Wer gerne liest
14.10.2022 23:31
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Liebe Besucher bei edition credo,
als in Paris die Kathedrale Notre-Dame in Flammen stand, weinten die Menschen nicht, weil sie nun auf eine Sehenswürdigkeit verzichten müssten, sie weinten um die Kultur, die die Kathedrale hervorgebracht hat.
https://www.edition-credo.de/
Ein katholischer Kanon führt zurück zu den Wurzeln
Die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat offenbar keine Lust darauf, Antworten aus der Botschaft des Evangeliums zu geben - kath.net-Interview mit Peter Seewald zum Erscheinen der neuen katholischen BuchEdition Credo - Von Roland Noé
München (kath.net)
kath.net: „Weltliteratur für alle“ ist Dein jüngstes Projekt. Damit soll eine „Bibliothek katholischer Klassik“ entstehen. Worum geht es?
Peter Seewald: Es ist ein gewagtes Unternehmen. Und ein provozierendes, was mir gut gefällt. Welcher Verlag wagt heutzutage schon die Herausgabe einer Sammlung mit dem Titel „Bibliothek katholischer Klassik“? Klingt in unseren Tagen nicht gerade wie ein Verkaufsschlager. Wir machen das mit einem modernen Design, großartiger Ausstattung – Hardcover, Lesebändchen, Qualitätsdruck – und zu einem attraktiven Preis. Es geht um die Wiederentdeckung der großen, teils ganz vergessenen Schätze katholischer Weltliteratur. Eine nahezu zwingende Aufgabe.
kath.net: Es gibt drei Linien in der Edition Credo.
Peter Seewald: Ja. Da ist credo klassik mit Legenden wie Blaise Pascal, Teresa von Ávila, Thomas von Kempen, aber auch neueren Autoren wie Ronald Knox, Pierre Teilhard de Chardin oder Thomas Merton. credo biografie wiederum bringt die spannenden Lebensgeschichten von Heiligen wie Mary Ward, Jeanne d‘Arc oder Thomas von Aquin. In credo erzählung wollen wir Romane und Novellen beispielsweise von Graham Greene, Gertrud von Le Fort, T. S. Eliot oder auch Nicholas Wiseman anbieten.
kath.net: Was soll mit der neuen Sammler-Reihe entstehen – und was ist der Hintergrund?
Peter Seewald: Wir erleben in Europa einen Niedergang des Christentums von noch vor kurzem nicht für möglich gehaltenen Ausmaßen. Ein neues Heidentum ist im Begriff, den gesamten gesellschaftlichen Raum zu erobern. Gleichzeitig steht unsere Welt vor gewaltigen Herausforderungen, vielleicht sogar vor einem zivilisatorischen Zusammenbruch. Aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat offenbar keine Lust darauf, hier Antworten aus der Botschaft des Evangeliums zu geben. Und das katholische Establishment beschäftigt sich, während das Haus Gottes in Flammen steht, mit den ewig gleichen Strukturfragen, die am Auftrag der Christen völlig vorbeigehen. Man fragt nur noch danach, wie wir die Kirche wollen, und nicht mehr, wie sie ihr Gründer, Jesus Christus, will. Obendrein: Wer kümmert sich eigentlich um die spirituell Suchenden und jene Gläubigen, die nicht vornehmlich in Sitzungen zu finden sind, sondern tatsächlich noch Gottesdienste feiern, aber keine Stimme haben …
kath.net: Was hat das mit der Buchreihe zu tun?
Peter Seewald: Sehr viel. Um Zukunft gestalten zu können, braucht es stets auch Veränderungen. Aber gleichfalls gilt das Wort von Papst Johannes XXIII., der vom Zweiten Vatikanum forderte, die Suche nach dem Zeitgemäßen dürfe niemals zu einer Preisgabe des Wahren und Gültigen und zur billigen Anpassung an das gerade Aktuelle führen.
Die katholische Kirche wird heute in Deutschland und anderen Ländern fast nur noch negativ diskutiert – verständlicherweise nicht zuletzt aufgrund des unfassbaren Missbrauchsskandals. Andererseits weiß kaum noch jemand, was dieser Glaube eigentlich bedeutet. Hier kann der Rückgriff auf das geistig-kulturelle Erbe des Katholizismus‘ die Dinge zurechtrücken. Ein katholischer Kanon führt zurück zu den Wurzeln, zu den Quellen – und damit auch zu den Fragen über das eigene Ich, den Sinn des Lebens, die Ewigkeit. Wir brauchen Antworten, die Substanz haben, die unseren Horizont wieder öffnen, der so häufig vernebelt wird.
kath.net: Im Oktober erscheinen die ersten drei Werke, im November die nächsten drei. Wie lange wird es dauern, bis die Sammler-Edition mit den 100 geplanten Büchern vollständig ist?
Peter Seewald: Diese 6 Bände sind eine Testphase. Danach werden wir sehen, wie und ob es weitergeht. Wenn es gut läuft, soll Monat für Monat ein neuer Titel erscheinen. Auch im Abonnement. Ziel ist eine Sammlung mit zunächst 50 Ausgaben. Am Ende haben wir einen katholischen Kanon mit den besten Werken der Weltliteratur, verfasst von den bedeutendsten Schriftstellern ihrer Zeit. Unter den ersten Titeln haben wir beispielsweise mit Augustinus nicht nur einen Kirchenlehrer, sondern, wie Papst Benedikt XVI. sagt, eine der größten Gestalten in der Geschichte des Denkens überhaupt. Julien Green und Robert Hugh Benson wiederum gehören zu den meistdiskutierten Autoren des 20. Jahrhunderts. Und welcher Verlag kann zum Start schon zwei Nobelpreisträger aufbieten, François Mauriac und Sigrid Undset. Das Spannende ist, alle diese Klassiker haben einen aktuellen Bezug. Sie antworten gewissermaßen auch auf die Glaubensnot unserer Zeit.
kath.net: Bücher haben es im Zeitalter von YouTube, TikTok und anderen Videoplattformen schwer. Wie wichtig wird das Buch aber auch für die jetzige und nächste Generation bleiben? Haben Menschen, die viel lesen, einen Vorteil?
Peter Seewald: Ich bin ein altmodischer Büchermensch. Ich muss Bücher auch sehen, anfassen, riechen können. Literatur ist Seelennahrung und fördert das Denken. Sprache-Denken-Wirklichkeit, das ist eine Linie. Wer nicht liest, muss jedoch nicht unbedingt dumm sein. Meine Mutter hat in ihrem Leben vielleicht nur fünf Bücher gelesen. Aber sie war dank ihres gesunden Menschenverstandes eine kluge Frau. Es waren nicht zuletzt die Klöster mit ihren Schreibstuben und Bibliotheken, die den Wert von Literatur unterstrichen. Wie auch sollte man das Wort Gottes vernehmen, wenn es keine Bibel, keine geistige Lektüre gäbe.
Das Buch wird bleiben, auch wenn die TikTok-Generation hier noch Berührungsängste hat. Lesen heißt ja auch, in spannende Geschichten einzutauchen, Ausgleich zu finden. Zum Beispiel mit den wunderbaren Maigret-Krimis von Georges Simenon.
kath.net: Nach welchen Kriterien werden die Werke in die Reihe aufgenommen?
Peter Seewald: Der Fundus ist gewaltig. Wir konzentrieren uns deshalb auf eine Auswahl der bedeutendsten Autoren aller Jahrhunderte – und der lesbaren. Die Bibliothek katholischer Klassik ist eine Volks-Bibliothek. Was man hier nicht finden wird, sind fachspezifische, eher schwer „verdauliche“ theologische Wälzer. Wir beginnen mit Augustinus‘ „Bekenntnissen“, gehen über Teresa von Ávila, Blaise Pascal, Meister Eckhart und vielen anderen dann hin zu modernen Autoren wie T. S. Eliot, Graham Greene, Henri de Lubac, Ida Friederike Görres oder auch Madeleine Delbrêl.
Die Auswahl ist tatsächlich nicht einfach. Wir könnten hier jetzt unendlich viele Namen nennen. Thomas Morus, Hildegard von Bingen, Ignatius von Loyola, Georges Bernanos, G. K. Chesterton, John Henry Newman, Edith Stein, Hans Urs von Balthasar, Pierre Teilhard de Chardin, Evelyn Waugh und, und, und. Nicht zu vergessen Theodor Haecker, ein Impulsgeber der „Weißen Rose“, der als der sprachgewaltigste katholische Denker Deutschlands galt. Für alle gilt: Wir brauchen das Wort der Klassiker; gerade in einer Gesellschaft, die sich so rast- und am Ende auch ratlos zeigt wie die heutige.
kath.net: Von den vielen Werken, die geplant sind, welche 3 Werke waren schon immer die Lieblingsbücher von Dir?
Peter Seewald: Den heiligen Benedikt von Nursia und seine unübertreffliche Regel habe ich früh schätzen gelernt. Das ist eine Lebenshilfe, die auf Felsen gebaut, verlässlich ist und nie alt wird. In der Schule Benedikts geht es nicht um Experimente, sondern um das Erprobte und Bewährte, man könnte auch sagen: das Heilige.
Julien Greens Biografie über Franz von Assisi wiederum hat mich schon wegen des Autors angezogen. Green ist ein Mann, der radikal dachte und radikal glaubte. Er entrüstete sich dann auch, der Katholizismus sei zu „einer Akademie-, Salon- und Geschäfts-Religion“ verkommen. Er passe sich ganz den Gewohnheiten, den Irrtümern und der Ahnungslosigkeit seiner Umgebung an. Greens „Bruder Franz“ ist das Gegenmodell zu einem reinen Modechristentum. Seinen Auftrag, den Franziskus in einer Vision erhielt – „Geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät“ – ist brennend aktuell geworden. Dieser einfache, völlig unpolitische, aber mit Begeisterung das Evangelium lebenden Mönch war genau die Kraft, um der Kirche das zu geben, was alle organisatorische Tüchtigkeit nicht vermochte.
Unübertrefflich ist für mich Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Ein Werk von biblischer Kraft. Hemingway war nicht unbedingt ein Vorzeige-Katholik. Aber darum geht es auch nicht. Immerhin konvertierte er; wenn auch vor allem deshalb, um eine Katholikin heiraten zu können, die ihn sonst nicht genommen hätte.
kath.net: Was macht Dich für die neue Buchreihe zuversichtlich?
Peter Seewald: Ich denke, die Sehnsucht nach Orientierung, nach Lebenssinn, nach echten Werten wird von Tag zu Tag größer. Unsere Zeit verlangt nach substanziellen, erwachsenen Antworten. Mit den Klassikern haben wir die Chance, die Botschaft des katholischen Glaubens ganz unverformt und unverfälscht kennenzulernen. Vor allem können wir hier große Literatur erleben, mit der Denker und Dichter von Weltrang das Drama der menschlichen Existenz beleuchten. Mit ihrem ganzheitlichen Blick auf Gott und die Welt wirken sie dabei überraschend aktuell.
www.edition-credo.de/
Die ersten 6 Bücher können auch in Kooperation mit unseren kath.net-Buchhandlungen bestellt werden:
Auslieferung Oktober 2022:
Augustinus - Bekenntnisse 16,80 Euro
Aurelius Augustinus, das „Genie des Herzens“, gilt als einer der bedeutendsten Lehrer der Kirche und größten Denker der Geschichte. Die Aufzeichnungen über seine Selbstfindung, eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur, wurden zur Urform der Autobiografie. Sie zeigen den Menschen in seinem Widerspruch zwischen Gottesferne und Gottesnähe, seinen Abgründen und seinem Sehnen nach Glück und Erfüllung. Nie wurde die Dramatik der menschlichen Existenz klarer und ergreifender dargestellt.
Green - Franz von Assisi 16,80 Euro
Unter allen Heiligengestalten ragt eine ganz besonders hervor: Franziskus von Assisi. Seine in schlichter Sprache verkündete Botschaft des Evangeliums, seine Liebe zu allen Geschöpfen, und nicht zuletzt seine Bedürfnislosigkeit, die er im Vertrauen auf die Fürsorge Gottes lebte, machten ihn zu einem Erneuerer von Kirche und Glauben. Nie hat er an Faszination verloren.
Julien Green, einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, ist den Spuren des Heiligen nachgegangen und hat die Quellen systematisch erforscht. „Bruder Franz“ gilt als das Buch seines Lebens.
Benson - Der Herr der Welt 16,80 Euro
Gott ist tot. An die Stelle des „reaktionären“ Christentums treten die Heilsversprechen einer neuen Humanitätsreligion. Massenhaft folgen auch Mitglieder der katholischen Kirche dem neuen Fortschrittsglauben und seinem Anführer. Das verbliebene Häuflein von Getreuen, die sich um den letzten Papst sammeln, steht vor dem Ende. Bis Katastrophen von biblischen Ausmaßen ein finales Ereignis ankündigen. „Der Herr der Welt“ steht am Beginn der dystopischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ führt Robert Hugh Bensons Vision einer selbstherrlichen Menschheit jedoch konsequent zu einem Endpunkt. Ein Religionsthriller, der 100 Jahre nach der Erstveröffentlichung seine ganze visionäre Kraft entfaltet.
als in Paris die Kathedrale Notre-Dame in Flammen stand, weinten die Menschen nicht, weil sie nun auf eine Sehenswürdigkeit verzichten müssten, sie weinten um die Kultur, die die Kathedrale hervorgebracht hat.
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Ein katholischer Kanon führt zurück zu den Wurzeln
Die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat offenbar keine Lust darauf, Antworten aus der Botschaft des Evangeliums zu geben - kath.net-Interview mit Peter Seewald zum Erscheinen der neuen katholischen BuchEdition Credo - Von Roland Noé
München (kath.net)
kath.net: „Weltliteratur für alle“ ist Dein jüngstes Projekt. Damit soll eine „Bibliothek katholischer Klassik“ entstehen. Worum geht es?
Peter Seewald: Es ist ein gewagtes Unternehmen. Und ein provozierendes, was mir gut gefällt. Welcher Verlag wagt heutzutage schon die Herausgabe einer Sammlung mit dem Titel „Bibliothek katholischer Klassik“? Klingt in unseren Tagen nicht gerade wie ein Verkaufsschlager. Wir machen das mit einem modernen Design, großartiger Ausstattung – Hardcover, Lesebändchen, Qualitätsdruck – und zu einem attraktiven Preis. Es geht um die Wiederentdeckung der großen, teils ganz vergessenen Schätze katholischer Weltliteratur. Eine nahezu zwingende Aufgabe.
kath.net: Es gibt drei Linien in der Edition Credo.
Peter Seewald: Ja. Da ist credo klassik mit Legenden wie Blaise Pascal, Teresa von Ávila, Thomas von Kempen, aber auch neueren Autoren wie Ronald Knox, Pierre Teilhard de Chardin oder Thomas Merton. credo biografie wiederum bringt die spannenden Lebensgeschichten von Heiligen wie Mary Ward, Jeanne d‘Arc oder Thomas von Aquin. In credo erzählung wollen wir Romane und Novellen beispielsweise von Graham Greene, Gertrud von Le Fort, T. S. Eliot oder auch Nicholas Wiseman anbieten.
kath.net: Was soll mit der neuen Sammler-Reihe entstehen – und was ist der Hintergrund?
Peter Seewald: Wir erleben in Europa einen Niedergang des Christentums von noch vor kurzem nicht für möglich gehaltenen Ausmaßen. Ein neues Heidentum ist im Begriff, den gesamten gesellschaftlichen Raum zu erobern. Gleichzeitig steht unsere Welt vor gewaltigen Herausforderungen, vielleicht sogar vor einem zivilisatorischen Zusammenbruch. Aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat offenbar keine Lust darauf, hier Antworten aus der Botschaft des Evangeliums zu geben. Und das katholische Establishment beschäftigt sich, während das Haus Gottes in Flammen steht, mit den ewig gleichen Strukturfragen, die am Auftrag der Christen völlig vorbeigehen. Man fragt nur noch danach, wie wir die Kirche wollen, und nicht mehr, wie sie ihr Gründer, Jesus Christus, will. Obendrein: Wer kümmert sich eigentlich um die spirituell Suchenden und jene Gläubigen, die nicht vornehmlich in Sitzungen zu finden sind, sondern tatsächlich noch Gottesdienste feiern, aber keine Stimme haben …
kath.net: Was hat das mit der Buchreihe zu tun?
Peter Seewald: Sehr viel. Um Zukunft gestalten zu können, braucht es stets auch Veränderungen. Aber gleichfalls gilt das Wort von Papst Johannes XXIII., der vom Zweiten Vatikanum forderte, die Suche nach dem Zeitgemäßen dürfe niemals zu einer Preisgabe des Wahren und Gültigen und zur billigen Anpassung an das gerade Aktuelle führen.
Die katholische Kirche wird heute in Deutschland und anderen Ländern fast nur noch negativ diskutiert – verständlicherweise nicht zuletzt aufgrund des unfassbaren Missbrauchsskandals. Andererseits weiß kaum noch jemand, was dieser Glaube eigentlich bedeutet. Hier kann der Rückgriff auf das geistig-kulturelle Erbe des Katholizismus‘ die Dinge zurechtrücken. Ein katholischer Kanon führt zurück zu den Wurzeln, zu den Quellen – und damit auch zu den Fragen über das eigene Ich, den Sinn des Lebens, die Ewigkeit. Wir brauchen Antworten, die Substanz haben, die unseren Horizont wieder öffnen, der so häufig vernebelt wird.
kath.net: Im Oktober erscheinen die ersten drei Werke, im November die nächsten drei. Wie lange wird es dauern, bis die Sammler-Edition mit den 100 geplanten Büchern vollständig ist?
Peter Seewald: Diese 6 Bände sind eine Testphase. Danach werden wir sehen, wie und ob es weitergeht. Wenn es gut läuft, soll Monat für Monat ein neuer Titel erscheinen. Auch im Abonnement. Ziel ist eine Sammlung mit zunächst 50 Ausgaben. Am Ende haben wir einen katholischen Kanon mit den besten Werken der Weltliteratur, verfasst von den bedeutendsten Schriftstellern ihrer Zeit. Unter den ersten Titeln haben wir beispielsweise mit Augustinus nicht nur einen Kirchenlehrer, sondern, wie Papst Benedikt XVI. sagt, eine der größten Gestalten in der Geschichte des Denkens überhaupt. Julien Green und Robert Hugh Benson wiederum gehören zu den meistdiskutierten Autoren des 20. Jahrhunderts. Und welcher Verlag kann zum Start schon zwei Nobelpreisträger aufbieten, François Mauriac und Sigrid Undset. Das Spannende ist, alle diese Klassiker haben einen aktuellen Bezug. Sie antworten gewissermaßen auch auf die Glaubensnot unserer Zeit.
kath.net: Bücher haben es im Zeitalter von YouTube, TikTok und anderen Videoplattformen schwer. Wie wichtig wird das Buch aber auch für die jetzige und nächste Generation bleiben? Haben Menschen, die viel lesen, einen Vorteil?
Peter Seewald: Ich bin ein altmodischer Büchermensch. Ich muss Bücher auch sehen, anfassen, riechen können. Literatur ist Seelennahrung und fördert das Denken. Sprache-Denken-Wirklichkeit, das ist eine Linie. Wer nicht liest, muss jedoch nicht unbedingt dumm sein. Meine Mutter hat in ihrem Leben vielleicht nur fünf Bücher gelesen. Aber sie war dank ihres gesunden Menschenverstandes eine kluge Frau. Es waren nicht zuletzt die Klöster mit ihren Schreibstuben und Bibliotheken, die den Wert von Literatur unterstrichen. Wie auch sollte man das Wort Gottes vernehmen, wenn es keine Bibel, keine geistige Lektüre gäbe.
Das Buch wird bleiben, auch wenn die TikTok-Generation hier noch Berührungsängste hat. Lesen heißt ja auch, in spannende Geschichten einzutauchen, Ausgleich zu finden. Zum Beispiel mit den wunderbaren Maigret-Krimis von Georges Simenon.
kath.net: Nach welchen Kriterien werden die Werke in die Reihe aufgenommen?
Peter Seewald: Der Fundus ist gewaltig. Wir konzentrieren uns deshalb auf eine Auswahl der bedeutendsten Autoren aller Jahrhunderte – und der lesbaren. Die Bibliothek katholischer Klassik ist eine Volks-Bibliothek. Was man hier nicht finden wird, sind fachspezifische, eher schwer „verdauliche“ theologische Wälzer. Wir beginnen mit Augustinus‘ „Bekenntnissen“, gehen über Teresa von Ávila, Blaise Pascal, Meister Eckhart und vielen anderen dann hin zu modernen Autoren wie T. S. Eliot, Graham Greene, Henri de Lubac, Ida Friederike Görres oder auch Madeleine Delbrêl.
Die Auswahl ist tatsächlich nicht einfach. Wir könnten hier jetzt unendlich viele Namen nennen. Thomas Morus, Hildegard von Bingen, Ignatius von Loyola, Georges Bernanos, G. K. Chesterton, John Henry Newman, Edith Stein, Hans Urs von Balthasar, Pierre Teilhard de Chardin, Evelyn Waugh und, und, und. Nicht zu vergessen Theodor Haecker, ein Impulsgeber der „Weißen Rose“, der als der sprachgewaltigste katholische Denker Deutschlands galt. Für alle gilt: Wir brauchen das Wort der Klassiker; gerade in einer Gesellschaft, die sich so rast- und am Ende auch ratlos zeigt wie die heutige.
kath.net: Von den vielen Werken, die geplant sind, welche 3 Werke waren schon immer die Lieblingsbücher von Dir?
Peter Seewald: Den heiligen Benedikt von Nursia und seine unübertreffliche Regel habe ich früh schätzen gelernt. Das ist eine Lebenshilfe, die auf Felsen gebaut, verlässlich ist und nie alt wird. In der Schule Benedikts geht es nicht um Experimente, sondern um das Erprobte und Bewährte, man könnte auch sagen: das Heilige.
Julien Greens Biografie über Franz von Assisi wiederum hat mich schon wegen des Autors angezogen. Green ist ein Mann, der radikal dachte und radikal glaubte. Er entrüstete sich dann auch, der Katholizismus sei zu „einer Akademie-, Salon- und Geschäfts-Religion“ verkommen. Er passe sich ganz den Gewohnheiten, den Irrtümern und der Ahnungslosigkeit seiner Umgebung an. Greens „Bruder Franz“ ist das Gegenmodell zu einem reinen Modechristentum. Seinen Auftrag, den Franziskus in einer Vision erhielt – „Geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät“ – ist brennend aktuell geworden. Dieser einfache, völlig unpolitische, aber mit Begeisterung das Evangelium lebenden Mönch war genau die Kraft, um der Kirche das zu geben, was alle organisatorische Tüchtigkeit nicht vermochte.
Unübertrefflich ist für mich Hemingways „Der alte Mann und das Meer“. Ein Werk von biblischer Kraft. Hemingway war nicht unbedingt ein Vorzeige-Katholik. Aber darum geht es auch nicht. Immerhin konvertierte er; wenn auch vor allem deshalb, um eine Katholikin heiraten zu können, die ihn sonst nicht genommen hätte.
kath.net: Was macht Dich für die neue Buchreihe zuversichtlich?
Peter Seewald: Ich denke, die Sehnsucht nach Orientierung, nach Lebenssinn, nach echten Werten wird von Tag zu Tag größer. Unsere Zeit verlangt nach substanziellen, erwachsenen Antworten. Mit den Klassikern haben wir die Chance, die Botschaft des katholischen Glaubens ganz unverformt und unverfälscht kennenzulernen. Vor allem können wir hier große Literatur erleben, mit der Denker und Dichter von Weltrang das Drama der menschlichen Existenz beleuchten. Mit ihrem ganzheitlichen Blick auf Gott und die Welt wirken sie dabei überraschend aktuell.
www.edition-credo.de/
Die ersten 6 Bücher können auch in Kooperation mit unseren kath.net-Buchhandlungen bestellt werden:
Auslieferung Oktober 2022:
Augustinus - Bekenntnisse 16,80 Euro
Aurelius Augustinus, das „Genie des Herzens“, gilt als einer der bedeutendsten Lehrer der Kirche und größten Denker der Geschichte. Die Aufzeichnungen über seine Selbstfindung, eines der berühmtesten Werke der Weltliteratur, wurden zur Urform der Autobiografie. Sie zeigen den Menschen in seinem Widerspruch zwischen Gottesferne und Gottesnähe, seinen Abgründen und seinem Sehnen nach Glück und Erfüllung. Nie wurde die Dramatik der menschlichen Existenz klarer und ergreifender dargestellt.
Green - Franz von Assisi 16,80 Euro
Unter allen Heiligengestalten ragt eine ganz besonders hervor: Franziskus von Assisi. Seine in schlichter Sprache verkündete Botschaft des Evangeliums, seine Liebe zu allen Geschöpfen, und nicht zuletzt seine Bedürfnislosigkeit, die er im Vertrauen auf die Fürsorge Gottes lebte, machten ihn zu einem Erneuerer von Kirche und Glauben. Nie hat er an Faszination verloren.
Julien Green, einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, ist den Spuren des Heiligen nachgegangen und hat die Quellen systematisch erforscht. „Bruder Franz“ gilt als das Buch seines Lebens.
Benson - Der Herr der Welt 16,80 Euro
Gott ist tot. An die Stelle des „reaktionären“ Christentums treten die Heilsversprechen einer neuen Humanitätsreligion. Massenhaft folgen auch Mitglieder der katholischen Kirche dem neuen Fortschrittsglauben und seinem Anführer. Das verbliebene Häuflein von Getreuen, die sich um den letzten Papst sammeln, steht vor dem Ende. Bis Katastrophen von biblischen Ausmaßen ein finales Ereignis ankündigen. „Der Herr der Welt“ steht am Beginn der dystopischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Im Gegensatz zu George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ führt Robert Hugh Bensons Vision einer selbstherrlichen Menschheit jedoch konsequent zu einem Endpunkt. Ein Religionsthriller, der 100 Jahre nach der Erstveröffentlichung seine ganze visionäre Kraft entfaltet.
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hansfeuerstein 14.10.2022 23:37
https://youtu.be/sbHD189DAp0