herr der Schöpfung war, und wo alles zunächst
den Sabbatmorgen der geschöpflichen Vollendung atmete — das
konnte zwar alles Empfänger und Träger, aber nicht die Quelle
eines satanischen Evangeliums sein. Diese Quelle lag außerhalb
jener Schöpfung, die „sehr gut" war.
Aber die Schlange trifft da das Gericht, wo ihre Schuld lag. Wir
glauben annehmen zu dürfen, daß sie das intelligenteste unter den
Tieren war, und daß sie in ihrer Begabung sogar durch die Sprache
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mit den Menschen geistig verkehren konnte. Sie durfte einen
Geistesaustausch mit dem Herrn der Schöpfung pflegen, wie es sonst
keinem kreatürlichen Geschöpf möglich war. Ihr Gericht trifft sie
nun gerade da, wo sie am schwersten gesündigt hatte. Sie hatte
ihre höchste Begabung, die Fähigkeit zum geistigen Verkehr, zur
Versuchung für den Menschen mißbraucht. Hinfort wird sie auf
Grund des Gerichts das einsamste Tier vor allen anderen Geschöp=
fen. Mit dieser ihrer Einsamkeit trägt sie nun für alle Zeiten die
ewige Gotteswahrheit in die Welt, daß alle Gerichte sich, immer da
am schwersten auswirken, wo die Gaben des Geschöpfs am meisten
zum Fluch anderer mißbraucht worden sind. Ein empfangener Segen,
der andere verführt, wird zum Gericht seines Trägers.
Ferner war ihr Evangelium auf den Genuß von Verbotenem
gerichtet. „Hinfort sollst du Erde fressen dein Leben lang", lautet
jetzt ihr Urteil.
Am tiefsten trifft sie das Urteil der Feindschaft zwischen dem
Weibessamen und ihrem Samen. Mit ihrem Samen gilt sie hier
als Kollektivbegriff für alles Gottfeindliche, das sich im Lauf der
ferneren Geschichte offenbaren wird. Dieses Gottfeindliche wird
zwar den Weibessamen, die Menschheit in ihrem Gesamtbegriff, in
die Ferse stechen, aber dennoch wird es vom Weibessamen zertreten
werden. So wurde die Schlange hier zum Symbol des ewigen Wider*
sachers gegen Gottes Stellvertreter auf Erden, gegen den Menschen.
Aber in diesem ihrem Kampf wird nicht sie als Schlange mit dem
Bilde des Tieres, sondern der Weibessame als Mensch mit der Eben*
bildlichkeit Gottes siegen.
Die christliche Theologie hat daher in dieser Stelle immer das
Erst=Evangelium der Heilsoffenbarung gesehen. Nach diesem Evan=
gelium im Gerichtsurteil Gottes über die Schlange wird einst der
Kampf der Erlösung mit dem Samen der Versuchung nicht mit dem
Tier, sondern mit dem Menschen enden. Das ist wahrlich erstes
Morgenrot für jene dunkle Nacht der Geschichte, die der Mensch
durch seinen Fall einleitete, und in die er als erster Adam den
ganzen Weibessamen mit hineinzog. Denn seit dem ersten Fall des
Menschen lebt die Menschheit im Zustand des ersten Falles.
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Als die Nächstschuldige im Verlauf des Falles hatte sich das
Weib erwiesen. Ihr Gericht lautet: „Deine Entsagung und Empfang*
nis werde ich noch größer sein lassen; in Entsagung wirst du Kinder
gebären, zu deinem Manne hin wird deine Sehnsucht sein, und er
wird über dich herrschen." Dieses Urteil trifft das Weib in ihrem
höchsten Beruf: in ihrer Fähigkeit zur Mutterschaft, in ihrer höch=
sten Sehnsucht: in ihrem Verlangen, Weib zu sein, und in ihrer
höchsten Stellung: nämlich als Männin an der Seite ihres Mannes
zu stehen. Kürzer und wahrer können auch wir in unserer Zeit nicht
das Wesen des Weibes in seiner Stellung in der Ehe und auf dem
Boden der Menschheit schildern.
Für das Weib gibt es auf Grund ihrer ganzen Naturanlage keine
höhere Freude als das Kind. Sie kann es jedoch nur auf dem Wege
höchster Entsagung und Selbstaufopferung gewinnen. Jede Geburt,
die dem ersehnten Kinde das Leben schenkt, kann für die Mutter
den Tod bedeuten. Sie kennt daher kein Leben, das ein Teil ihres
Seins geworden, das nicht mit den Opfern ihrer Wehen erkauft
werden muß.
Dem entspricht auch ihre höchste Sehnsucht. Es bleibt im Weibe
etwas Ungestilltes, wenn es nicht Weib sein kann. Mag Beruf und
Stellung ihr im Leben auch alles einräumen, sie kann nicht anders
als lieben, wenn sie einem Manne begegnet, zu dem sie mit Ehr=
furcht aufschauen kann. Antwortet ihr der Mann mit seiner Liebe,
dann ist ihr kein Opfer zu groß, um Weib und Mutter an der Seite
des Mannes zu werden. Und doch, wie groß ist vielfach ihre Ent=
täuschung, wenn sie Weib geworden ist! Sie kann hinfort nur Weib
sein in der Abhängigkeit vom Manne. Sie muß ihre Stellung an der
Seite des Mannes erkaufen durch ihre dauernde Abhängigkeit vom
Manne. Jede Verschiebung dieser Gesetze im Gottesurteil führt zum
Entgegengesetzten von dem, was auch das Weib in der Ehe ersehnt.
Auf dem Boden des natürlichen Menschen kann daher allein
unter Beachtung dieser Gottesoffenbarung das Wesen einer wahren
Ehe aufrechterhalten werden. Sonst ist die Ehe nicht mehr Ehe,
sondern nur ein geschlechtliches Zusammenleben, wie auch das Tier
es kennt. Zur wahren Ehe ist allein der Mensch fähig. Ihr Schmelz
und ihre göttliche Weihe gehen aber verloren, sobald der Mensch
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Gottes Offenbarung zu seinem Heil wiederum ersetzen will durch
das Evangelium des Tieres.
Nach dem Weibe empfängt auch der Mann sein Urteil. Auch
dieses trifft den Menschen da, wo seine Verschuldung liegt. Man
nimmt an, daß Adam noch vor der Erschaffung des Weibes das
Verbot, von dem Baume der Erkenntnis zu essen, empfangen habe.
Sein Weib habe dieses Verbot nur aus dem Munde des Mannes
gekannt. Als nun die Versuchung mit ihrem Evangelium kam
und das Weib sich täuschen ließ durch seine Verheißung, hätte
Adam als Herr der Schöpfung und als Empfänger des Gottesverbots
dementsprechend auch seinem Weibe dienen sollen. Aber auch er
unterlag der Verführung der Natur und ihrer Frucht. Nachdem er
jedoch seine ursprüngliche Stellung verlassen hat, enthüllt ihm nun
das Gericht die Stellung, die er seinem inneren Wesen nach hinfort
einnimmt.
„Und zu Adam sprach er: Weil du der Stimme des Weibes
gehorcht und von dem Baume gegessen hast, von dem ich dir
geboten und gesagt hatte, du sollst nicht von ihm essen, trifft die
Adamah um deinetwillen Fluch; in Entsagung sollst du sie genie*
ßen, solange du lebst. Dornen und Disteln wird sie dir wachsen
lassen, und du mußt das Gras des Feldes essen. Im Schweiße deines
Angesichts wirst du Brot essen, bis du zu der Adamah zurückkehrst;
denn ihr bist du entnommen; denn Staub bist du, und zum Staube
kehrst du wieder."
So lautete das Gericht des Mannes. Sein Herrschaftsgebiet, die
Erde, wird dem Fluch unterworfen. Ihre höchsten Früchte wurden
zum Anlaß der Verführung für den Menschen. Nun verliert sie den
Menschen als ihren Herrscher und der Mensch sie als sein Herr=
schaftsgebiet. Erst zog sie durch ihre Frucht den Menschen von
seinem ursprünglichen Zustand auf ihren Naturboden, nun zieht der
Mensch sie mit in seinen gefallenen Zustand hinein. Ein Paradies
kann auch die Erde nur so lange bleiben und immer wieder neu
werden, wie der Mensch als Gottes Ebenbild Herr der Schöpfung und
nicht Knecht ihrer Versuchung ist. Als das Ebenbild Gottes im Men=
sehen erst verlorenging, verlor die Erde auch ihr Paradiesesangesicht
und ihren Schöpfungssabbat.
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Das ist ihr Fluch, den sie bisher trägt, und unter dem sie leidet.
Daher sehnt die ganze Schöpfung wieder die Offenbarung der Söhne
Gottes in ihrer Herrlichkeit herbei. Sie fühlt instinktiv, daß erst
durch „Söhne" auch sie wieder in jene ursprüngliche Stellung als
Herrschaftsgebiet des Menschen erhoben werden kann, wo auch für
sie wieder der verlorene Schöpfungssabbat beginnen wird.
Gegenwärtig trägt fort und fort ihr Acker Dornen und Disteln.
Und jede Kraft des Menschen muß eingesetzt werden, ihr die Frucht
abzugewinnen, die ihn nährt. Anstatt sein ganzes Sein der Hen>
schaft über die Erde zu widmen, ist er ein Sklave seines Erwerbs«
lebens geworden. Im Schweiße seines Angesichts ißt er sein Brot.
Und ißt er es niait im Schweiße des eigenen Angesidits, dann ißt
er es auf Grund des Schweißes seines Nächsten.
Aber in diesem Versagen der Erde, dauernd ein ursprüngliches
Paradies zu sein, liegt wiederum der verhüllte Segen für den Men=
sehen in seinem gegenwärtigen Zustand. Die Enttäuschung, die sie
ihm bereitet, löst ihn in seinen Erwartungen von ihr und zwingt
ihn, in seiner inneren Sehnsucht nach der verlorenen Sohnesstellung
zu suchen. Wäre die Erde ein Paradies und ein Schöpfungssabbat
geblieben, sie hätte mit ihrer Fülle von Leben und Frucht den ge=
fallenen Zustand des Menschen ewig erhöht und nicht gehemmt.
Auch beim Manne war daher die Grundlage seines Gerichts die Liebe
Gottes, die selbst die Natur dem Fluch unterwarf, damit der Mensch
den Weg zu seiner Erlösung suche.
So zog der Mensch, als er sich von der Offenbarung Gottes im
Paradiese löste und dem Evangelium der Schlange folgte, alles mit
in seinen Fall und in sein Sterben hinein: selbst sein Herrschaftsgebiet, die Erde, und seinen eigensten Organismus, den Leib. Hin=
fort konnte keine Macht der Schöpfung ihm das mehr zurückgeben,
was er auf Grund der Stimme ihrer Geschöpfe und ihrer Gaben
verloren hatte. Es gab nur einen Weg, das verlorene Übernatürliche
und Göttliche wiederzufinden: eine neue Schöpfertat Gottes auf dem
Boden des menschlichen Falles. Und während der Mensch zunächst
im Geiste seines gefallenen Zustandes eine eigene Geschichte schrieb,
begann Gott im Geiste der Erlösung seine neue Offenbarungstätig=
keit zum Heil der Menschheit...https://www.sermon-online.com/de/contents/19345

Kommentare

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Sulzbacher 16.12.2022 15:46
Das verlorene Paradies
und der Beginn der Erlösungsgeschichte
1. Mose 3,20—24
Gottes Offenbarung ist immer positiv, auch dort, wo sie verbietet.
Denn sie will immer geben, was der Art ihrer Quelle entspricht:
Liait von Gottes Licht, Kraft von Gottes Kraft und Leben von Gottes
Leben. Wir haben gesehen, welche Folgen es für den Menschen und
seinen Zustand hatte, daß er sich der Offenbarung in ihrem Verbot
entzog und sein Ohr dem Evangelium des Geschöpfes öffnete. Nicht
nur verlor er selbst sein inneres Sohnesbild und seinen Sabbat=
frieden, er zog auch die ganze Erde als sein Herrschaftsgebiet mit
in seinen Fall hinein. Sein Verlust wurde ihr Fluch, ihr Fluch sein
Segen. Ihre Entwicklung war hinfort die eines verlorenen Paradieses.
Während all ihre latenten Auferstehungskräfte darauf warteten,
durch die Herrschaft des Menschen für den Ausbau und die Voll=
endung eines paradiesischen Gesamtzustandes ausgelöst zu werden,
müssen sie hinfort in ihrer Gebundenheit vielfach untätig ruhen,
bis wieder jener Mensch erscheint, der sie zu wecken und zum Heil
der Welt zu beherrschen vermag.
Mit dem gefallenen Menschen und seiner Geschichte begann
daher der Weltzustand eines verlorenen Paradieses. Alles auf Erden
will werden, was es zunächst nicht werden kann, weil der Mensch,
sein Paradies verloren hat und er es dem Leben und der Entwicklung
nicht wiederzugeben vermag. Denn das Paradies war Gottes Pflan=
zung als Typus für des Menschen Weltherrschaft. Es war nicht eine
selbständige Schöpfung der Natur. Daher schafft sie auch bis heute
kein Paradies, es sei denn, daß der Mensch ein Paradies in sie hin=
einträgt.
Als der Mensch nach dieser inneren Wandlung seines Zustandes
und all den erschütternden Erlebnissen, die sich an seinen Fall knüpf=
ten, wieder sein Weib ansah, da nannte er es hinfort „Chawa".
„Denn sie ist die Mutter alles Lebendigen geworden." Der Name
war das erste Ergebnis seines innerlichen Erlebens während der
gnädigen Gerichtsoffenbarung, die ihm und seinem Weibe von
Gott wurde. Von zwei sehr wesentlichen Dingen hatte Gott in ihr
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geredet: vom Kind und vom Sterben. Im Kinde liegt Leben und
Zukunft. Im Sterben naht allem Leben der Schatten des Nicht=mehr=
so=Seins und der nie wiederkehrenden Vergangenheit. Nun wurde
trotz des Falles dem Weibe dennoch gesagt, daß sie gebären würde.
Darin lag die Verheißung des Kindes und der Zukunft der Welt.
Hinfort stirbt wohl der einzelne, jedoch die Menschheit lebt. Dem
Manne wird gesagt, daß er vom Staube genommen sei und zum
Staube wiederkehre. Und doch sollte auch er im Kinde auf Erden
weiterleben, das ihm vom Weibe würde geboren werden.
Der Name „Chawa", die Lebenspendende, war daher die Zusam=
menfassung seiner ersten Freude und Hoffnung, die der Mensch auf
dem Boden seines Falles aus der Offenbarung Gottes geschöpft hatte.
Denn Gott hatte nach dem Fall nicht das Leben des Menschen
an sich verworfen, sondern nur seinen inneren Zustand. Weder Tod
noch sonstige Verluste, die mit dem Fall verbunden waren, sollten
das Leben überhaupt vernichten. Sie sollten nur jene Zustände zerstören, die hinfort aus einem reinen Naturleben ohne den Geist der
Sohnschaft flössen. Dieses Naturleben sollte in Zukunft die große
neue Aktionsbasis der Erlösungsoffenbarung Gottes werden. Auf
Grund der neu schaffenden Heilstätigkeit Gottes sollte dann der
neue Menschensohn und sein ihm entsprechendes Paradies der Zu=
kunft hervorgehen.
Daher ist auch das rein natürliche Leben des Menschen immer
noch so wertvoll in Gottes Augen. Das größte Gericht verhängte
Gott später über den Menschen, der dieses Leben zerstörte. Wieviel
Unheil in der Menschheitsgeschichte wäre vielfach abgewendet wor=
den, wenn man jedes Leben des Nächsten vom Standpunkt Gottes
aus eingeschätzt hätte! Denn wer das Leben des Nächsten zerstört,
vergreift sich an Gottes Bild im Nächsten. Daher wurde nie dauernd
von der Geschichte das gerechtfertigt, was über die Leiche des Näch=
sten hinweg gewonnen wurde. Wo es der Mensch dennoch tat, ver=
lor er auch den Rest seines Menschenbildes und sank hinab zum
Tier. Daher offenbart sich auch überall in Völkern und Geschichte
so viel vom Charakter des Tieres, sobald der Mensch das Bild Gottes
im Nächsten verlor.
Gottes Barmherzigkeit griff aber noch weiter ein in das Leben
191
des gefallenen Menschen. Sie „machte Adam und seinem Weibe
Röcke von Teilen". Mit der Unschuld vor Gott hatte der Mensch
auch seine Unschuld vor dem Nächsten verloren. Denn jede Sünde
ist häßlich, sobald sie geboren ist. Und der Mensch schämt sich ihrer,
solange sein Gewissen nicht erstorben ist. Der Mensch und sein
Weib hatten zwar selbst gesucht, ihre Nacktheit zu decken, aber
ihre Scham blieb, und zwar trotz ihrer Feigenblätter. Da schuf Gott
selbst dem Menschen eine Deckung durch Felle. Er ließ die Kreatur
die Wehen des Todes erdulden, um dem Leben des Menschen in
seinem Fall zu dienen.
Man hat in dieser Gotteshandlung die Entstehung der späteren
Opfer gesehen. Wir dürfen jedoch gerade hier nicht übersehen, daß
durch diese Gotteshandlung nicht die Unschuld des Sohnesbildes im
Menschen wiederhergestellt wurde. Es wird nur der eingetretene und
herrschende Zustand unter Gottes Geduld gestellt. Opfer an sich er*
lösen den Menschen nicht. Erlösen kann allein Gottes schöpferisches
Geisteswirken. Daher liegt auch heute das Leben der Gemeinde nicht
im Kreuz Christi, sondern im Leben und in der Auferstehungskraft
Christi. Am Gekreuzigten wirkten sich der Tod und das Gericht aus,
am Auferstandenen jedoch die Rechtfertigung und das Leben.
„Und Elohim Jahve sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie
unsereiner in dem, daß er gut und böse unterscheidet! Und nun
könnte er sich vergreifen und auch von dem Baume des Lebens
nehmen und essen und ewig leben." So negativ äußerlich auch diese
Handlung Gottes für den Menschen zu sein schien, so war sie den=
noch positiv in ihrem Wesen und Ziel. Ohne zu sagen, welch eine
Bewandtnis es mit diesem Baum des Lebens hatte, so geht doch
aus der Handlung Gottes hervor, daß er durch seine Frucht das Leben
verewigte. Indem jedoch Gott dem Menschen in seinem gefallenen
Zustand den Baum nahm, bezeugte er, daß dieser Zustand nicht ver*
ewigt werden soll. Der Baum des Lebens sollte mit seiner Frucht
nur ein Leben erquicken und vollenden, das im Sohnesbilde wirkte
und den Geist des Schöpfungssabbats atmete. Er durfte jedoch mit
seiner Frucht nicht etwas verewigen, was innerlich keinen Anteil
mehr am Paradieseszustand hatte.
Sagt Gott doch selbst, daß sich Adam „wie unsereiner" benom»
192
men habe, um unabhängig „von uns" zu wissen, was „gut" und
„böse" ist. Adam hatte sich ja entschieden, ohne Gott und dessen
Offenbarung festzustellen, was für ihn in seinem Leben gut und
böse sein wird. Das ist aber im Prinzip das Leben ohne Gott. In
Adam kam dieser Zustand zwar nodi nicht zur Vollendung. Aber
bereits in Kain sehen wir die entsetzliche Frucht solch eines Zu=
standes, der sich in Lamech zum Tyrannen erhob, in Nimrod die
Völker unterjochte und sich in dem ersten Babel einen ewigen Ruhm
zu verschaffen suchte. Bereits die allernächsten Entwicklungen der
Menschheitsgeschichte zeigen also, wohin die Zukunft führen müsse,
wenn es dem Menschen durch den Genuß einer Frucht der Natur
möglich wäre, seinen Zustand und sein leibliches Leben zu ver=
ewigen. Daher nahm die Barmherzigkeit durch Gericht dem Men*
sehen, was ohne Gericht ihn ewig der Barmherzigkeit Gottes ent=
zogen hätte.
Allein diese Barmherzigkeit griff noch weiter in Adams Leben
ein. Sie nahm ihm auch Eden, die Zentralbasis seiner Herrschaft
über die Erde. „Darum entsandte ihn Elohim Jahve aus dem Garten
Eden, die Adamah zu bearbeiten, welcher er entnommen war." Den
Menschen, der sich in seiner Entscheidung über sein Gut und Böse
auf sich selbst eingestellt hat, kann auch Gott durch seine Offen=
barung nicht mehr schützen. Adam hatte im Paradiese bewiesen,
daß er sich durch das Wort seines Schöpfers nicht bewahren ließ.
So hätte auch jetzt Gottes Verbot, vom Baum des Lebens hinfort
zu essen, nicht genügt. Daher sandte Gott den Menschen aus seinem
Eden. Denn in seinem gefallenen Zustande vermag er niemals im
Paradiese das Paradies zu finden.
Gingen doch die Menschen in der Geschichte gerade dann am
schnellsten zugrunde, wenn sie sich in ihrem Leben ohne Gott
äußerlich mit Macht und Glanz, mit uneingeschränkter Sinnenlust
und gesichertem Wohlleben umgeben konnten. Und wie erwies es
sich später als eine Gnade der göttlichen Weltregierung, wenn Gott
solch einem Volke das nahm, was es sittlich und völkisch auflöste!
Es wirken sich daher auf dem Boden der Völkerwelt dieselben Prin*
zipien der Barmherzigkeit aus, die bereits hier im Garten Eden sieht*
bar wurden.
193
Im gefallenen Zustande fand daher der Mensch in der Regel
sein wahres Heil weit mehr im Leid als in der Lust, im Entsagen
als im Genießen, im Dienst als in der Herrschaft, im sittlichen
Kampf als in der Pflege des Sinnenlebens, im Opfer als in der
Huldigung. „Zum Heile ward mir bitteres Leid", bekennt Jahr*
tausende später der fromme Hiskia nach seiner Genesung von einer
schweren Krankheit1
. Und Jesus, als der wahre Menschensohn und
Kenner des ewigen Lebens, bezeugt: „Wer sein Leben erhalten will,
der wird's verlieren2
/' Hat doch das Gottesreich im Lauf der Ge=
schichte bewiesen, welche Überwinder, Propheten, Apostel und
Träger der Barmherzigkeit gerade auf dem Boden der schwersten
Kämpfe und der mannigfaltigsten Leiden zum Wohl der Mensch*
heit heranreifen können. Nicht nur, daß sie selbst in ihrem Leben
und Dienen ein Garten Gottes wurden, sondern sie gestalteten auch
das Leben anderer zu einer Oase in der Wüste ihrer Zeitverhältnisse.
„Denn der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wach"
sen wie eine Zeder am Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des
Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen; noch im
Alter tragen sie Frucht, sind saftig und frisch, zu verkünden, daß
Jahve treu ist, mein Fels, und daß nichts Verkehrtes an ihm sei3
."
Jedoch die Liebe Gottes griff noch tiefer ein. Sie nahm dem Men=
sehen nicht nur das Paradies, indem sie ihn daraus vertrieb, sondern
„lagerte ostwärts zum Garten Eden die Cherubim und die Flamme
des umwälzenden Schwertes, den Weg zum Baume des Lebens zu
bewahren". Das flammende Schwert als Symbol des menschlichen
Leides und die Cherubim als Symbol der Gottesgegenwart stehen
vor der Pforte eines verlorenen Paradieses und lassen den Men=
sehen in seinem gefallenen Zustand nimmer den Weg zum Baum des
Lebens zurückfinden. Vergeblich rang daher bis heute die Mensch»
heit um das Geheimnis, sich und ihre Zustände zu verewigen. Der
Mensch starb immer wieder auch seinem Paradiese. Sooft er auch
hoffte, es sich schaffen zu können mit den Mitteln seiner Macht und
dem Reichtum seines Wissens, er hat es nimmermehr gefunden.
1
Jes. 38,17a.
2
Joh. 12,25.
3
Ps. 92,13—16.
194
Und doch ward jede Offenbarung Gottes eine verborgene Ver=
heißung, daß der Mensch durai Erlösung wiederfinden solle, was er
ohne Erlösung vergeblich sucht. Obgleich diese Gegenwart Gottes
in den Cherubim vor der Pforte des Paradieses lagerte und dem Men*
sehen den Zutritt zum Baum des Lebens verwehrte, so lagert sie
doch auch vor der Herzenspforte und über dem Sündenelend des
Menschen und wartet auf den Augenblick, wo ihre Lebensoffen»
barung dem Menschen wieder köstlicher wird als das Todesevan=
gelium des Tieres. Kann sie erst wieder zelten im Menschen, dann
erschließt sie ihm auch die Paradiesespforte und öffnet ihm den
Weg zum Lebensbaume. Wie mancher trägt den Glanz der Ewig*
keit bereits in seinem sterblichen Leben, weil die Gottesgegenwart
mit der Offenbarung ihrer Herrlichkeit wieder wohnen kann in
seiner Seele!
So haben die großen Prinzipien der ersten drei Kapitel der
Genesis die Menschheitsgeschichte eingeleitet. Viel sind sie beachtet
und fast noch mehr bespöttelt worden. Man hat ihre Quellen bald
in den Mythen dieses, bald jenes Volkes gesucht. Was sind das
jedoch für Mythen gewesen, die im voraus die Mensdiheitsgesdiidite
so in ihren Grundprinzipien zeichnen konnten! Nein, hier schweigt
der Mensch in seiner Mythologie, hier redet Gott in seiner Theophaniel Mag manches uns auch dunkel bleiben, manches unerklärlich
erscheinen, manches uns zu sehr durch die Vergangenheit entrückt
sein, aber wir sehen Gott Welt= und Heilsgeschichte machen nach
den großen Offenbarungsgrundlagen der ersten Kapitel der Bibel.
Und wenn dem Schöpfer die erste Schöpfung so gelang, daß er
sie durch Offenbarung endlich für seinen Schöpfungssabbat vollenden
konnte, sollte der Vater der Barmherzigkeit, der „die Welt also
geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die
an ihn glauben, nidit verlorengehen", nicht auch seine zweite Schöp*
fung so vollenden können, daß sie erlöst einst den großen Erlösungs»
sabbat der Vollendung beginnen kann? Mag die Welt audi tausend"
mal zusammenbrechen in ihrer eigenen Selbsterlösung, wir glauben
an ein verheißenes und kommendes Reich der Vollendung des Men*
sdiensohnes, wo das Tierbild für immer geriditet sein und das
Sohnesbild für immer triumphieren wird. Dann wird von der
195
Mensdiheit Gott und dem Lamme ein neuer Psalm gesungen werden:
„Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr Gott, Herrscher des
Alls; gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, König der Nationen!
Wer sollte dich nicht fürchten und deinen Namen verherrlichen, weil
du allein heilig bist? Denn alle Völker werden kommen und vor dir
anbeten, weil deine Rechtsurteile offenbar geworden sind!1
"
Das wird der Sabbatzustand der Neuschöpfung Gottes sein. Auf
ihn hin ist alles angelegt, was die Gottesoffenbarung in Jesus
Christus dem Menschen an Erleuchtung, Rechtfertigung, Heiligung
und Erlösung zu geben vermag. Aber auch in ihrem gefallenen
Zustand steht die Menschheit immer wieder vor der uralten Ent=
Scheidung, ob das Evangelium des Tieres mit seiner lügnerischen
Verheißung und seinem sicheren Tod oder ob die Offenbarung
Gottes mit ihrer ewigen Erlösung die schöpferische Kraft, der blei*
bende Inhalt und die ersehnte Zukunft ihres Lebens sein soll
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