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Notwendig: die Gabe des klaren Durchblicks

Notwendig: die Gabe des klaren Durchblicks
Bei der Betrachtung der religiösen Szene von heute sind
wir versucht, unsere Aufmerksamkeit der einen oder anderen Schwäche zuzuwenden und zu sagen: »Das ist der
Punkt, an dem es in der Gemeinde verkehrt läuft. Wenn
er berichtigt würde, könnten wir die Herrlichkeit der Urgemeinde zurückgewinnen und wieder die Zeit zu
Pfingsten haben.«
Diese Neigung zu einer übermäßigen Vereinfachung
ist selber eine Schwäche, vor der man sich stets hüten
sollte, besonders wenn man sich mit etwas so Komplexem wie der Religion, wie sie in der heutigen Zeit in Erscheinung tritt, befaßt. Nur ein sehr junger Mensch reduziert sämtliche vorhandenen Leiden auf eine einzige
Krankheit und will alles mit einer einfachen Arzenei heilen. Ältere und klügere Köpfe sind viel vorsichtiger, weil
sie gelernt haben, daß das verordnete Heilmittel selten
wirkt, wenn die Diagnose nicht stimmt. Nichts ist so einfach. Wenige geistliche Krankheiten treten einzeln auf.
Fast alle werden durch das Vorhandensein von anderen
kompliziert und sind so eng mit anderen verbunden,
wenn sie sich über den ganzen religiösen Leib ausbreiten, daß die Weisheit eines Salomo notwendig wäre, um
ein einziges Heilmittel dagegen zu finden.
Aus diesem Grunde zögere ich, auf irgendeinen Mangel in der heutigen Christenheit hinzuweisen und zu behaupten, daß all unsere Schwierigkeiten allein daraus
entständen. Daß der christliche Glaube in unseren Tagen unter einem starken Zerfall leidet, ist so offensichtlich, daß es nicht bewiesen werden muß. Was jedoch die115
sen Zerfall verursacht hat, ist nicht so leicht festzustellen. Ich kann nur sagen, daß ich einen bemerkenswerten
Mangel unter den evangelikalen Christen beobachtet habe, der sich als die tatsächliche Ursache für die meisten
unserer geistlichen Schwierigkeiten erweisen könnte.
Wenn das zuträfe, dann wäre natürlich die Beseitigung
dieses Mangels das, was wir am dringlichsten brauchen.
Die große Schwäche, auf die ich mich hier beziehe, ist
der Mangel an geistlicher Urteilskraft, besonders unter
unseren Führern. Wie es möglich ist, daß es ein so großes Bibelwissen und so wenig Einsicht, so wenig moralische Durchschlagskraft gibt, ist eines der Rätsel der religiösen Welt von heute. Ich glaube, daß alles in allem die
Aussage richtig ist, daß es niemals zuvor in der Geschichte der Gemeinde eine Zeit gegeben hat, zu der sich so viele Menschen mit dem Studium der Bibel beschäftigten
wie heute. Wenn die Kenntnis der biblischen Lehre irgendeine Garantie für Gottähnlichkeit wäre, dann würde
die heutige Zeit zweifellos als das Jahrhundert der Heiligkeit in der Geschichte eingehen. Statt dessen könnte
man es sehr wohl als das Jahrhundert der babylonischen
Gefangenschaft der Gemeinde bezeichnen oder als das
Zeitalter der Weltlichkeit, in dem die angebliche Braut
Christi sich von den gefallenen Söhnen der Menschen in
unglaublicher Zahl und mit viel Erfolg hofieren läßt. Die
evangelikalen Gläubigen haben sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren aufgrund negativer Einflüsse ganz
und gar der Welt ergeben. Vermieden werden nur einige
gröbere Sünden wie Trunkenheit und sexuelle Ausschweifung.
Daß dieser Treuebruch am hellichten Tag und mit voller Billigung der Prediger und Evangelisten geschieht, ist
eines der schrecklichsten Dinge in der geistlichen Ge116
schichte der Welt. Dennoch kann ich zum Beispiel nicht
glauben, daß diese Kapitulation vor der Welt zustande
gebracht wurde von böswilligen Menschen, die sich vorsätzlich aufmachten, den Glauben ihrer Väter zu zerstören. Viele gut und rein lebende Menschen haben mit den
Kollaborateuren, die uns betrogen haben, zusammengearbeitet. Warum? Die Antwort kann nur lauten: aus
Mangel an geistlicher Einsicht. Etwas wie ein Nebel hat
sich über der Gemeinde niedergelassen wie »die Decke,
mit der alle Heiden zugedeckt sind« (Jes 25.7). Solch eine Decke wurde einmal über Israel gelegt: »Aber ihre
Sinne wurden verstockt. Denn bis auf den heutigen Tag
bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, weil sie nur in Christus abgetan
wird. Aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen
wird, hängt die Decke vor ihrem Herzen« (2.Kor
3,14.15). Das war die tragische Stunde Israels. Gott gründete die Gemeinde und entzog seinem alten Volk zeitweise die Bürgerrechte. Er konnte sein Werk blinden
Menschen nicht anvertrauen.
Ohne Zweifel müssen unsere inneren Augen gewaschen werden, wenn wir dem Schicksal Israels und jeder
anderen religiösen Gemeinschaft in der Geschichte, die
Gott verlassen hat, entgehen wollen. Das Auftreten
christlicher Führer mit einer prophetischen Sicht ist eines unserer größten Bedürfnisse, wenn nicht gar unser
größtes Bedürfnis. Wir benötigen unbedingt Seher, die
durch den Nebel hindurchblicken können. Wenn sie
nicht bald kommen, wird es für die heutige Generation
zu spät sein. Und wenn sie kommen, werden wir ohne
Frage einige von ihnen im Namen unserer weltlichen
Orthodoxie kreuzigen. Aber das Kreuz ist immer der
Vorläufer der Auferstehung.
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Reine Verkündigung des Evangeliums ist nicht unser
momentanes Bedürfnis. Die Verkündigung des Evangeliums vergrößert nur die Religion, welcher Art sie auch
sein mag. Sie erreicht bei großen Scharen von Menschen
die Anerkennung der Religion, ohne der Qualität der Religion viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Tragödie
liegt darin, daß die heutige Verkündigung des Evangeliums die degenerierte Form des Christentums akzeptiert, die gegenwärtig als die Religion der Apostel gilt,
und daß sie sich, ohne daß sie hinterfragt wird, daran
macht, Menschen zu dieser Art von Christentum zu bekehren. Und die ganze Zeit entfernen wir uns immer weiter von dem neutestamentlichen Muster.
Wir brauchen eine neue Reformation. Es muß ein radikaler Bruch kommen mit jener unverantwortlichen, vergnügungsverrückten, heidnisch gewordenen Pseudoreligion, die heute als der Glaube an Christus bezeichnet
wird und die über die ganze Welt verbreitet wird von ungeistlichen Männern, die sich zur Erreichung ihrer Ziele
unbiblischer Methoden bedienen.
Als die römisch-katholische Kirche abtrünnig wurde,
brachte Gott die Reformation hervor. Als die Reformation zu Ende ging, erweckte Gott die Moravier und die
Wesleys. Als diese Bewegungen zu sterben begannen,
ließ Gott die Fundamentalisten und die Gruppen, die
nach einem »tieferen Leben streben«, aufstehen.
Jetzt, wo diese sich fast vollständig an die Welt verkauft haben - was jetzt?...https://www.sermon-online.com/de/contents/21827

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Sulzbacher 20.08.2022 11:35
Wir brauchen kühle Köpfe
In der Gemeinde Gottes müssen zwei entgegengesetzte
Gefahren erkannt und vermieden werden: ein kühles
Herz und ein heißer Kopf. Und wegen der offensichtlich
schädlichen Wirkungen ist der heiße Kopf häufig das
schlimmere der beiden Übel.
Das menschliche Herz ist von Natur aus ketzerisch.
Es sei denn, daß es durch die Heilige Schrift gut unterwiesen und von dem innewohnenden Geist ganz erhellt
ist, bringt es mit Sicherheit einige seiner eigenen Ansichten in seine religiösen Glaubensvorstellungen und Praktiken mit ein. Es kann zum Beispiel das Feuer des Heiligen Geistes mit der Hitze des Fleisches verwechseln und
die Funken der überhitzten Phantasie für den Schein der
wahren Schekina halten. Und so etwas kann überaus gefährlich sein, besonders, wenn man es bei religiösen Führern findet.
Es ist wahr, daß Hesekiel bei einer Gelegenheit im bitteren Grimm seines Geistes dahinfuhr (Hes 3,14); aber
nichts deutet daraufhin, daß er seinen Kopf verloren hatte, denn er sagte auch, daß die Hand des Herrn stark auf
ihm ruhte (Hes 3,14). Die bremsende Hand Gottes verhindert, daß das Fieber des menschlichen Geistes die kritischen Bereiche befällt und zu extremem und unklugem
Verhalten führt.
In unserem lobenswerten Eifer, das Pfingstfeuer wieder unter uns brennen zu sehen, machen wir uns manchmal der Übertreibung von Tatsachen schuldig. Aus Gewohnheit verweisen wir zum Beispiel auf die Inbrunst
großer Heiliger, auf ihre leidenschaftliche Liebe und jhr
brennendes Verlangen und übersehen dabei völlig ande160
re charakteristische Eigenschaften ihrer Persönlichkeit - zum Beispiel ihr ruhiges, sachliches Urteilsvermögen und ihren scharfen, gesunden Verstand. Denn es
kann nicht geleugnet werden, daß die Reformer, Erweckungsprediger und die Mystiker der Vergangenheit
zum größten Teil ungewöhnlich ausgeglichene und beherrschte Männer waren. Die Inbrunst von John Wesleys
Geist ist trotz der inzwischen vergangenen Jahre noch immer zu spüren, aber wer immer sich die Mühe macht, seine Schriften zu lesen, wird feststellen, daß er in der Lage
war, praktisch über alles ein äußerst ruhiges und ausgewogenes Urteil abzugeben. Dasselbe gilt für Finney und
eine große Schar anderer, deren Beispiel heute gebraucht wird, um die kalten Herzen unserer Zeit dazu zu
bewegen, nach dem himmlischen Feuer zu trachten.
Man kann ohne weiteres sagen, daß es niemals zuviel
Feuer geben kann, wenn es sich um das wahre Feuer
Gottes handelt. Und man kann ebenso bestimmt sagen,
daß es in religiösen Angelegenheiten niemals ein zu kühles Urteilsvermögen geben kann, wenn dieses Urteilsvermögen durch den Heiligen Geist geheiligt ist. Die Geschichte der Erweckungen in der Gemeinde zeigt, wie
gefährlich der heiße Kopf sein kann. Es hat in der Gemeinde kaum eine Erweckung stattgefunden, die nicht
von genau den Menschen, die sie zu fördern suchten, gestoppt wurde. Wenn eine geistliche Bewegung so groß
wird, daß sie sich der Leitung derjenigen entzieht, durch
die Gott sie zustande brachte, dann beginnt die Gefahr.
Extremisten, die auf der Welle der Erweckungsbewegung zu örtlichem Ansehen gelangten, übernehmen jetzt
das Ruder; sofort fehlt die richtige Perspektive. Was zuvor nebensächlich war, wird jetzt grundlegend; was ein
Nebenprodukt war, wird jetzt zum Hauptprodukt. Was
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zuvor als etwas Zeitliches und Unerwünschtes vorhanden gewesen war, wird jetzt als genau das Kennzeichen
des göttlichen Segens auf der Bewegung propagiert. Wie
viele Erweckungen auf diese Art und Weise beendet wurden, zeigen die zahlreichen Berichte hierüber zur Genüge. Und viele von uns kennen ähnliche Fälle im eigenen,
begrenzten Erfahrungsbereich, die überhaupt nicht in die
Geschichtsschreibung eingegangen sind.
Unter den Gaben des Heiligen Geistes ist kaum eine
von größerem praktischen Nutzen als die Gabe der Unterscheidung. Diese Gabe sollte hoch eingeschätzt und
rückhaltlos gesucht werden, da sie in der heutigen kritischen Zeit praktisch unverzichtbar ist. Diese Gabe wird
uns befähigen, die Spreu vom Weizen zu trennen und die
Äußerungen des Fleisches von den Wirkungen des Heiligen Geistes zu unterscheiden. Aus Verlangen nach dieser Gabe jagen viele Kinder Gottes dauernd hinter Feuerfliegen her in der falschen Annahme, daß sie der Feuersäule und der Wolke folgen. Und dadurch schaden sie
sich selber und verwirren andere.
Es wird immer Menschen geben, die zögern zu glauben, daß etwas von Gott ist, wenn es nicht einen Geschmack des Unheimlichen oder wenigstens des Übernatürlichen hat. Leute mit einer bestimmten Art von Mentalität denken nur in Extremen; sie können nichts in der angemessenen Perspektive sehen, sondern sehen alles so
aus der Nähe, daß ihnen die Korrektur der Entfernung
völlig fehlt. Sie werden alles glauben, solange es ungewöhnlich und ein wenig geheimnisvoll ist. Ihr Feuer ist
nicht groß, aber indem sie es immer an einem kleinen
Punkt brennen lassen, gelingt es ihnen, ein überraschendes Maß an Hitze zu erzeugen, aber nur an eben dem einen Punkt.
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Wenn die Priester das Heiligtum betraten, um das Opfer darzubringen, war es ihnen nicht erlaubt, etwas zu tragen, das Schweiß verursachte. Menschlicher Schweiß
kann dem Wirken des Heiligen Geistes nichts hinzufügen, besonders wenn es »Nervenschweiß« ist. Das heißeste Feuer Gottes ist kühl, wenn es den erlösten Intellekt berührt. Es bringt das Herz zum Glühen, läßt jedoch
das Urteilsvermögen ruhig sein.
Wir leben in einer Zeit großen religiösen Aufruhrs. Es
ist uns gut, wenn wir uns daran erinnern, daß »Gott uns
nicht den Geist der Furcht gegeben hat, sondern den
Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit«
(2.Tim 1,7). Laß die Liebe mit zunehmender Glut brennen, aber bringe jede Handlung vor die prüfenden
Augen der bedachtsamen Weisheit. Sorge dafür, daß das
Feuer im Schmelzofen bleibt. Dort gehört es hin. Ein
überhitzter Schornstein verursacht mehr Aufregung als
ein gut kontrollierter Schmelzofen, denn er kann sehr
wohl ein Haus abbrennen lassen. Die Regel soll lauten:
ein heißer Schmelzofen, aber ein kühler Schornstein.
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