Thea, Lia - und der Wettbewerb

Bluehorse

Die beiden Schwestern Lia (82) und Thea (92) sind im Leben und in der Liebe zuhause. Man sollte meinen, dass etwas in die Jahre gekommene Damen ein ruhiges und beschauliches Leben führen. Das trifft auch oft zu – aber nicht immer. Es gibt auch besondere Tage. Heute ist so ein besonderer Tag.

Heute ging es schon morgens laut zu.
Lia: Theaaaaa, wo bist Du?
Thea: Eben war ich noch im Bett. Jetzt bin ich rausgefallen. Musst Du denn so brüllen?
Lia: Es ist etwas passiert!
Thea: Dann kann ich mich ja wieder hinlegen.
Lia: Nein, das geht nicht.
Thea: Und warum geht das nicht?
Lia: Weil Du mich für einen Wettbewerb trainieren musst.
Thea: Und wofür? Etwa welche Oma brüllt am lautesten?
Lia: Nein! In 14 Tagen findet ein Wettbewerb zum Thema Allgemeinwissen statt „wer weiß es?“ Und ich habe eben die Bestätigung bekommen, dass ich als Teilnehmerin zugelassen bin.

Thea: Jeder schaufelt sich seine Grube. Was habe ich damit zu tun?
Lia: Du stellst mir alle möglichen Fragen, was man so allgemein wissen sollte und ich beantworte sie. Und dann musst Du prüfen, ob ich alles richtig beantwortet habe.

Thea: Was ist eine Wüste?
Lia: Eine Wüste ist ein Sandstrand im Landesinneren von Afrika. In der Wüste gibt es auch Schiffe, die dort Kamele genannt werden. Diese Wüstenschiffe sind sehr sparsam und können lange das Wasser halten. Na, wie findest Du meine Antwort?

Thea: Ach, ich bin – äh – überrascht. Und was für Ureinwohner, Stämme genannt, leben so in Afrika?
Lia: In Afrika gibt es viele verschiedenen Stämme zum Beispiel die Zullus, die Hottentotten, die Hugenotten und die Pyrenäen. Die Ureinwohner sind meistens bettelarm. Hunger ist ihr tägliches Brot.

Thea: Dann wollen wir mal hoffen, dass im Wettbewerb niemand Fragen nach oder über Afrika stellt.

Lia: Dann frag mich über Begriffe aus.

Thea: Gut. Was ist ein Defizit?
Lia: Defizit ist, wenn man weniger als nichts hat.

Thea: Na gut, noch ein Versuch auf diesem Gebiet: Was ist ein Kreis?
Lia: Ein Kreis ist eine runde Linie, bei der man nicht weiß, wo sie anfängt.
Thea: Zumindest nicht völlig falsch. Aber ich merke schon, das mit der Geometrie liegt Dir nicht so.
Lia: Dann frag mich doch etwas über Menschen.
Thea: Na gut. Was meint man, wenn man sagt: Er oder sie ist erwachsen?

Lia: Das ist einfach. Erwachsen ist, wenn oben nichts mehr dazukommt.

Thea: Na, das geht so gerade eben durch. Was weißt Du über Mann und Frau?

Lia: Das ist auch einfach. Der Mann hat einen Nabel, der mit zunehmendem Bierkonsum ins Auge des Betrachters fällt. Unterhalb des Nabels befindet sich der sogenannte kleine Unterschied, der aber von Zeit zu Zeit durchaus größer werden kann.

Thea: Das würde ich durchgehen lassen. Soll ich etwas über Geschichte fragen?
Lia: Oh ja bitte.

Thea: Was kannst Du über das Zeitalter der Aufklärung sagen?

Lia: Im Zeitalter der Aufklärung lernten die Leute endlich, daß man sich nicht durch die Biene und die Blüte fortpflanzt und dass man sich Kinder nicht durch den Storch Kinder bringen lässt, sondern dass man sie selber macht. Daraus entstand die Aufklärungswelle. Vor der Aufklärungswelle war der Geschlechtsakt eine Schweinerei, über die man nicht spricht. Heute ist sie erlaubt und macht Spaß.

Thea: Also Deine Geschichtskenntnisse sind auch grausam. Was weißt Du über Katholiken?

Lia: Wenn Katholiken Sünden getan haben, dann ist der liebe Gott böse mit ihnen und schimpft. Aber das können Katholiken meistens nicht verstehen, weil er so leise spricht und lateinisch. In den katholischen Kirchen gibt es eine Orgel.

Thea: Und was ist eine Orgel?

Lia: Eine Orgel ist kein Klavier.

Thea: Ja, toll. Das war aber nicht die Frage, Madame. Kennst Du denn den Unterschied?

Lia: Ja, sicher. Orgel und Klavier unterscheiden sich vor allem dadurch, dass an der Orgel die größten Pfeifen sitzen.

Thea: Himmel, lass Hirn regnen. Ich geb‘s auf. Frag am besten Bluehorse, ob er Dir bei der Vorbereitung auf den Wissenswettbewerb hilft.
Lia: Frag Du ihn doch selber.
Thea: Was soll ich ihn denn fragen?
Lia: Wie Du mich am besten schlau machen kannst. Kritisieren kann jeder.
Thea: Na gut, dann frag ich ihn.

Riiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing, riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiing

Bluehorse: Hallo, hier ist die Mensa für Aliens.
Thea: Ach, ich habe keinen Sinn mehr für Humor.

Bluehorse: Thea, du bist’s. Was ist denn passiert?

Thea: Ach, Lia verlangte, dass ich sie für einen Wissenswettbewerb trainiere. Aber sie hat ja sowas von keine Ahnung. Da bin ich mit meinem Latein am Ende. Kannst Du mir einen guten Rat gebe, bevor ich platze?

Bluehorse: Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann denke ich an Jakobus 1,5: „So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann und rücket's niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.

Thea: Erklär mir mal den Vers und vor allem, wie ich ihn in dieser Situation anwenden soll.

Bluehorse: Mir sagt der Vers: Wenn Du keine Ahnung hast, wie Du eine Aufgabe erledigen sollst, dann bitte Gott um Weisheit.

Thea: Und wenn keine hilfreiche Weisheit kommt?

Bluehorse: Dann ist die jeweilige Aufgabe auch nichts für Dich.

Thea: Soll ich Lia etwa sagen: „ich kann Dir nicht helfen?

Bluehorse: Ja klar, was denn sonst? Eine gute Frau kennt ihre Grenzen.

Thea: Dann wird Lia böse mit mir sein.

Bluehorse: Nun, das liegt an ihrem Eigensinn, etwas unbedingt tun zu wollen, auch wenn es ihre Grenzen übersteigt. Wir können keinen Menschen ändern, auch dann nicht, wenn es sich um unsere Schwester handelt.
Mit solchen Menschen brauchen wir Geduld – sollten uns aber nicht in eine peinliche Situation bringen, indem wir „ja“ sagen, wo wir „nein“ sagen sollten.

© JJ